Prolog

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Verwirrt starrte ich in die Dunkelheit. In meinem Kopf hämmerte es unaufhörlich. Poch. Poch. Poch. Ich kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, dass die Schmerzen weniger wurden. Zu meinem Leidwesen wurden sie aber nur schlimmer. Entweder ich hatte mir an irgendetwas den Kopf angeschlagen oder es gewaltig mit dem Alkohol übertrieben. Letzteres war in Anbetracht dessen, dass wir gestern meinen Geburtstag gefeiert hatten, die wahrscheinlichere Option. Ich erinnerte mich wage an bunte Lichter und etliche schwitzende, mehr oder weniger im Takt der dröhnenden Musik tanzende Körper.

Während all diese Erinnerungsfetzen auf mich einströmten – was nicht gerade förderlich für meinen schmerzenden Kopf war -, nahm ich nur am Rande den Arm wahr, der mich umklammert hielt. Die Erkenntnis, dass ich nicht alleine im Bett lag, traf mich wie ein Blitz. Mein erster Impuls war es, mich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen und das am besten, ohne den Kerl neben mir aufzuwecken. Mein Magen rebellierte und mir wurde übel, als ich daran dachte, was ich angestellt hatte.

Dass mein Bettgenosse mich enger an sich zog, sodass ich seinen warmen Körper an meinem Rücken spüren konnte, machte die ganze Situation nicht unbedingt besser. Ebenso wenig der Gedanke, dass das gar kein so unangenehmes Gefühl gewesen wäre, wäre das alles nicht so peinlich.

Vorsichtig legte ich eine Hand auf seinen Arm, um ihn von mir zu schieben. Das klappte besser als erwartet, sodass ich mich endlich aufrichten konnte. Kaum stand ich auf meinen Beinen, sank ich zu Boden. Der Schwindel war ebenso schnell, wie die Übelkeit gekommen. Mühevoll rappelte ich mich auf, um anschließend orientierungslos stehen zu bleiben. Ich wusste weder wo ich war, noch wie ich hier samt meiner Kleidung rauskam. Zwar sah ich nicht was ich trug, aber es war zu luftig, dass es sich um mein Kleid hätte handeln können.

Mir blieb nichts anderes übrig, als nach einem Lichtschalter zu suchen. So sehr es mir auch widerstrebte. Nachdem ich beinahe über meine eigenen Beine gestolpert wäre, ertasteten meine Hände eine Wand, die mir etwas Orientierung bot. Anstelle eines Lichtschalters, fand ich eine Türklinke. Ohne nachzudenken drückte ich sie herunter und verschwand hinter der Tür.

Erleichtert atmete ich tief durch. Erst danach schaltete ich das Licht ein, um mich in einem geradezu winzigen Badezimmer wiederzufinden. Gerade noch rechtzeitig. Nur einen Wimpernschlag später stand ich über die Kloschüssel gebeugt und übergab mich. Mit der einen Hand stütze ich meinen bebenden Körper an der Klobrille ab, mit der anderen versuchte ich vergebens meine braunen Haare aus dem Gesicht zu halten. Ich wusste nicht, wie lange ich dastand, mich übergab und mir wünschte, dass es bald endete. Es fühlte sich jedenfalls an, wie eine kleine Ewigkeit.

Als ich mir sicher war, dass das Schlimmste überstanden war, richtete ich mich auf und ging zum Waschbecken. Dabei fiel mein Blick auf etwas, das neben der Tür auf der Kommode lag. Meine Kleidung und daneben ein kleiner Zettel, auf dem etwas geschrieben stand. Das mit dem leisen Abgang konnte ich dann wohl vergessen.

Das erste Mal seit meinem Erwachen sah ich an mir herunter. Wie bereits vermutet, trug ich nicht mein Kleid, sondern ein Männerhemd, das mir knapp bis zur Mitte meiner Oberschenkel reichte. Darunter war ich nackt. Spätestens jetzt konnte ich meinen One-Night-Stand nicht mehr verleugnen.

Um nicht mehr Zeit als nötig hier verbringen zu müssen, tauschte ich das Hemd gegen meine Kleidung. Die Schuhe zog ich allerdings nicht an. Das würde mein übriggebliebenes Stück Gleichgewichtssinn nicht überstehen. Nach einem kurzen Blick ins unliebsame Spiegelbild und mit Hilfe von etwas kaltem Wasser beseitigte ich die Überreste der letzten Nacht. Gegen die Leichenblässe und die dunklen Ringe unter meinen Augen konnte ich jedoch nichts tun. Aber wem bitteschön wollte ich hier eigentlich imponieren? Der Kerl, mit dem ich die Nacht verbracht hatte, hatte gesehen, wie ich über seiner Kloschüssel hing. Wie ich aussah spielte daher wohl kaum noch eine Rolle.

Frustriert griff ich nach dem Zettel. Mein dröhnender Kopf machte es mir nicht gerade einfach, die unordentliche Schrift zu entziffern. Mit etwas Konzentration gelang mir aber auch das.

Ich möchte sichergehen, dass du unversehrt Zuhause ankommst. Deshalb habe ich dir ein Taxi gerufen.

Meine Augen überflogen die Wörter. Einmal. Zweimal. Mein Körper entspannte sich augenblicklich. Dieser Kerl wollte allem Anschein nach mich ebenso wenig sehen, wie ich ihn. Mittlerweile war es mir gleichgültig, ob ich ihm gegenübertrat oder nicht. Peinlicher konnte die Situation wohl kaum werden.

Mit diesem Gedanken öffnete ich die Badezimmertür und trat in ein nun hell erleuchtetes Schlafzimmer. Es war gerade groß genug, dass ein Doppelbett und ein Schrank hineinpasste. Von dem Besitzer der fremden Wohnung war nicht die geringste Spur zu sehen.

Insgeheim war ich ein wenig neugierig zu erfahren, mit wem ich die Nacht verbracht hatte. Vor allem, da er sich so sehr die Mühe machte, nicht von mir gesehen zu werden. Ein flüchtiger Gedanke, der dem Restalkohol in meinem Blut zu verschulden war.

Mit meinen Schuhen in der einer Hand und der Tasche in der anderen, verließ ich das Schlafzimmer. Die Haustür war schnell gefunden und ich dahinter verschwunden, bevor ich Gefahr laufen konnte, doch noch Mr. Unbekannt zu begegnen.

„Endlich draußen!", stieß ich erschöpft und gleichzeitig froh, etwas frische Nachtluft schnappen zu können, aus. Nachdem ich die Wohnung verlassen hatte, hatte ich erstmal durchs Treppenhaus gehen müssen. Dass ich lebend aus dem Gebäudekomplex gekommen war, glich daher einem kleinen Wunder.

Draußen war es stockdunkel und wäre ich nicht so erledigt, hätte ich sicherlich mehr um meine Sicherheit gebangt. So aber war ich nur froh, als ein Auto vor mir hilft, das ich kurzerhand als mein Taxi identifizierte. Glücklicherweise stellte es sich tatsächlich als Taxi heraus. Nicht, dass ich am Ende noch in irgendein Auto eingestiegen wäre. Noch mehr Aufregung für eine Nacht war nun wirklich nicht nötig.

„Aufregende Nacht?", fragte mich der Taxifahrer, nachdem ich ihm meine Adresse genannt und wir losgefahren waren. Mein Blick fiel erst auf den Mann mit dem schütteren Haar, dann auf die Uhr auf dem Armaturenbrett. In wenigen Minuten würde die Sonne aufgehen.

„Eher ein aufregender Morgen."

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