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Natürlich war ich von Derek enttäuscht gewesen, schließlich hätte er mir sagen können, dass er keine Lust auf Sex hatte. Schlimm fand ich es, dass er mich hat ausziehen lassen und als es soweit gewesen wäre, konnte er nicht seinen Kopf ausschalten und hatte seinen Schwanz eingezogen. Doch das alles war vergeben und vergessen, denn ich wollte kein unnötig großes Fass aufmachen. Jeder hatte mal seinen schlechten Tag, deswegen zeigte ich Verständnis. Außerdem wusste Derek langsam, welche Knöpfe er bei mir zu drücken hatte, damit ich in seinen Händen zerfloss. Es machte mir zwar manchmal immer noch Probleme, Derek meine Gefühle zu offenbaren, aber ich gewöhnte mich stetig daran.

Es war Ende der fünften Woche, als eine junge Frau in meinem Alter im Camp auftauchte. Ich war verwundert, denn eigentlich sollte es während der Zeit im Camp keine Besuche von Familienmitgliedern geben. Aber sie schien die Regel zu missachten. Gut möglich, dass sie ihre Schwestern oder ihren Bruder besuchen wollte, jedoch müssten wir sie dann enttäuschen und wieder nach Hause schicken. Ansonsten würden die letzten Wochen über alle Kinder Besuch bekommen, und Sinn und Zweck des Camps war es nicht, die Besuche zu verwalten.
Da wir gerade draußen spielten und entspannten, bemerkte niemand der anderen Betreuer die junge Frau. Deswegen lief ich ihr entgegen und musterte sie neugierig. Ihre langen braunen Haare fielen ihr in sanften Wellen über ihre nackten, gebräunten Schultern. Auf ihrer Nase trug sie eine große Sonnenbrille, die ihr halbes Gesicht verdeckte und gemeinsam mit dem kurzen Minirock und den Keilsandalen, wie ein verwöhntes It-Girl wirken ließ, die in einem Wald nichts verloren hatte. Trotzdem fragte ich sie freundlich, was sie hier wollte.
„Hey, ich bin Claire und auf der Suche nach Derek Moore. Er müsste hier im Camp arbeiten", sagte sie und zog dabei ihre Sonnenbrille von der Nase. Ihre blauen Augen musterten mich abschätzig. Sicherlich dachte sie, dass ich in meiner zerrissenen Jeans und meinem schmutzigen T-Shirt keinen Schönheitswettbewerb gewinnen würde. Da ich das auch nicht vorhatte, war es mir relativ egal, wie ich hier aussah und was sie von mir hielt.
Derek suchte sie also, dachte ich neugierig und überlegte, ob das vielleicht seine Schwester war. Vom Aussehen her hatten sie nur eine minimale Ähnlichkeit, aber das sagte nichts aus.
„Hi, ich bin Indiana. Ich weiß gerade nicht genau wo er ist, aber ich kann ihn mit dir suchen gehen", bat ich ihr höflich an. Eifrig nickte sie und ich führte sie zum Speisesaal.
„Hoffentlich freut sich Derek, wenn er mich sieht", sagte sie träumerisch. Interessiert wollte ich von ihr wissen, warum er sich denn nicht freuen sollte und ärgerte mich im Nachhinein, sie überhaupt kennengelernt zu haben.
„Derek und ich haben uns vor dem Camp getrennt, er meinte, dass wir uns nicht mehr ergänzen würden. Aber in diesen fünf Wochen Trennung ist mir aufgefallen, dass wir einfach perfekt zueinander passen. Und als wir vor einigen Tagen miteinander telefoniert haben, spürte ich wie er mich vermisste. Er liebt mich und ich liebe ihn. Deswegen lautet meine Mission, ihn wieder für mich zu gewinnen und ich bin mir sicher, dass es klappen wird. Hier im Wald gab es schließlich keine Versuchung auf zwei Beinen, wie ich sie bin", lachte sie selbstgefällig und würdigte mich keines weiteren Blickes.
Das nannte ich mal die perfekte Beschreibung um die Katze aus dem Sack zu lassen. Jedoch hätte sie die Katze niemals aus dem Sack lassen dürfen und besonders nicht vor mir. Vielleicht war ich kein sexy Vamp, aber wenn sie erfahren würde, wie viele Stunden Derek und ich gemeinsam im Bootshaus verbracht hatten, würde sich ihr selbstsicheres Grinsen in Luft auflösen.
Leider blieb mir dafür keine Zeit, denn schnurstracks eilte sie mir voraus und öffnete die Tür zum Speisesaal. Derek hantierte mit Hammer und Nagel, da er gerade einige neue Bilder an der Wand befestigte, die er in den letzten Wochen geschossen hatte. Ein schrilles „Derek, Baby" ließ ihn zusammenzucken.
„Oh mein Gott, Claire, was machst du hier?", stieß er völlig von der Rolle aus, als sie ihm einen fetten Schmatzer auf seine Lippen drückte. In mir zog sich alles zusammen, denn dieser Anblick ließ mein Herz in eine Million Stücke zerspringen. Meine Hände begannen zu zittern, Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich wäre am liebsten schreiend durch das Camp gerannt. Dennoch unterdrückte ich, für diesen Moment, meine Gefühle und schlich in die Küche um besser lauschen zu können. Den beiden Turteltauben würde es nicht auffallen, sollte ich in der Küche verschwinden und mithören.
„Es tut so gut dich wieder zu umarmen, ich habe dich schrecklich vermisst", sagte sie in viel zu hoher Stimmlage, die nicht nur mich, sondern auch Glas zum Platzen gebracht hätte.
„Ja, ähm, aber meine Worte waren doch ziemlich eindeutig, oder nicht?"
„Waren sie und ich stimme dir voll und ganz zu. Wir haben diese Pause gebraucht um herauszufinden was wir wollen, ich brauche dich und du brauchst mich. Unser Telefonat hat es mir nochmal verdeutlicht." Überglücklich sprach sie ihre Worte aus und sprang Derek bestimmt wieder an den Hals. Wie ein kleines süßes Kätzchen würde sie sich an seine starke Brust schmiegen und unter ihren Wimpern hervorsehen, um ihn letzten Endes ganz für sich zu gewinnen.
„Claire, du hast mich falsch verstanden. Wir hatten keine Pause, wir haben uns getrennt und ich will nichts mehr von dir hören."
Wenn ich die Szenerie sehen könnte, dann hätte sie jetzt Tränen in den Augen. Sobald Frauen anfingen zu weinen, waren die Männer überfordert und fraßen dem weiblichen Geschöpf aus der Hand.
„Sch, bitte nicht weinen", tröstete er sie.
Wie Recht ich doch hatte, dachte ich genervt. Gespannt lauschte ich den weiteren Worten ihrer Konversation. Meine Wut nahm überhand, als ich hörte, wie Claire nun begann lauthals zu schluchzen. Vereinzelt waren tröstende Worte seitens Derek zu hören, und dann hörte ich nichts mehr. Auch nach Minuten des Schweigens war kein Laut mehr zu vernehmen.
Vorsichtig traute ich mich die Schwingtür der Küche zu öffnen und sah, wie Derek und Claire sich küssten. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und fuhr wild durch seine kurzen, dunklen Haare. Er hatte seine Hände auf ihrer Taille und drückte sie näher zu sich. Meine Welt brach in diesem Moment zusammen, denn der Kuss war eindeutig. Ich war ein kleiner Zeitvertreib für ihn, ein schneller Fick für zwischendurch und Claire seine große Liebe. Nichts und niemand könnte sie auseinander bringen, dachte ich höhnisch. Ich kam mir vor wie im falschen Film und hoffte, der Regisseur würde laut „Cut" rufen, da er endlich bemerkte, das Dereks ex Ex-Freundin die falsche Rolle spielte.
Energisch stürmte ich aus dem Speisesaal, rannte unter Tränen an den Kindern vorbei und knallte laut meine Zimmertür zu. Wütend und enttäusch schmiss ich mich auf mein Bett und weinte mein weißes Kissen nass.
Hätte ich besser auf meinen Verstand und Felix gehört! Um nicht verletzt zu werden, offenbarte ich mich keinem, nun hatte ich es getan und es würde Derek nicht einmal interessieren, wie schlecht es mir ging. Lagen seine Augen schließlich nur auf der hübschen Braunhaarigen. Das Bild, wie die Beiden sich innig und vertraut küssten, hatte sich auf meine Netzhaut gebrannt und immer wenn ich ihn sehen würde, würde ich nur daran denken können.

Ich wollte ihn nie wieder sehen!

Indiana in OhioWhere stories live. Discover now