Kapitel 2

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"Hach, ist das herrlich, wieder hier zu sein."
Johannes ließ sich mit einem zufriedenen Grinsen auf eines der abgenutzten, aber bequemen Sofas fallen und fuhr mit den Fingerspitzen seiner freien Hand über das beige Leder.
"Du warst in der Zwischenzeit doch in einer Menge anderer Proberäume; tu mal nicht so!", lachte Niels, während er sich neben den Sänger setzte und einen weiteren Schluck aus seiner Bierdose nahm.
"Aber mit ganz anderen Menschen, ganz anderer Musik und ganz anderem Flair. Das hier hat mir schon ein wenig gefehlt." - "Da stimme ich dir zu." Kris nickte Johannes zu und machte es sich auf dem zweiten Sofa bequem, deutete mir, mich zu ihm zu gesellen und mit rasendem Herzen tat ich dies schließlich.
"Erzählt mal. Von euren Tourneen, meine ich. Ist doch etwas komplett anderes, als mit Alben, wie 'In Farbe', oder?", forderte ich nun, möglichst locker, Kris und Johannes auf.

Die zwei hatten schließlich einiges in unserer Bandpause erlebt und auch wenn wir uns immer mal wieder getroffen und ausgetauscht hatten; so richtig ins Detail sind die beiden nie gegangen. Vielleicht aus Angst, sie kämen egoistisch und selbstsüchtig rüber; die unbegründete Angst, die sie uns schon bei der ersten Andeutung ihrer Solo-Alben mitteilten. Doch jetzt, wo wir wieder vereint waren - und zwar als Revolverheld und nicht 'bloß' als Freunde - gab es für dieses Denken gar keinen Grund mehr.
Scheinbar sahen die beiden es genauso und erzählten munter drauf los, lachten über Patzer, wechselten sich ab und verglichen ihre Erfahrungen.
Niels und ich hörten gespannt zu; es interessierte uns wirklich und natürlich waren wir auch stolz auf Johannes und Kris, dass sie auch außerhalb der Band erfolgreich sein könnten, was sie ebenso waren. Ein paar Konzerte von Johannes hatten wir anderen zwar zusammen besucht und auch bei Kris war ich einige Male im Publikum gewesen und ich war absolut beeindruckt, ja geflasht gewesen, doch das ließ ich außen vor.

"Und, Niels? Dein Laden existiert noch?", neckte Kris ihn, als das Thema Soloalbum und -Tournee scheinbar abgeschlossen war, obwohl ich noch ewig hätte zuhören können.
"Selbstverständlich", grinste der Gitarrist und verteilte dabei die mittlerweile vierte Runde an Bier, anscheinend löste er Kris als Alkoholbeauftragten heute mal ab.
Er erzählte noch ein bisschen mehr darüber, wie sein und Niccis Geschäft so laufen würde, dass sie nach einer neuen Wohnung suchten und was wir generell so getrieben hatten in der Zeit, als die beiden durch ganz Deutschland fuhren; Niels' und meine Freundschaft wuchs in der Zeit immer mehr zusammen und es verging keine Woche, in der wir nichts miteinander unternommen hatten.
Doch ich hörte dem Gitarristen kaum zu; ich konzentrierte mich fast ausschließlich auf das warme Gefühl, das mich neben Kris durchfuhr, insbesondere, wenn ich sein Lachen hörte. Es hatte schon immer etwas ansteckendes an sich gehabt und ich hörte gerne diesen Klang; er ließ mich alles andere vergessen.

"Müssen wir noch irgendwas von dir wissen, Jay?", riss mich Johannes zurück ins Hier und Jetzt.
"Ich bin ein offenes Buch", log ich schulterzuckend und exte den Inhalt meiner Bierdose. Dass ich einigen Schlagzeugunterricht gegeben hatte und viel bei meiner Familie war, wussten sie bereits. Viel mehr gab es nicht zu erzählen, nichts, was ich in Worte fassen könnte.
"Und wie steht es in Sachen Beziehungen bei dir?"
Jo grinste frech. So paranoid, wie ich war, starrte ich ihn entgeistert an und merkte, wie mein linkes Auge begann, zu zucken. "Auf was willst du hinaus?" - "Du hattest ewig keine Freundin mehr. Zumindest keine, von der wir wussten."
Bei den letzteren Worten zwinkerte Kris und stupste mit seinem Ellenbogen in meine Seite. Ich wurde rot und wusste nicht so ganz, was ich sagen sollte, weshalb ich lediglich meine nächste Dose öffnete und darauf starrte.

"Wir verstehen schon; ein Gentleman genießt und schweigt", lachte Kris, legte seinen Arm um mich und drückte mich kurz an sich, ehe er den Griff lockerte und seine Dose in die Luft hielt; jedoch ließ er seinen Arm um mich liegen.
Und in diesem Moment traf seine Aussage zu: ich schwieg einfach und genoss seine Nähe.
"Ab jetzt werden wir wieder alles gemeinsam erleben. Revolverheld ist zurück und darauf sollten wir trinken - zum zweiten Mal heute, aber seit wann sind wir zimperlich?"
Niels, Johannes und ich hoben nun ebenfalls erneut unsere Dosen und stießen lächelnd an, zum zweiten, doch sicher nicht zum letzten Mal an diesem Abend.

•Du weißt nicht, was du fühlst.•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt