Fünf

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Ich konnte nicht glauben was ich gerade gehört hatte. Ich würde reisen.

"Morgen früh geht es für euch beide los. Eure Reise geht zum Kloster der Barmherzigen." Bei seinen nächsten Worten setzte mein Herz aus. "Du wirst dort bleiben, Vienna und Ihr General könnt danach sofort zur Basis zurückkehren."

"Wieso soll ich dort bleiben?" Ich verstand nicht. "Soll das eine Strafe sein? Habe ich etwas falsch gemacht?"

"Vienna bitte. Dort wirst du sicher leben können. Mach dir keine Gedanken alles ist in Ordnung. Du hast nichts falsch gemacht."
"Zu meinem Besten also? Aber sonst schickst du niemanden weg. Das ist nicht fair!"

"Es reicht! Ich werde darüber nicht verhandeln. Du wirst morgen losgehen und im Kloster bleiben, so lange wie ich es sage!"
Mit diesen Worten drehte er uns den Rücken zu. Auch Jared wollte gehen und sah mich auffordernd an. Doch ich bebte vor Wut, meine Hände waren zu kalten Fäusten geballt.

"Vater! Ich wünschte ich wäre damals gestorben!"
Er sah erschrocken zurück. Sein Gesicht war kreidebleich und in seinen Augen spiegelte sich Unglauben. Schnell drehte ich mich weg, ehe ich meine Worte bereuen konnte.

Lieber sammelte ich die Wut in mir und hielt sie fest. Ich stürmte in mein Zimmer.
"Liebes geht es euch gut?" Meine Amme legte die Handarbeit weg.

"Geht. Alle." Presste ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.

"Aber was ist passiert?"
"Ich kann euch nicht alleine lassen."
Wieso konnten sie nicht einfach gehen?
"Lasst mich endlich alleine!" Schrie ich ohne auch nur einen direkt anzusehen. Die Amme reagierte endlich.

"Kommt mein Junge, geben wir ihr einige Minuten. Keine Sorge, kommt schon."
Das erlösende klicken der Tür erklang. Ich war alleine. Augenblicklich gaben meine Beine nach. Zornig zog ich die schrecklichen Handschuhe ab und warf sie quer durch das Zimmer.

Mit kalten Fäusten haute ich gegen den Boden. Immer und immer wieder. Dabei entlud ich meine Kraft. Der Steinboden unter mir war gefroren. Doch durch den Tränenschleier konnte ich das gefrorene Gestein kaum erkennen.

Wie konnte er mir das antun? Es war keine Strafe? Pah, das ich nicht lache! Meine Schwestern hielten mich schon für eine alte Jungfer und nun bewies er, dass ich genau so für den Rest meines Lebens bleiben würde.

Mir war bewusst, dass ich nie hatte heiraten können. Doch ich hielt immer eine Illusion aufrecht, als wäre ich absolut normal. Verzweifelt wischte ich die Tränen von meinen Wangen. Es half nichts. Ich wollte sterben.

Ich hatte nicht das Ausmaß der Kälte bemerkt und ich hatte nicht die Tür gehört. Erst als Stiefel auf dem Eis knirschten sah ich mich um.
Mehrmals blinzelte ich bis ich Jareds verwirrtes Gesicht erkannte. Er starrte von mir zum Boden. Erst jetzt sah ich wie weit das Eis gewandert war.

Es hatte nicht nur die Tür erreicht sondern war unter ihr hindurch in den Flur gewandert.
Mir wurde bewusst was ich da gerade getan hatte. Ich hatte mein größtes Geheimnis verraten! Einige Male schloss und öffnete er seinen Mund. Immer wieder fuhr er sich mit den Fingern durch sein Haar.

Mich überkam pure Angst.
"Bitte, Ihr dürft Vater nicht sagen, dass ich nicht aufgepasst habe."

Nun zog er seine Augenbrauen in die Höhe. "Dass Ihr nicht aufgepasst habt? Was ... Ihr ... Zum Teufel noch mal! Sagt mir endlich was mit euch los ist. Wieso könnt Ihr das?"
Seine dunklen Augen wanderten über den vereisten Boden. Mir blieben die Worte im Hals stecken. Schwer schluckte ich.

"Wenn Ihr mir die Wahrheit sagt werde ich schweigen. Bitte seid einfach nur ehrlich." Versöhnlich kam er näher.
Sofort sprang ich auf und lief zum anderen Ende des Zimmers weit weg von ihm. "Kommt nicht näher! Wo sind meine Handschuhe?"
Absolut verstreut sah ich mich um.

Verzweifelt versteckte ich meine Hände hinter dem Rücken. Er schien zumindest zu verstehen, dass es etwas mit meinen Händen zu tun haben musste.
"Ich werde nicht näher kommen, also beruhigt euch bitte."

Voller Verzweiflung sah ich in seine dunkle Augen. Wie hatte mir das nur passieren können? Es war Vaters Schuld! Deshalb sollte er mir auch nichts vorwerfen! Wenn ich Jared nun alles erzählte, konnte Vater sehen wo er mit seinem gut gehüteten Geheimnis bleiben konnte.

"Ich kann so etwas." Ich klang sehr beschränkt und zudem zeigte ich noch wie ein Kind auf das Eis. Als ob er das nicht schon längst selber bemerkt hätte. Doch er schwieg, er drängte mich nicht. Er schien eher froh zu sein dass ich zu ihm sprach.

"Wenn ich nicht aufpasse und sehr aufgewühlt bin, dann ... Dann passiert es einfach. Ich weiß nicht wie."
Nun schien er mir nicht mehr folgen zu können.
"Ihr könnt alles gefrieren? Wenn eure Emotionen mit euch durch gehen?"

Ich nickte. "Ja, so in der Art."
"Weshalb ... Ich meine wie?" Ratlos ruhten seine dunklen Augen auf mir, als würde er so eine Antwort finden. Hilflos zuckte ich mit den Schultern.
"Seit ich klein bin kann ich das." Ich konnte seinen Augen nicht mehr standhalten. Ich fühlte mich, als wäre ich die Schuldige.

"Was ist mit eurem Vater? Er weiß es nehme ich an. Konnte er euch nie sagen weshalb es passiert?"
Ich sah zu Boden und schüttelte den Kopf.
"Hat er je versucht es heraus zufinden? Der Ursache auf den Grund zu gehen?"

Ich fühlte mich immer schlechter, während ich abermals mit dem Kopf schüttelte. Erst legte sich Stille über uns, dann hörte ich wie Jared schnaubte. "Er ist euer Vater, ich an seiner Stelle hätte alle Länder durchkämmt, um alles zu erfahren und meinem Kind irgendwie zu helfen!"

Sofort fuhr mein Kopf hoch. Er hatte nie den Eindruck gemacht, doch er wäre ein toller Vater. Seine Worte waren ernst gemeint, zudem hatte er sich gerade gegen seinen König gerichtet. Ich fragte mich nun ob er verheiratet war und vielleicht schon ein oder sogar zwei Kinder hatte.

Ich hätte ihn niemals als liebevoll beschrieben. Er schien immer mürrisch und grob, nicht einmal lächelte er. Ich kannte ihn zwar erst einen Tag und besonders ich wusste, dass man sich nicht sofort eine Meinung über einen Menschen bilden sollte. Dennoch hatte er nicht mal versucht mit seiner Situation zurecht zukommen und damit auch mit mir auszukommen.

Für ihn gab es kein Bitte und Danke.
Er deutete mein Schweigen falsch.
"Macht euch keine Sorgen, vielleicht gab es auch einen Grund für das Schweigen eures Vaters und eigentlich war er immer auf der Suche."

"Ist dies nun nicht egal? In wenigen Tagen werde ich ein Leben als eine Nonne führen. Deshalb ist es unwichtig was er nun weiß oder nicht."

Meine Stimme war kalt geworden und die dunklen Augen sahen ungläubig in meine. Dann wanderten sie erneut zum Boden. Neuer Frost hatte sich gebildet.

Wuah...
Ich danke allen die bis jetzt meine Geschichte gelesen und gevotet haben

Ich freue mich jedesmal über Kommentare, ob Anregungen oder einfach Meinungen über die Story

Ich wünsche euch viel Spaß beim weiterlesen ^^

Frühlingsfrost Where stories live. Discover now