Kapitel 2

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"Mäuschen!", trällerte meine Freundin Reni vergnügt. Bevor ich reagieren konnte, hatte sie sich schon auf dem Platz gegenüber mir fallen lassen. Wir waren in einer kleinen Cafeteria am Hauptmarkt verabredet.

Sofort haute sie mir den neuesten Klatsch und Tratsch um die Ohren. Das war typisch für Reni. Manchmal hatte ich das Gefühl, wenn nicht gleich ihre Neuigkeiten heraus posaunen kann, würde ihr Kopf platzen. Bei dem Gedanken musste ich kichern. Meine Freundin schien es gar nicht zu bemerken, denn sie plapperte unbeirrt weiter.

"Stell dir vor, mein Johann ist bei einem ganz geheimen Projekt im Ausland dabei.", flötete sie. "Der Führer höchstpersönlich hat dies unterzeichnet."

Ich nickte konzentriert. Johann, aha. Ihr heißgeliebter Mann. Ich hatte ihren Mann noch nie persönlich kennen gelernt.
War ich auch nicht böse darüber, aber als Busenfreundin von Reni werde ich ihrem schwarzen SS-Teufel wohl spätestens auf der Hochzeit gegenüber treten müssen.

Ich hing noch meinen Gedanken nach, als Reni mit ihren Händen vor meinen Gesicht wedelte. "Hallo! Hörst du mir zu? Ich hab dich was gefragt."

"Äh... Tut mir Leid, ich war gerade woanders.", sagte ich und schüttelte entschuldigend meinen Kopf.

"Ja, das habe ich gemerkt. Ich möchte echt gern wissen, in welche Welt du immer abtauchst.", grinste sie. "Also was ist jetzt?"

"Was ist was?"

"Kommst du zur Abschiedsparty von Johann?", fragte meine Freundin ungeduldig.

"Ich habe keine andere Wahl, als zu kommen oder?", stöhnte ich genervt.

"Nein, die hast du nicht.", lächelte sie böse.

Plötzlich wurde Reni ernst. Sie griff über den Tisch nach meiner Hand und drückte sie liebevoll. "Ich weiß, dass du diese Partys nicht magst, aber bitte tu es für mich. Ich werde meinen Mann paar Monate, vielleicht sogar ein Jahr nicht mehr sehen."

Ihr Gesichtsausdruck wurde traurig und Tränen sammelten sich in ihren grünen Augen. "Ich brauche dich als beste Freundin, Freya."

Ich drückte ihre Hand ebenfalls und lächelte sie aufmunternd an. "Ok, ich komme. Aber nur, weil du es bist."

Nun grinste sie mich wieder spöttisch an. "Du wirst mir noch dankbar sein, Liebes. Es kommen ein Haufen wichtiger Leute. Und wer weiß, vielleicht machst du auch endlich einen guten Fang. Es sind auf jedenfall einflussreiche und gestandene Männer."

Ich rollte mit den Augen und winkte abschätzig mit der Hand. Daraufhin prusteten wir beide los.
Reni hatte keine Ahnung und Gott bewahre, dass sie heraus fand, dass ich nichts für den Nationalsozialismus übrig hatte.

Sie versuchte es immer wieder, mir diese Männer von der Schutzstaffel schmackhaft zu machen. Aber wie bereits erwähnt, ich bevorzuge normal.

"Wann beginnt denn die Abschiedsfeier?", fragte ich und nippte an meinem Kaffee.

"Punkt 20 Uhr. Für Essen und Unterhaltung ist gesorgt..."

Ein lauter Glockenschlag ließ uns kurz zusammenzucken.

"Huch, schon wieder halb 1. Ich muss los Süße. Hab noch paar Dinge zu erledigen. Für heute Abend soll alles perfekt sein.", flötete sie fröhlich. "Tülüdü, bis heute Abend."

Ich schaffte es nur noch zum Abschied eine Hand zu heben, weg war sie.
Sie war immer so hektisch. Aber so war sie eben und ich liebte sie wie eine Schwester. Auch wenn wir grundverschieden waren.

Gemütlich schlürfte ich meinen Kaffee aus, zahlte und schulterte meine Tasche.
Ich war noch eine Stunde gesessen und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen, aber nun rief die Pflicht.
Renis gute Laune steckte einfach immer an.

Leise summend marschierte ich über die Straße und machte mich auf dem Weg zur Bibliothek.

Zu gepackt mit fünf Büchern unter meinem Arm suchte ich mir einen Platz in der hintersten Ecke des Gebäudes. Es war nicht viel los in der Bücherei bei diesem wundervollen Wetter draußen. Aber um so besser für mich. Dieses Getuschel von den Leuten machte mich oft wahnsinnig und brachte mich aus der Ruhe.

Ich schlug das erste Buch auf und studierte es konzentriert nach Informationen, die für mich interessant wären. Ich beschäftigte mich intensiv mit dem Okkultismus, dem Übernatürlichen. Gerade war ich dabei mehr über die Methoden des Okkultismus herauszufinden. Aber leider fand ich kaum Informationsquellen.

Frustriert knallte ich auch den letzten dicken Schinken zu und seufzte tief. Vielleicht sollte ich es einfach sein lassen und mich doch auf eine Karriere als Sängerin konzentrieren. Eine Überlegung wäre es wert.

Geräuschvoll zog ich mich vom Tisch weg und schlenderte zur Bibliothekarin.

"Entschuldigen Sie, haben Sie mehr und vor allem informativere Bücher über Okkultismus?", fragte ich leise.

Die Frau mit der übergroßen Brille blickte mich forschend an. "Nein, tut mir Leid Fräulein. Außer sie haben Genehmigung?", fügte sie schnippisch hinzu.

"Äh, Genehmigung?"

"Ja, die Bücher wurden von der Thule-Gesellschaft konfestiert und nur mit Erlaubnis dürfen diese von Dritten gelesen werden."

Gibt es etwas was dieser braune Abschaum sich nicht unter den Nagel gerissen hatte? Wütend sog ich die Luft ein, riss mich aber zusammen und bedankte mich höflich bei der Dame für ihre Auskunft.

So damit war es also besiegelt, meine Karriere als gefeierte Autorin konnte ich wohl vergessen.
Leise fluchend zeriss ich meine Notizen, warf sie in einen Mülleimer und verließ die Bücherei.

Mein Blick wanderte zu meiner Armbanduhr. 17 Uhr. Hmm, jetzt noch auf diese Party. Meine Lust hielt sich wirklich in Grenzen, aber ich hatte es Reni versprochen.
Ich schleppte mich nach Hause, pfefferte meine Tasche quer durch mein Schlafzimmer und ließ mich ins Bett fallen.

Ich schloss meine Augen, atmete tief durch und versuchte Kraft zu sammeln für den bevorstehenden Abend. Nun, vielleicht würde es ja ganz lustig werden. Ja genau, wen machte ich denn was vor? Lustig. Mein Gehirn hat sich anscheinend schon für heute verabschiedet. Oder ich war geisteskrank.

Ich lachte kurz auf und setzte mich auf die Bettkante. Dann riss ich meinen Kleiderschrank auf und überlegte welches Outfit am passenden wäre.

Zwei Stunden später begutachtete ich mich in meinem großen Spiegel im Flur. Ich hatte mich für ein rotes, schulterfreies, knielanges Kleid entschieden. Dazu trug ich schwarze, etwas höhere Schuhe.
Eine schwarze Rose war perfekt in meinem hochgesteckten Haar platziert und der knallrote Lippenstift machte das Gesamtbild perfekt.

Es klingelte an der Tür. Reni hatte mir einen ihrer Hausbediensteten geschickt, um mich in die Hölle zu fahren. Eine wirklich gute Freundin.

Der schwarze Mantel raschelte, als ich ihn mir überwarf. Bevor ich das Haus verließ, warf ich noch einmal einen Blick auf mein Spiegelbild. Verführerisch zwinkernd trat ich hinaus in die lauwarme Münchner Nacht.

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