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Nein.

Bis auf dieses Wort war mein Kopf beängstigend leer.

Nein.

"Oh mein Gott!", vernahm ich Gwinns verzerrte Stimme hinter mir, als ich einen Schritt nach vorne, in Richtung Bühne, machte.
In meinem Kopf herschte noch immer gähnende Leere, doch meine Füße wussten, was zu tun war.
Da spürte ich plötzlich, wie mich jemand an der Hand packte und nicht gerade sanft zurück zog.
"Du darfst nicht gehen!", schrie Gwinn, doch ich versuchte, mich aus ihrem Griff zu lösen.
Aufeinmal ließ sie freiwillig meine Hand los.
Nein.
Nicht freiwillig.
Sie wurde von zwei Friedenswächtern an den Rand der Menschenmasse gezerrt.
Ich hörte sie schreien und sah, wie sie den Kopf mit den Händen schützte, als einer der beiden Männer mit dem Schlagstock ausholte.
"NEIN!". schrie ich und versuchte verzweifelt, mich durch die geschockte Menge zu drängen.
Tatsächlich hielt der Friedenswächter inne und ließ den Schlagstock sinken.
Dann wurde ich von hinten von zwei starken Armen gepackt, hochgehoben und zur Bühne getragen. Davor setzte der Mann mit der glänzend weißen Rüstung mich ab und schubste mich auf die Stufen zu, die ich schließlich hinauf kletterte.
Meine Füße fühlten sich bleischwer an und so war es sehr anstrengend, die hochgelegene Plattform zu erreichen.
Die letzte Stufe half Jodie mir, zu erklimmen, indem sie mir ihre Hand hinstreckte.
Schließlich, mittlerweile war ich oben angekommen, legte sie die Hände auf meine Schultern und geleitete mich zu meinem Platz, zwischen dem Mikrofon und der Mädchenurne.
"Jona McRees. Wie alt bist du denn, mein Täubchen?", flötete sie und erwartete meine Antwort.
Doch sie bekam keine.
Stattdessen starrte ich einfach nur in Finniks eisblaue Augen.
Sein Gesicht war schmerzverzerrt und ich spürte, wie er innerlich mit sich kämpfte.
Ich spürte, dass er Angst um mich hatte und ich sah, dass - unweigerlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Jodie mich kräftig schüttelte.
"Hä?", fragte ich, noch immer erschrocken.
"Wie alt du bist, will ich wissen!"
Ich brauchte einen Moment.
Einen ziemlich langen Moment.
Erst dann fiel mir die richtige Antwort ein:
"Ich bin 14."
Jodie nickte knapp und entfernte sich eilig von mir. Ich war ihr scheinbar zu anstrengend.
"Nun zu den Jungen!!", trällerte sie und ihre hohe Stimme brachte meine Ohren zum Klingen.
Sie wühlte in dem Glasbehälter.
Endlich hatte sie sich für einen Zettel entschieden und zog ihn hervor.
Ich starrte weiter nur Finnik an.
Ich hoffte.
Hoffte, dass er sich freiwillig melden würde.
Dass er mich beschützen würde.
Dafür sorgte, dass ich nicht qualvoll verendete.
Für mich da war.
Wie er es immer war.
Mir wurde erst jetzt bewusst, wie sehe ich ihn doch liebte.
Wie glücklich ich mich schätzen konnte, ihn zu haben.
Oder gehabt zu haben - das war noch nicht sicher.
Sicher würde ich kämpfen.
Bis zum Ende.
Bis mich die Kraft verließ.
Bis ich eben nicht mehr konnte.
Trotzdem..
Ich hatte Angst.

Ich schreckte erst aus meinen Gedanken auf, als die Menge anfing zu murmeln und zu tuscheln.
Stapfend trabten sechs Friedenswächter auf mich - nein, auf die Bühne zu.
In ihrer Mitte eingekesselt ein Junge mit braunem Haar und weiß gefärbten Haarspitzen.
Obwohl es nur einen Menschen in Phoenix gab, der diese Frisur hatte, glaubte ich nicht daran, dass gerade er es war.
Ich konnte es nicht glauben.
Ich wollte es nicht glauben.
Doch als er die Bühne betrat, bestand letztlich kein Zweifel mehr:
Ace. Ace Fire.

Die Tribute von Phoenix - die Spiele gehen weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt