4. 1 - Bastille - »Pompeii«

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Johnny - Kurz vor der Landung

Mehrmals hatte ich mich nach Sarah umgesehen und sie erst nach der Hälfte der Flugzeit ganz hinten entdeckt. Zwei, drei Mal wäre ich beinahe aufgestanden, um die Frau neben ihr zu überreden, mit mir den Platz zu tauschen. Aber dann hatte ich mich doch jedes Mal dagegen entschieden. Wie jämmerlich wäre es gewesen, nach dem ganzen Theater doch noch anzukriechen.

Nachdem der Flieger endlich gelandet war, streckte ich mich und wartete an meinem Platz auf Sarah. Als sich fast alle anderen Passagiere bereits nach draußen gedrängelt hatten und sie noch immer nicht aufgetaucht war, packte ich meinen Rucksack und den Gitarrenkoffer und marschierte zu ihrem Platz. Zusammengesunken schlief sie tief und fest, hatte den Mund sabbernd geöffnet, was ganz witzig aussah, und hielt ein Stück Papier in der Hand. Ich schüttelte sie sachte an der Schulter. Erst als ich zum dritten Mal etwas lauter ihren Namen gesagt hatte, rührte sie sich, wobei ihr der Zettel aus den Fingern glitt. Bevor ich ihn aufheben konnte, schreckte sie hoch und stieß einen quiekenden Laut aus, der mich kurz zum Schmunzeln brachte.

»Morgen, Kleine. Ausgeschlafen?«
Statt meine Frage oder mich auch nur zu beachten, blickte sie sich hektisch um und kramte in ihren Jeans- und Jackentaschen. »Wo ist es bloß ... Ich hatte es doch vorhin noch«, murmelte sie vor sich hin.

Da sie immer hysterischer wurde und ich nicht wollte, dass sie schon mit achtzehn graue Haare bekam, hob ich den Zettel auf, der unter ihren Sitz geflattert war. Darauf war das Bild eines Mannes abgebildet, der noch deutlich schräger liegende Augen hatte als Sarah. Er sah ein bisschen asiatisch aus und wenn ich ihn genau betrachtete, konnte ich in den Gesichtszügen ein wenig von Nat und Sarah erkennen.
»Da ist es ja!«, seufzte Sarah erleichtert, nur um mich eine Sekunde später skeptisch anzublicken. »Was hast du mit meinen Sachen zu schaffen?«
»Gar nichts, Kleine. Es ist unter deinen Sitz gerutscht, als du wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen bist.«

Damit hatte ich sie verwirrt. Zuerst öffnete sie den Mund, schloss ihn wieder, um schließlich doch noch ein »Oh! Danke« zustande zu bringen. Mit meinen Sachen im Gepäck drehte ich mich zum Ausgang, bevor ihr noch etwas weniger Freundliches über die Lippen kommen konnte und winkte ihr, sich zu beeilen. »Los, komm! Sonst fliegen wir noch zurück, ohne dass deine hübschen Füße amerikanischen Boden berührt haben.«

Beim Hinausgehen hörte ich sie irgendetwas Bockiges murmeln, das verdächtig nach »Witzig ... eingebildeter Lackaffe ...« klang. Was mir wiederum ein Grinsen entlockte, wobei mir nicht klar war, warum ich es mochte, sie zu triezen. Aber das hatte ich schon als Kind gerne getan und es machte noch immer so viel Spaß wie damals. Nur, dass ich heute gerne auch noch andere Dinge mit ihr anstellen würde.

***

In der Ankunftshalle war es wieder rappelvoll, schlimmer noch als bei meinem vorherigen Aufenthalt. Während Sarah hinter mir herging und wie gebannt jedes Detail um sich herum betrachtete, führte ich uns zur Passkontrolle. Genauer gesagt zum Ende der unendlichen Schlange. Das letzte Mal hatten nur halb so viele Menschen angestanden und ich hatte damals schon länger als eine Stunde warten müssen. Wie lange wir nun brauchen würden, bis wir unsere Fingerabdrücke angegeben, unsere Ausweise gezeigt und den Grund unserer Reise angegeben haben würden, konnte ich nur erahnen. Ich war schon jetzt gelangweilt. Nach zehn Minuten Schweigen und einigen Metern, die wir vorangekommen waren, fing Sarah zu zappeln an. Also konnte ich nicht länger so tun, als ob ich nicht genau wüsste, dass sie direkt neben mir stand. »Alles okay?«
»Wie lange wird das denn noch dauern? Was denkst du?«
Ich lehnte mich an das hüfthohe Eisengestell neben mir, das zusammen mit den anderen die schlangenförmige Absperrung bildete.
»Ich schätze zwei, drei Stunden, wenn wir Glück haben.«
Wäre Sarah eine Comicfigur, wären ihr bei meiner Antwort beinahe die Augen rausgefallen. Stattdessen wurde sie etwas blasser um die Nase. »Das halte ich aber nicht aus. Ich mache mir gleich in die Hose.«
Wieder musste ich mir angestrengt das Grinsen verkneifen. Mit dem Daumen zeigte ich nach rechts. »Dort drüben sind die Toiletten. Es steht dir frei, sie zu benutzen.«

Road to Hallelujah (Herzenswege 1) - XXL Leseprobe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt