Kapitel 2

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Ein Seufzen ging durch den Raum und ich konnte die Erleichterung beinahe mit den Händen greifen. Ich lief zu der Schalttafel und drückte auf den grüngestreiften Knopf. Kurz darauf schaltete sich der Notstrom ein und tauchte den Raum in gedimmtes Licht. Die Sirene hörte auf zu reden und verstummte. Herrliche Ruhe.

„Amy Clair bitte kommen Sie unverzüglich in Sektor B- West." sprach Lautner in das rundliche Mikrofon an der Wand. Er stand auf und kam zu mir herüber geschlendert.

„Hey Mann, was stehen Sie hier noch rum? Sie sind verletzt. Sie sollten auf die Krankenstation gehen."

„Dafür habe ich jetzt keine Zeit ich muss in Sektor B. Ich muss mir ein Bild von dem Schaden machen, Lautner."

„Das können Sie später immer noch. Ich sage Amy sie soll erst anfangen den Schaden zu beheben, wenn sie dabei sind. Und jetzt gehen Sie schon. Sie sehen aus als ob man Ihnen eine Bratpfanne auf den Kopf geschlagen hat und Sie anschließend Kopf über in ein Haibecken gehängt hat."

Grinsend sah ich Lautner an und bemerkte erst jetzt, dass meine linke Schläfe blutete.

„In ein Haibecken? Ist das Ihr Ernst? Ich wusste gar nicht das Haie an Schläfen knabbern und anschließend mit Bratpfannen ausholen. Aber Danke für die Information Lautner ich werde es auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. Wir sehen uns später." Ich drehte mich um und lief auf die Tür zu. Sie öffnete sich mit einem leisen Zischen und ich trat in den schwach beleuchteten Gang hinaus. Meine schnellen Schritte hallten auf dem glänzenden grauen Metall wider. Die Gänge waren alle leer. Die Leute befanden sich im Moment alle in ihren Schutzräumen und warteten auf weitere Anweisungen. Ich lief um die Ecke und trat in die Krankenstation. Ein leichter Geruch von Desinfektionsmittel wehte zu mir herüber und brachte mich zum Schaudern. Dieser Geruch erinnerte mich immer an das schreckliche Ereignis als ich ein kleiner Junge war. Damals war ich fünf Jahre alt gewesen und hatte mir ein Bein gebrochen. Ich hatte schreckliche Angst, dass sie mir das Bein abnehmen. Bis heute weiß ich nicht wie ich auf diesen Gedanke kam. Auf jeden Fall weiß ich nur noch, dass neben mir im Behandlungszimmer eine Frau starb. Als die Krankenschwester die Tür öffnete kam mir dieser schreckliche Desinfektionsgeruch entgegen. Sie lief zu dem Chefarzt, der gerade an meinem Bein hantierte und flüsterte ihm ins Ohr, dass die Frau von neben an es nicht geschafft hatte. Der Arzt verkrampfte sich sichtbar und nickte ihr zu. Was genau geschehen war und warum die Frau gestorben ist, hatte ich nie erfahren aber seit diesem Tag an erinnerte dieser beißende Geruch mich immer an den Tod.

„Kann ich Ihnen helfen?" fragte die zierliche Krankenschwester und musterte mich.

„Ja, können Sie. Ich bin vorhin gestürzt und habe mich verletzt." Sieht man das denn nicht? fragte ich mich.

„Oh ich sehe schon. Setzen Sie sich bitte hier vorne auf die Liege. Ich sehe mir das mal an."

Ohne ein weiteres Wort ging ich zu der Krankenliege und ließ mich darauf nieder. Ich schob mir mein Hemd über den Kopf und legte es zur Seite. Die Schwester kam mit einem weißen nassen Wattebällchen zu mir und fing an die Wunde an meinem Kopf zu säubern. Als sie damit fertig war und die blutige Watte in den Müll geworfen hatte, beugte sie sich vor und betrachtete meine Schulter. Sie legte ihre kühlen Finger auf den Knochen und ich zog zischend die Luft ein.

„Sie haben sich die Schulter ausgekugelt. Ich muss sie wieder einrenken. Das könnte allerdings ziemlich schmerzen. Versuchen Sie ruhig weiter zu atmen."

Eine weitere Vorwarnung bekam ich nicht. Sie legte mir beide Hände auf die Schulter und drückte mit voller Kraft dagegen. Sie schob meine Schulter mit einem kräftigen Ruck zurück und ich biss die Zähne zusammen. Der überwältigende Schmerz ließ mich schwarze Punkte sehen. Doch ehe ich mich versah war es auch schon vorbei und ich konnte meinen Arm wieder vorsichtig bewegen. Die Krankenschwester rieb meine Schulter mit einer übelriechenden Salbe ein und verband sie anschließend. Als ich mein Hemd wieder angezogen hatte, gab sie mir eine Schlinge und legte sie mir um.

„Versuchen Sie ihre Schulter so gut wie möglich ruhig zu halten. Verzichten Sie die nächste Woche auf jeglichen Sport und gehen Sie erst morgen Abend wieder duschen. Die Salbe muss erst wirken. Ich gebe Ihnen gleich noch Schmerztabletten mit. Diese nehmen Sie bitte drei Mal am Tag mit einem Glas Wasser ein. Am besten immer nach den Mahlzeiten. Noch irgendwelche Fragen?"

Ich schüttelte den Kopf und ließ mir von ihr die Schachtel mit den Schmerztabletten geben.

„Danke." sagte ich und verließ die Krankenstation um in Sektor B zu gehen.

Als ich in den Maschinenraum eintrat hörte ich bereits das Klappern von Amys Werkzeugkoffer und ihr leises Fluchen. Als ich um die Ecke trat sah ich sie in der Ecke sitzen. Sie schien etwas auszumessen.

„Wie sieht's aus? Ist der Schaden sehr groß?" fragte ich sie.

Langsam drehte sie sich um und stand auf. Amy war eine wirklich beeindruckende Frau. Die schwarzen Haare vielen ihr bis auf die Schultern und ihre hohen Wangenknochen ließen ihre Gesichtszüge edel und reif wirken. Ihre Augen leuchteten in einem Smaragdgrün und hatten dieses gewisse Etwas, was jeden Mann nach Luft schnappen ließ. Gott ich begehrte diese Frau seit meiner Ankunft auf der Ice vor fünf Jahren.

„Ach du meine Güte Chase was hast du denn gemacht?" Nur sie nannte mich beim Vornamen. Die meisten anderen sprachen mich entweder mir Sir oder Deacon an. Dadurch kam ich mir immer vor wie ein alter Mann, dabei war ich gerade Mal 32 Jahre alt.

„Der Aufschlag hat mich von den Socken gehauen. Halb so schlimm." Ich sah sie grinsend an. Halb so schlimm, alles klar Chase. Während ich darüber nach dachte mich selbst zu ohrfeigen, weil ich mich aufführte wie ein Teenager, der ein Mädchen beeindrucken wollte, trat sie einen Schritt auf mich zu und berührte meine Kopfverletzung.

„Was machst du da Amy?" fragte ich sie mit leicht belegter Stimme.

„Ich sehe dich an. Dich scheint es ja übel umgehauen zu haben." ein belustigter Ausdruck huschte über ihr Gesicht, der jedoch sofort wieder verschwand als ich ihre Hand nahm und sie leicht drückte.

„Also wie schlimm ist der Schaden?"

„Halb so wild. Bis morgen sollte ich das wieder hinbekommen haben. Der Meteorit hat nicht allzu viel Schaden angerichtet, wie man anfangs vielleicht dachte."

Das beruhigte mich und stieß die Luft aus, die ich unbewusst angehalten hatte.

„Das ist gut." Ich lächelte Amy an. Verdammt Chase reiß dich zusammen Mann. Sie ist nur eine Mechanikerin nichts weiter. Kein Grund sich wie ein pubertierender Jugendlicher aufzuführen. Ein wissender Ausdruck legte sich auf Amelias Gesicht und sie strahlte mich an. Dann drehte sie sich weg und bückte sich um ihren Werkzeugkoffer hochzuheben. Ich wollte ihn ihr abnehmen doch dann viel mein Blick auf ihren wohlgeformten Hintern und ich überlegte es mir doch anders. Ich durfte ja sowieso nichts heben oder Sport betreiben. Als sie sich wieder zu mir umdrehte zwinkerte sie mir zu und stieß mich mit der Hüfte an.

„Wir sehn uns Deacon!" rief sie mir hinterher ehe sie um die Ecke bog und hinter einer großen Maschine verschwand. Wie verdattert starrte ich ihr hinterher bis ich begriff, dass sie schon seit einer Minute weg war. Ich drehte mich um und lief in die entgegengesetzte Richtung auf den Gang nach draußen. Als ich in meinem Wohnraum ankam lief ich erst einmal zum Kühlschrank und holte mir eine Flasche Wasser. Ich ließ mich auf mein kleines Sofa fallen und lehnte mich zurück. Was für ein Tag, dachte ich mir. Ich trank meine Wasserflasche aus und lies den Blick in meinem Heim umherwandern. Ja, mein Heim. Hier fühlte ich mich zu Hause. Als ich vor einigen Jahren hier her kam war das eine unglaubliche Erleichterung für mich. Ich hatte nichts mehr was mich auf der Erde hielt. Meine Eltern starben an dem Giftgas und mein älterer Bruder verschwand als ich 15 war. Bis heute wusste ich nicht was aus ihm geworden war. Und er wusste höchstwahrscheinlich auch nicht was aus seiner Familie geworden war, wenn er denn überhaupt noch lebte. Ich schob diesen Gedanken beiseite und betrachtete mein Metallbücherregal. Fast alles auf der Ice bestand aus glänzenden Metall. Ich stand auf und holte mir ein Buch aus dem Regal. Es gab kaum noch Bücher. Die meisten Leute lasen mit ihrem Hologrammarmband. Ich hingegen mochte es lieber etwas Bestandfestes in der Hand zu haben. Time and Space stand auf der Titelseite des Buches. Ich klappte es auf und fing an zu lesen.

Vor vielen Jahren fanden die Menschen heraus, dass ein Leben im Weltraum möglich ist. Sie entwickelten einen Wirkstoff der gegen vielerlei... mir fielen die Augen zu und ich schlief ein.

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