Kapitel 5

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'Erfolgreich sein kann man nur, wenn man anders ist als die Anderen.
Denn die Anderen gibt´s ja schon.'

Noch bevor ich realisieren konnte, was überhaupt passierte, schwanden meine Kräfte und meine Augenlider fielen zu. Ich hörte noch jemand rufen: „Wir verlieren sie!“ bevor mich mein Bewusstsein verließ.

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Mit einem Stöhnen vor Schmerzen, öffnete ich meine Augen und fuhr erschrocken zusammen. Was ist passiert? Wo bin ich? „Hey..“, redete jemand sanft auf mich ein und berührte meine Hand. Rasch wanderte mein Blick zu der Berührung. Panisch zog ich meine Hand weg und sah zu der Person die mich berührte. „Justin.“, murmelte ich erleichtert und fiel ihm in die Arme, so weit dies möglich war, da ich in einem weichen Bett lag und ich mich vor Schmerzen fast nicht bewegen konnte. Sie hatten mich in ein Krankenhaus eingewiesen. Na toll! Er erwiderte meine Umarmung und erst jetzt bemerkte ich die ganzen Nadeln in meinen Armen. Eine Blut Infusion? Da fiel es mir wieder ein. Dad. Der Tisch. Die Scherbe in meinem Bauch. Justin. Krankenwagen und Sanitäter. An den Gedanken daran zuckte ich unwillkürlich zusammen, nachdem wir uns aus der Umarmung gelöst hatten. Hatte ich wirklich so viel Blut verloren? Und dass ganze nur wegen Dad's Aggressionen? Das Zucken schmerzte und ich verzog mein Gesicht. Jeder Knochen und Muskel tat weh. Jede Sekunde hätte ich anfangen Schreien zu können, es war wirklich unerträglich. Ich schlug mir die Decke vom Körper und sah, dass ich dieses übliche Krankenhaushemdchen trug. Langsam zog ich es hoch und bemerkte den Riesengroßen Verband um meine Hüfte. Hatten sie die Wunde Nähen müssen? „Hey Madi..“, begann Justin unaufgefordert, was mich zusammenschrecken ließ, „..wer hat dass dir angetan?“ Ich wusste nicht ob ich ihm eine Antwort geben sollte. Unsicherheit überschlug meine Gedanken, gleichzeitig auch Wut und Trauer. „Ich-ich.. weiß es nicht.“, ich schluckte hart und bemerkte wie sich Tränen in meinen Augen stauten. Er sah zu Boden, rieb seine Hände aneinander und seufzte, bevor er mir wieder in die Augen sah. „Lüg mich nicht an! Du weißt es... Sag mir die Wahrheit, damit ich helfen kann.“ Helfen? Mir? Mir kann man nicht helfen. „Justin ich-“ „Sag. Mir. Die. Wahrheit.“, er schien angespannt und betonte jedes der Wörter. „Mein Dad.“, schluchzte ich, in Hoffnung er hatte es nicht gehört. Seine Augen weiteten sich und er sah mir mit einem unsicheren Blick in die Augen. Tränen rollten meine Wange herunter und landeten auf der Decke. Nervös stand er von dem Klappstuhl auf, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und schaute aus dem Fenster. „Deswegen hatte dir Kelsey viel Glück gewünscht, nicht wahr?“, fragte er und sein Kiefer zuckte, wobei sich seine Brust unregelmäßig hob und senkte. Ich sagte nichts. Angst überkam mich, dass er noch ausflippen würde. Er spottete: „Dieser Hurensohn gehört abgeschlachtet, wenn er so was mit seiner Tochter anstellt!“ „Er ist immer noch mein Vater!“, schrie ich ihn schon fast an. „Madi, du wärst da fast verblutet, wäre der Rettungsdienst nicht rechtzeitig gekommen und ich nicht da gewesen.“ Er hatte Recht. Vater hin oder her. So was macht man nicht und wie Justin schon sagte, schon gar nicht mit seiner Tochter. Ohne ein weiteres Wort setzte er sich wieder auf den Stuhl und sah mir bohrend in die Augen. „Madi- hat er- hat er...“, setzte er an, doch anscheinend wusste er nicht ganz ob er mir diese Frage stellen sollte, „..Hat er dich vergewaltigt?“ Meine ganzen Tränen waren aus geheult und meine Emotionen waren verbraucht. Ich wusste nicht ganz wie ich darauf reagieren sollte und schüttelte einfach nur den Kopf. „Nein, ich glaube nicht.“ „Was heißt du glaubst nicht?“ „Was weiß ich? Er ist Alkoholiker Justin! Vielleicht hatte er mir danach einfach K.O. - Tropfen verabreicht? Ich weiß es nicht.“ Er verstand und nickte einfach nur, bevor er überlegend zu Boden sah. Ich schluchzte, bevor sich Wiedermals Literweise Tränen in meinen Augen stauten, durch den Gedanken wieder nach Hause zu kehren. „Ich will nicht wieder nach Hause, Justin! Ich habe Angst vor ihm. Irgendwann wird er mich noch umbringen.. Ich schaff das alles einfach nicht mehr!“ Sofort wanderten seine Augen wieder in meine: „Und was ist mit deiner Mutter? Sagt sie etwa nichts dazu?“ Ich sah weg, atmete einmal tief durch und wieder ein, bevor ich meine Augen kurz schloss und ich spürte wie Tränen meine Wange entlang flossen. „Sie ist tot, gestorben durch einen Autounfall. Sie kann nicht mehr viel tun.“, versuchte ich etwas Ironie hineinzubringen. „Tut mir Leid!“, entschuldigte er sich und sah wieder zu Boden. „Seit sie gestorben ist, vergreift sich mein Vater an mir und nimmt Drogen.“; murmelte ich eher zu mir wie zu ihm, „Danke Justin! Danke, dass du mir das Leben gerettet hast!“ Er versuchte ein gezwungenes Lächeln aufzulegen: „Gern geschehen.“ Doch plötzlich klopfte es an der Tür und wiedereinmal fuhr ich hoch. Schnellerhand wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und schluchzte. „Herein!“ Die Tür öffnete sich mit einem leichten Quietschen und ein dunkelhaariger Mann, etwas älter, mit einem schwarzen Aktenkoffer in der Hand, betrat das Zimmer. „Könnte ich mit Mrs. Firestone bitte kurz alleine sein?“, wandte er sich an Justin und sah ihn fragend an. Abrupt wanderte mein Blick zu Justin, der ihm sagen sollte: 'Bitte geh nicht!', woraufhin er mir einen Blick schenkte der sagen sollte: 'Du kommst schon klar.'. Nein, nein, nein... komm ich nicht! Er stand auf, verließ den Raum wodurch die Tür ins Schloss fiel und ich versuchte nicht gleich los zu heulen. Der Mann setzte sich auf den Stuhl, wo Justin noch vor ein paar Sekunden saß und mir freundlich in die Augen sah. „Ich bin Dr. Cunningham, Psychiater.“, stellte er sich vor und reichte mir freundlich die Hand. Mein verstörter Blick wanderte zu seiner Hand, die ich eine Zeit lang anstarrte, anstatt freundlich entgegen zu nehmen, aber ich war ja auch nicht erfreut einen Psychiater vor mir sitzen zu sehen. „Hmm.. ich verstehe.“, meinte er, zog seine Hand wieder zurück und stellte den Aktenkoffer auf dem Boden ab, bevor er sich seine gefalteten Hände in den Schoß legte. „'Sie wissen doch warum ich hier bin oder?“ „Nein, eigentlich nicht.“, antwortete ich nichts wissend. Er seufzte. „Ich wurde von der Familie Carter geschickt. Ich nehme an Sie kennen sie?“ Ich nickte. „Jedenfalls hatten sie erzählt, dass Sie mit ihrem Vater nicht ganz zurecht kommen und ich sollte mal nach dem Rechten schauen. Also war ich bei Ihnen zu Hause und habe ein Gespräch mit ihrem Vater geführt. Er hatte mir erzählt, sie hätten seit Ihre Mutter gestorben ist ziemliche Depressionen und würden sich Ritzen, so der übliche Schnickschnack... Und der kaputte Glastisch im Wohnzimmer? Er hatte gemeint, dass ihr Freund mit Ihnen Schluss gemacht hätte und Sie das nicht verkraftet haben und so vor lauter Wut und Trauer den Glastisch zerstört haben. Dann ging Ihr Plan anscheinend schief und Ihnen landete eine große Scherbe im Bauchbereich. Als ihr Vater sie dann gefunden hatte, nachdem er vom Einkaufen nach Hause kam, rief er sofort den Rettungsdienst an.“ Will der Typ mich eigentlich verarschen? Geht's noch? Ich hab Depressionen? Und was hat dann mein Dad? Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe und konnte nicht glauben was er gerade von sich gab. „Dazu kommen noch Ihre Wunden Handgelenke. Haben sie sich das angetan oder wurden sie vergewaltigt?“ Ich war sprachlos. Wirklich sprachlos. „Ich- ähh...“, setzte ich an und versuchte mir in Gedanken etwas zusammen zur reimen, „Ich habe keine Depressionen und das mit dem Glastisch war mein Vater. Er ist Alkoholiker und ist total ausgeflippt als ich nach Hause kam, von meinen Freunden. Er hatte mich geschlagen, mich auf den Glastisch geschleudert so dass er unter mir zerbrach. Es bohrten Splitter sich in meine Haut und damit auch das große Teil da.. von dem ich fast verblutet wäre, wäre Justin nicht aufgetaucht! Ich hatte innere Blutungen ertragen müssen und wäre eigentlich gestorben, hätte Justin keinen Krankenwagen gerufen. Mein Vater ist, nachdem er mich zusammengeschlagen hatte, einfach abgehauen. Ihn hätte das nicht interessiert, wenn ich gestorben wäre oder nicht. Und meine wunden Handgelenke habe ich von Armbändern. Ich hatte mir vor kurzem neue gekauft, doch die waren viel zu eng, hab aber gedacht die dehnen sich noch aus. Doch anscheinend falsch gedacht! Sie haben mir die ganzen Gelenke aufgerieben. Und nein ich wurde nicht vergewaltigt!“ „Und Justin ist ihr Freund?“, fragte er und hob die Augenbrauen. „Um Himmelswillen Nein!“, wurde ich lauter. „Beruhigen sie sich bitte wieder!“ Ey, ich bin so was von im falschen Film! Ich atmete einmal tief ein und wieder aus. „Ihre Argumente klingen glaubhaft, doch leider muss ich auf die Erziehungsberechtigten hören. So kommen wir zu dem Entschluss, dass Sie zur Therapie müssen. Es tut mir Leid. Glauben Sie bitte nicht, dass ich kein Mitleid mit ihnen hätte, aber so sind die Regeln.“ „Ist das ihr ernst? Sie glauben einem Alkoholiker also mehr wie mir?“ Er zog scharf die Luft ein und nickte. So ein Arschloch. Will mich los werden und schickt mich Ernsthaft in Therapie, obwohl er das doch eigentlich müsste. „Sie werden heute noch entlassen und dann kann ich Sie mitnehmen. Sie werden da dann Ärztliche Unterstützung bekommen!“ Anscheinend waren das also seine letzten Worte, denn er schnappte seinen Aktenkoffer und machte sich auf zur Tür. „Oh und ihre Klamotten wurden schon gepackt und in die Klinik gebracht. Sie brauchen sich also keine Sorgen machen. Ich erwarte sie dann heute Abend um 18 Uhr.“, meinte er öffnete die Tür und verließ den Raum. Emotionslos saß ich diesem Bett und starrte Löcher in die Luft. Das ist doch nicht deren Ernst? Was ist eigentlich mit Kelsey? Ist sie jetzt auch in Therapie? Wollen die mich eigentlich, verdammte Scheiße verarschen? Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Justin rein gekommen war, denn er saß auf der Bettkante und sah mich besorgt an. „Madi? Alles okay bei dir?“ „Ich bringe diesen Hurensohn um!“, spuckte ich und wieder stauten sich Tränen in meinen Augen. Ich kann das alles echt nicht glauben! „Was wollte der Mann von dir?“ Ich spottete höhnisch und fuhr fort: „Mein Dad hat echt gemeint, dass ich Depressionen hätte und den Tisch kaputt gemacht hab, weil angeblich mein Freund mit mir Schluss gemacht hab und ich das nicht verkraftet hab. Und da er mein Erziehungsberechtigter ist und er will, dass ich in Therapie gehe, muss ich da jetzt auch hin. Bis ich 18 werde und noch dazu ist mein Geburtstag erst in fünf Monaten.“ „Das ist doch Bullshit!“ „Ach und um 18 Uhr holt mich dieser Typ, von gerade ab und bringt mich in die Klinik.“ „Und das mit deinen Handgelenken, hat er danach gefragt?“ „Ja hat er. Ich hab gemeint, dass ich mir viel zu enge Armbänder gekauft habe und sie mir alles aufgerieben haben und ja.. Oh man ich bin so am Arsch!“ Ich zog den Pflaster, an der die Infusions Nadel befestigt war, ab und schwang meine Beine über die Bettkante. Langsam versuchte ich aufzustehen, doch mir wurde sofort schwarz vor Augen und ich fiel zurück. Scharf zog ich die Luft zwischen den Zähnen, vor Schmerz ein und drückte gegen die Wunde an meinem Bauch. Rasch stellte sich Justin auf und reichte mir die Hand. Mit verzogener Miene nahm ich sie entgegen und er half mir vorsichtig auf. Vom Krankenhaus bekam ich saubere und frische Klamotten gestellt, die über das Bettgestell gehängt wurden. Ich stütze mich am Bettgestell ab, was mir genug Halt verlieh um auch ohne Stütze stehen zu können. Nichts ahnend wollte ich gerade das Hemdchen öffnen, als ich bemerkte, dass Justin noch im Raum war. Erwartungsvoll sah ich ihn an, doch dieser grinste nur wie ein Idiot und wollte anscheinend wirklich, dass ich mich vor ihm umzog. So ein Arsch. „Da ist die Tür Justin!“, meinte ich und deutete mit meiner Hand zur Tür. Er seufzte enttäuscht, nicht einmal etwas von meinem Körper erhascht zu haben. Als ich mir sicher war, dass er die Tür geschlossen hatte ließ ich das Hemdchen ab, zog mir das schlichte Top mit der Hotpants über und dazu meine noch unversehrten schwarzen Chucks. Jede Bewegung schmerzte bitterlich, doch ich musste da durch. Ich lief auf das kleine Waschbecken in der Ecke zu und betrachtete mich im Spiegel. Es hatten sich Augenringe unter meinen Augen gebildet und mein Haar hing leblos und glanzlos von meinem Kopf. Ungelogen konnte man mir gut ansehen, dass es mir wirklich schlecht ging. Ich hob das Top hoch und sah wie abgemagert ich aussah. Rippen schauten hervor und meine Brüste verschwanden auch schon. Ich hatte seitdem mich Justin entführt hatte, keine Nahrung zu mir genommen. Wie auch? Jedes mal kam etwas dazwischen. Aber ehrlich gesagt hatte ich noch nicht einmal mehr Hunger oder Durst. Mit einem unzufriedenen Seufzen verließ ich den Raum, öffnete die Tür und sah um die Ecke Justin an dem Türrahmen lehnen. „Na Prinzessin? Auch mal fertig?“ „Halt die Klappe!“, gaffte ich und haute ihm spielerisch auf den Arm. Lachend nahm er meine Hand und führte mich in die Cafeteria, in der an einem Tisch ein Junge mit zwei Kaffee auf uns anscheinend wartete. Wir setzten uns und der Junge schob uns den Kaffee unter die Nase. „Danke!“; murmelte ich, strich mir eine in meinem Gesicht hängende Haarsträhne zurück und versuchte zu Lächeln. „Kein Problem!“, meinte er und lächelte zurück. „Übrigens, das ist Jayden. Er hat den Krankenwagen gestern gerufen. Kannst du dich noch erinnern?“, fragte Justin und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Ich schloss meine Augen und versuchte mich nochmal an vorherige Nacht zu erinnern. „Ach so, ja klar.. sorry.“, … säuselte ich in Jayden's Richtung, „Ich bin heute wohl nicht ganz bei der Sache.“ „Ist schon okay.“, meinte er und trank die letzten Schlücke seines Kaffees. „Also Justin, ich muss los. Jacob braucht noch meine Hilfe und alles..“, meinte er an Justin gewandt, wobei er sich noch kurz beim Gehen zu mir umdrehte, „..und dir Gute Besserung.“ Dankend lächelte ich und trank noch einen Schluck Kaffee. Waren doch nicht alles Arschlöcher aus seiner Clique. „Wie geht’s dir?“, fragte Justin und sah mir in die Augen. „Ich fühl' mich nicht sonderlich gut.“, berichtete ich ihm die Wahrheit, stellte meinen Ellenbogen auf dem Tisch ab und legte meinen Kopf in diese Hand. „Man sieht es dir an!“, meinte er mitfühlend und trank seinen Kaffee leer. Gespielt lächelte ich in seine Richtung und sah mich etwas um. War hier eigentlich ziemlich nett eingerichtet. Überall schöne grüne Pflanzen und die Tische und Stühle waren neu gekauft. Doch mein Blick blieb an einer Person hängen, die auf mich zu kam. Sie kam mir so bekannt vor? Meine Augen weiteten sich, als ich anfing zu begreifen wer es war. Bitte... Bitte, alles aber nicht das... Bitte!

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