Hauptstadtfieber ¹

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Mein Handy vibriert leise neben mir. Nur langsam holt es mich aus meinen unruhigen Schlaf.
Ich brauche eine Weile um mich zu orientieren und dann fällt es mir ein, was ich hier mache und was ich heute vor habe. »Ok Lora, ganz ruhig bleiben jetzt«, ermahne ich mich. Langsam klettere ich vom Hochbett. Die beiden anderen Frauen sind schon seit um 5 Uhr weg und Ella summt leise im Schlaf. Ich husche in den Gemeischaftsduschraum und komme mir immer mehr vor, wie in einer Jugendherberge. Es kommt auch nur kaltes Wasser aus ihnen, was aber angesicht des Klimas hier völlig in Ordnung ist.
Ein paar Minuten später sitze ich angezogen bei einem Glas frischen Mangosaft und Pfannkuchen beim Frühstück. Ich blicke auf das ruhige Meer und beobachte, wie sich die Sonne langsam über den Palmenstrand erhebt. Mitten in dieses 3D-Traumbild tritt ein lächelnder Hr Braun. Wie schon immer kann ich nicht anders: Sofort wandern auch meine Mundwinkel nach oben.
,,Na, hast du dich zu einen Morgen-Menschen entwickelt?",sagt er fröhlich und lässt sich auf den Stuhl gegenüber von mir fallen.

,,Wieso?...",ich schaue ihn fragend an.

,,Ich kann mich erinnern, dass du in der ersten Stunde um diese Zeit noch nicht ansprechbar warst...".

,,Erstens:In der 1.Stunde ist kein normaler Schüler gut drauf (die einzigen klaren Gedanken, die ich zu der Uhrzeit fassen konnte, drehten sich um ihn...). Zweitens: Es ist hier einfach zu schön(vor allem mit ihnen), um müde zu sein...und das Frühstück zu lecker",füge ich hinzu und esse ein Happen des Pfannkuchen.

,,Verstehe. Dann werde ich mir mal einen Kaffee holen...".

,,Das war kein Scherz. Das Frühstück ist wirklich gut hier...".

,,Ja, glaub ich. Aber das kann ich auch noch an einem anderen Tag genießen. Mein Reiseführer hat mir ein schönes Café in Port Luis empfohlen.".

,,Na, wenn sie es bis dahin aushalten...".

,,Das wird schon nicht solange dauern...".

Einige Minuten später stehen wir vor dem Haupteingang mit einigen anderen Touristen. Ein Hotelangestellter kommt auf uns zu und verkündet auf Englisch, dass der Hotel-Transporter einen technischen Defekt hat und das man entweder bis zum Nachmittag warten muss, bis sie einen neuen organisiert haben, oder mit den örtlichen Bussen in die Hauptstadt kommt.

,,Schade, so ein Mist...für einen halben Tag lohnt sich Port Luis nicht...", murmelt Hr Braun und will sich schon wieder zum Hotel umdrehen.

,,Das kann nicht ihr Ernst sein. So unflexibel hätte ich sie garnich eingeschätzt."

,,Ich habe gelesen, dass der "Nahverkehr" auf der Insel nicht wirklich gut sein soll...".

,,Ach, Quatsch. Mir scheint es eher, sie wollen garnich mit mir nach Port Luis...", schaue ich ihn schief grinsend an.

,,Doch, doch. Klar möchte ich das...",stottert er.

,,Na, dann. Komm mit, du Angsthase...".

,,Das hat doch nichts mit Angst zu tun...", brummt Jonas und wir verlassen die Hotelanlage.
Gleich ein paar hundert Meter weiter, sehe ich eine Gruppe Menschen vor einem Schild an der Tafel stehen.
,,Das muss die Bushaltestelle sein...",sage ich.

,,Und da kommt der Bus.",antwortet Hr Braun und wir laufen schnell zu der vermeintlichen Stelle, wo hoffentlich der Bus halten wird.

Der Bus ist voll. Eine ganze Gruppe Frauen in bunten Gewändern nehmen fast den ganzen Platz ein. Lautes Geplapper&Gekiecher in sämtlichen Sprachen kommt von allen Seiten.
Jonas schüttelt lachend den Kopf: „Ein ganzer Bus pubertierender Siebtklässlerinnen haben wir erwischt, dem Gekiecher zu urteilen.".
Ich muss Grinsen.
Wir kaufen der Tickets bzw Papierschnipsel und quetschen uns durch die Menge um eventuell noch einen Platz zu finden. Doch vergeblich und wir müssen uns damit zufrieden geben einfach zu stehen.
Der Bus sätzt seine ruckelige Fahrt fort. Ab und zu hält er an um noch weitere Personen einsteigen zu lassen. Bedeutet das es nach einer Weile wirklich verdammt eng in dem kleinen Gefährt wird. Inselbewohner und Touristen quetschen sich dicht an dicht. Ich muss ein Stückchen zurück treten, damit mir ein Typ mit einem riesigen Rucksack auf dem Rücken nicht umhaut. Plötzlich spüre ich wie an einen warmen Oberkörper gedrückt werde: Hr Braun. Verdammt. Ich möchte ein "Entschuldige" über meine Schulter werfen, aber weswegen eigentlich. Diese Nähe fühlt sich extrem angenehm an. Eigentlich hasse ich es, wenn man mit vielen aneinander gequetscht in überfüllten Nahverkehr stehen muss, aber gerade habe ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden. Als der Rucksack-Typ noch ein Stück zurück geht, lasse ich mich bereitwillig ein weiteres kleines Bisschen nach hinten fallen.

Nach einiger Zeit kommt plötzlich Bewegung und die ganzen Frauen. Sie scheinen ihr gemeinsames Ziel erreicht zu haben und springen alle gleichzeitig auf um auszusteigen. Ein weiteres Gedrängel entsteht, in dem ich den warmen Halt hinter mir verliere. Schade eigentlich. Dafür finde ich endlich einen Platz an einem Fenster. Nun sehe ich, was das Ziel der Frauen ist. Sie strömen über die kleine Straße auf eine große Tempelanlage zu. Mir klappt die Kinnlade hinunter. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Dagegen waren alle Kirche in Deutschland ein langweiliger grauer Turm in der Landschaft. Denn die Erbauer hatten echt nicht mit Farbe gespart. Als hätte jemand ein Eimer mit allen Farben der Welt über das, nicht all zu große Gebäude gekippt. Jetzt fehlte eigentlich nur noch ein paar Regenbogen pupsenden Einhörner zwischen den Statuen.

„Beeindruckend nicht?...",
Hr Braun lässt sich auf den Platz neben mir fallen, „Ein hinduistischer Tempel. In Port Luis gibt es noch einen Größeren...vielleicht können wir den uns nachher noch ansehen.", sagt er und plötzlich gibt sein Magen ein Grummeln von sich.
Ich lache: „Na, ich schätze da hat ihr Bauch aber andere Pläne. Hätten sie vielleicht doch etwas vorher esssen sollen...".
,,Ach. Hätte, hätte Fahrradkette...".

Es dauert dann doch noch eine ganze Weile bis aus Zuckerrohr-Feldern neben der Straße, Häuser und schließlich größere Gebäude und die Straßen breiter werden. Der Bus schlängelt sich energisch hupend durch den Verkehr und hält dann schlussendlich auf einen rießigen Parkplatz, welcher randvoll mit anderen Bussen steht. Beim Aussteigen empfängt uns die lärmende Geräusche der Stadt und die warme Sonne. Jonas streckt sich und sagt: ,,Erstmal was Essen...".
Ich grinse und folge ihm zu seinen "sagenumwobenen" Café. Doch ein paar Minuten später stehen wir vor einer ziemlichen Bruchbude. Hr Braun sieht ratlos aus:
,,Hier sollte es eigentlich sein...".

,,Tja, eigentlich. Gestatte mir eine Frage: Wie alt ist dein schlauer Reiseführer eigentlich... ".

,,So alt sollte er auf jeden Fall nicht sein. Aber eine Großstadt ist immer etwas schnelllebiger.".

,,Dann lass uns einfach mal zurück auf den Markt gehen, an den wir vorbei gelaufen sind.".

Er nickt und wir gehen wieder ein paar Straßen zurück. Inzwischen kann ich seinen Magen deutlich Grummeln hören und ich muss mir ein Grinsen verkneifen.
Die Markthalle ist der Hammer. Bauern und Händler preisen ihre Waren lautstark an. Von exotischen Früchten, über seltsames Gemüse, bis zu wunderbar riechenden Fladenbrot ist alles dabei. Ein dichtes Gedrängel herrscht zwischen den Ständen. Während Jonas seine ersehnte Mahlzeit zusammen kauft, beobachte ich einen kleinen Jungen der von einen Obststand eines dicken Händlers eine riesige Orange schnappt. Nicht unauffällig genug. Der Händler schreit wütend auf und nimmt die Verfolgung auf. Den Jungen lasse ich vorbei sausen, aber den Man Stelle ich mich aus Versehen in den Wegen. Wütend schnaupt er mich an, schimpft und rennt weiter.
,,Gern geschehen. Keine Ursache...", grinse ich.
Da fragt mich Jonas von der Seite, was los sei, aber ich winke ab.

Gemeinsam gehen wir runter zum Hafen uns setzen uns auf einer der Bänke an der Promenade. Die Sonne wärmt angenehm und einige Vögel ziehen ihre Kreise in der Luft. Jonas gibt mir ein wenig von dem Brot un d der exotischen Frucht ab und gemeinsam genießen wir einfach den Moment. Seite an Seite sitzen.

Verliebt in den Lehrer und 10 Jahre später...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt