Sport ist Mord

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,,Scheiß die Wand an, hab ich eine Lust...", murrt Ella, als wir hinunter auf das kleine städtische Leichtathletik-Stadion sehen.

Das alljährige Sportfest unserer Schule steht an und erspart uns Schülern zwei Tage in vor Hitze flimmernden Unterrichtsräumen vor den Sommerferien. Noch liegt eine angenehme morgendliche Frische über dem Stadion, in dem sich schon über die halbe Schule versammelt hat.
,,Hey, das wird schon...oder willst du lieber im Unterricht sitzen?!".
Der Blick, den mir meine Freundin zu wirft, sagt alles. Natürlich war die Frage unnötig. Der Großteil der Schulen in unserer Stadt hat sowieso wegen Hitzefrei kein Unterricht. Schließlich macht das vor den Sommerferien eh kein Sinn. Außerdem kann Ella Sport im Allgemeinen nicht viel abgewinnen. Sie ist zum einen einwenig unsportlich und zum anderen (tut mir leid, Süße) echt tollpatschig. Zur ehrlichkeitshalber, freue ich mich eigentlich auch nur auf den, heute stattfindenen, Leichtathletikteil. Morgen ist Volleyball angesagt und wir dürfen uns auf den heißen Sand die Füße verbrennen lassen. Ich habe zwar mit meiner Größe für den Sport die perfekten Grundvoraussetzungen, aber das war es dann auch schon. Im Umgang mit Bällen aller Art bin ich völlig talentfrei.

Gemeinsam laufen wir die große Treppe zu den anderen hinunter. Da grinst uns auch schon ein fröhliches Gesicht entgegen. Jannick. Sofort erwidert Ella dieses. Ich grinse: „Sieht so aus, als hätte sich deine Meinung zu dem heutigen Tag schlagartig geändert. Woran liegt das bloß?“. Sie bockst mir leicht in die Seite und ich lache.
Bevor es losgeht lassen wir uns auf den Tribünenplätzen nieder. Die Sonnenstrahlen vertreiben die letzten Nebelschwaden und es liegt ein wenig Ferien-Euphorie über dem Stadion. Die Fußballmannschaften, sowohl Schüler als auch Lehrer( ja, in den oberen Klassen fehlen oft Spieler und Lehrer spielen dann auch mit), versammeln sich schon auf dem Rassen in der Mitte. Sofort sehe ich Hr Braun in Sportsachen, ungewöhnlicher Anblick aber trotzdem unverändert schön, zwischen ein paar 12ern stehen. Und neben ihm natürlich Fr Kollridt. Ich hören sie bis hierher lachen. Unverkennbar dieses fröhliche klare Lachen von Hr Braun. Auch die beiden Turteltauben neben mir brechen gerade in heiteres Gelächter aus.  Für einen Moment habe ich das Gefühl, dass sich die Welt um mich herum dreht mit lauter Pärchen, die mich an starren und ausmachen: »Wie kann man auch so bescheuert sein und sich in einen Lehrer verlieben! Selbst schuld! Und jetzt will sie auch noch Mitleid von uns oder was?!«
Die durchdringende Stimme meiner Klassenlehrerin stoppt diesen Kreisel:„Meine Klasse zum 100m-Lauf bitte, sofort“.
Als ich aufstehen um meiner Klasse zu folgen, über kommt mich kurz ein Gefühl der Übelkeit. Ella merkt das und schaut mich besorgt an:
„Alles gut bei dir?...“.

„Ja, ja. Alles bestens.“ ,ich lächel.
Sie erwidert dieses und schon fühle ich mich besser. Bereit für einen kleinen Sprint, von dem ich sicherlich den Kopf frei bekomme.

,,Och, ich will nicht...“, quängelt Ella leise neben mir vor sich hin.
Ich sehe, wie Jannick am Ende der Bahn steht und will sie ermutigen:
„Guck mal, Jannick steht im Ziel und empfängt dich bestimmt mit offenen Armen. Dem ist es total egal, wie schnell du jetzt läufst...“.

„Mag ja sein. Aber wenn er sieht wie ich laufe...du weißt doch, wie schrecklich das bei mir aussieht...Bitte, du startest doch vor mir. Kannst du ihn nicht irgendwie ablenken?“.

„Aber gerne doch. Egal wie?“.

,,Meinet wegen...aber ich warne dich. Keine peinlichen Fragen oder so...“.

„Ach Quatsch...du kennst mich doch.“.

„Deswegen ja...“.
Das höre ich schon nicht mehr, denn ich bin an der Reihe. Neben mir starten noch ein Junge und ein Mädel aus meiner Klasse. Wir gehen in Startposition.
Dann ertönt das Signal und wir sprinten los.
Ich komme als erste einen Fuß vor dem Jungen ins Ziel.
Ich grinse ihn an:
„Tja, Michi. Das war wohl nichts...“.

„Ach Lora, ich wollte heute mal Gentlemenlike sein. Nächstes Mal mache ich dich fertig!“.

„Is klar...“, ich winke ab und gehe zu Jannick herüber.
Doch so weit kam ich garnich. Ich sah noch, wie er den Mund öffnete um etwas zu rufen. Doch da trifft mich schon etwas mit voller Wucht gegen den Hinterkopf und ich falle ins schwarze Nichts. Bevor ich sehr unsanft auf die harte Tatar Bahn falle, höre ich noch Hr Braun, wie er besorgt nach mir ruft. Doch ich denke nur noch verwirrt: »Ich bin im Himmel...mit ihm. Doch seit wann ist der Himmel schwarz?«...

----nach den Sommerferien---

„Mensch Lora, Hr Laban hat dich voll erwischt auf dem Foto“, lachend zeigt Ella mir die Jahrbuch-seite.
Ich kann ihre Freude nicht teilen. Sofort schmerzt mein Hinterkopf, als ich das Bild sehe, wo der Ball kurz davor ist mich um zuhauen. Vom Bild darunter, indem Hr Braun mein halbohnmächtiges "Ich" stützt, bin ich auch nicht gerade begeistert. Darunter der unnötige Satz: "Auch die Lehrer haben einen scharfen Schuss drauf". Ich spüre einen Stich in mein Herzen, an eine Stelle, die schon ziemlich durchlöchert ist. Zwar habe ich relativ wenig von dem mitbekommen, was danach passiert ist, aber Ella hat mir alles erzählt:
Der scharfe Schuss stammte von Hr Braun persönlich, der danach auch sofort an gerannt kam und mich erstmal in den Schatten schleppte, wo ich auch erstmal noch einige Minuten vor mich hin im Nirwana vegetierte.

Ich seufze:
„Ich sag doch der Typ ist umwerfend“.

Verliebt in den Lehrer und 10 Jahre später...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt