Die Jägerin bemerkte, dass sie von Kopf bis Fuß mit Schlamm besudelt war. Allerdings waren die Flecken irgendwie ätherisch. Auch der Schmutz auf ihrer Haut war beinahe nicht sichtbar.


Sie schaute Kaori an. „Wieso bin ich so dreckig?"

„Du bist lebendig begraben worden und drohst zu ersticken."

„Und wieso sehe ich beinahe hindurch?"

Kensuke lächelte gequält. „Du hast bereits das Bewusstsein verloren und driftest immer mehr in die Welt der Toten ab."

Yuna schüttelte den Kopf. „Ich muss zurück. Ich muss aufwachen."

„Und was dann? Du wirst noch immer begraben sein und trotzdem ersticken."

„Nein. Ich werde frei kommen."


Die Blauhaarige setzte einen Fuß vor den anderen. Unter Beihilfe ihrer Eltern gelangte sie an die Tür. Gerade als sie ihre Hand auf die Klinke legen wollte, erklang eine weitere Stimme hinter ihr.


„Was tut ihr da?"

Das Mädchen traute ihren Ohren nicht. Sie drehte ihren Kopf und erblickte Yoshiro im Küchendurchgang. Er erschien in seiner menschlichen Gestalt. Es gab keinen einzigen Hinweis darauf, dass er ein Oni gewesen war. „Y-yoshiro?!", krächzte sie überrascht.

Er fuhr sich grinsend durch seine verstrubbelten Haare. „Ist noch gar nicht so lange her, oder?"

Ungläubig beäugte sie ihn. „Wie ist das möglich?"

„Ich weiß es nicht."

„Als du starbst, hast du einen menschlichen Körper hinterlassen."

Ihr „Onkel" zuckte ahnungslos die Schultern. „Dann liegt es wohl daran."

„Aber wieso?", fragte das Mädchen.

„Keine Ahnung. Was hast du vor?"

Sie nahm einen tiefen, qualvollen Atemzug. „Ich muss zurück."

Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Du bist so unnachgiebig. Du bist so gut wie tot. Es besteht keine Chance, dass du das überlebst."

„Ich kann alles schaffen!"

Yoshiro schaute sie einen Moment lang an. Dann nickte er. „Na gut. Versuch es. Wenn es jemanden gibt, der so etwas zustande bringt, dann bist das du."


Der ätherische Schmutz verblasste immer mehr. Die Jägerin legte ihre Hand auf die Türklinke. Mit zusammengebissenen Zähnen drückte sie die Klinke, doch diese wackelte nur leicht.


„Nein." Sie griff mit beiden Händen zu und drückte mit aller Kraft. Die Klinke senkte sich ein wenig mehr, aber es reichte noch nicht, um die Tür zu öffnen. „Komm schon." Tränen traten in die Augen der Jägerin. Aufgebracht rüttelte sie am Metallgriff.

„Es tut mir leid, Schatz.", hauchte Kaori.

Kensuke legte der Blauhaarigen die Hand auf die Schulter. „Lass es gut sein, Yuna."

„Nein! Ich muss zurück! Ich muss zu Yui und Wataru! Ich darf sie nicht im Stich lassen!" Wie eine Irre riss die Oberschülerin weiter an der Klinke.

Ihre Mutter begann ihre Wange zu streicheln. „Es liegt nicht in deiner Macht."

Yuna schüttelte die Hand ihrer Mutter ab. „Das glaube ich nicht."


Sie ließ sich zu Boden fallen und hing mit ihrem ganzen Körpergewicht an der Klinke. Die Schmutzflecken auf ihrer Kleidung waren fast vollständig verschwunden. Sie hatte wieder weniger Mühe mit atmen.

Schnell stand das Mädchen auf und griff wieder nach der Klinke. Ihre Eltern und ihr Onkel schauten ihr schweigend dabei zu, wie sie weiter kämpfte.


„Du wirst jeden Moment sterben, Yuna.", prophezeite Yoshiro ruhig.

„Halt den Mund!"


Sie konnte es selber fühlen. Die ganze Last des irdischen Lebens glitt langsam von ihr ab. Aber sie war nicht gewillt das hinzunehmen. Die Flecken verschwanden allesamt. Yuna zuckte zusammen. Sie konnte fühlen, wie sie wahrscheinlich gerade gestorben war.


„Nein. Nein! Das akzeptiere ich nicht!" Sie begann wieder an der Klinke zu reißen. „Ich kann nicht tot sein. Ich bin unbesiegbar!"

„Niemand ist unbesiegbar.", erklärte Yoshiro sachlich.

Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn aus tränenden Augen aufgelöst an. „Das ist nicht fair!"

Schuldbewusste lächelte der „Onkel". „Ich weiß. Es tut mir sehr leid."

„Das ist nicht fair! Ich habe alles gegeben! ALLES!", schrie das Mädchen. Ihr Mentor nickte mitfühlend. Aufgebracht strich Yuna ihren Pony zur Seite. „Es muss einen Weg geben. Ich muss zurück!"

„Ich wüsste nicht wie.", gestand ihr Vater.

„Geht mir aus dem Weg!"


Die Jägerin stürmte ins Wohnzimmer. Ihre Eltern blickten ihr unbehaglich hinterher. Das Mädchen kam mit dem Katana angerauscht und holte aus. Voller Wucht schlug sie gegen die Tür.

Onijägerin YunaWhere stories live. Discover now