20.08.1669

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Die nasse Wäsche tropft auf der, provisorisch aus einem Seil zwischen zwei Bäumen bestehenden, Wäscheleine. Meine nackten Füße baumeln über den Ast eines Walnussbaumes. Meine Hände umklammern den dicken Stamm. Ich blicke hinunter in den klein erscheinenden Garten. Ich stelle mich hin. Hier oben bin ich frei. Ich spüre die raue Rinde des Astes unter meinen Füßen. Atme die klare Luft. Der Wind weht durch mein blondes Haar, lässt meine Locken aufwirbeln. Mein Mintgrünes Kleid schwingen. Die letzten Sonnenstrahlen wärmen mein Gesicht. Der Himmel erstreckt sich weit und groß über meinem Kopf. Bunten Farben des Himmels mischen sich in den Wolken. Rot, gelb, orange, blau und ein Hauch violett verläuft am Firmament. Die Sonne senkt sich. Bald werden sie die dunklen Schatten der Bäume verschlingen. Ein weiterer Tag ist vergangen. Ein weiterer Tag ohne ihn. Ohne Kevin. Meine Gedanken schweifen in meine Erinnerung: Mein Kopf ist sanft auf seiner warme Schulter gebettet. Meine Augen schließen sich beim sanften Schaukeln der Kutsche. Sein starker, rechter Arm schließt sich um meinen Körper. Hält mich fest in seiner Umarmung. Leichte Küssen seiner Lippen bedecken mein Kollier. "Ich hab dich lieb Mally" raunt er in mein Ohr. " Ich dich auch." ganz leise, flüsternd, wie ein unbemerkter Hauch stehlen sich die Worte von meinen Lippen. Ich öffne meine Augen, sehe ihn an. Sein Lächeln lässt seine perfekten Zähne offenbaren. Fast ungläubig sieht er in mein Gesicht. "All mein Kampfsportkonzentrationstraining hat nichts von Nutzen." meint er. Verwirrt sehe ich ihn an. "Mein Herz klopft bis zum Hals" gesteht er. Ich grinse, unsere Lippen berühren sich. Vereinen sich im Kuss.

Noch 14 Tage. Ich seufze wehmütig. Springe vom Ast herunter, lande in der Hocke auf dem saftigen Rasen. Die Halme des Grases kitzeln zwischen meinen Zehen. Meine vornehmen Schuhe nehme ich in die Hand, und springe barfußrennend die Treppen des Schlosses hinauf, und werfe mich auf mein Bett. Auf dem Bauch liegend fische ich nach den Briefen in meiner Schreibtischfach. Zahlreiche Karten und Briefe von Kevin wurden mir überbracht. Doch diese sind nur ein schlechter Ersatz für seine Abwesenheit. Ich vermisse ihn. "Darf ich sie auf ein Eis einladen?" Das - wie der restliche Brief-sorgfältig geschriebene PS unter dem letzten Brief sticht in meine Augen. Der Gedanke an sein markantes Kinn, seine sanftmütigen Augen und sein niedliches Lächeln zaubern ein Grinsen in mein Gesicht. Ich richte mich auf, schwinge meine Beine über die Bettkante und setze mich an den kleinen, einfach gehaltenen Holzschreibtisch. Meine Schreibtischfeder steckt in einem kleinen, schwarzen Tintenfass. Ich nehme sie heraus und beginne in geschwungener Schreibschrift zu antworten. "Eis essen... klingt gut...aber ausgeben... darüber reden wir nochmal". Ich schließe den Brief. Raffe mein Kleid hoch, schlüpfe in meine Schuhe und begebe mich zum Postjungen. "Wieder in der Osten?" fragt dieser mich, mit einem wissenden Blick. "Ja. An Kevin." gebe ich zurück. "Tragisch... gerade frisch verliebt, und schon wird er zur dreiwöchigen Patrouille der östlichen Grenzgebiete eingeteilt. "spricht er mir sein Beileid aus. Ich bedanke mich für das Überbringen meines Briefes, wende ihm meinen Rücken zu. Der Hall meiner Schritte klingt in den großen Gängen des Schlosses wieder. Ich bleibe stehen. Sehe aus dem Fenster. Der letzte Sonnenstrahl verschwindet mit einem verabschiedenden Umstreichen meines Gesichtes zwischen den Baumwipfel. Noch 13 Tage.

Nur eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt