16. Kapitel

1.3K 66 10
                                    

Ich wachte auf und dachte über gestern Abend nach. Es war ein komisches Gefühl gewesen, zusammen mit Papa und Tim zum Sonnenhof zu fahren. Früher als die Lehrgänge dort stattfanden, bin ich entweder hin geritten oder Jens hatte mich gefahren. Für Papa war das "dreckiger Boden", aber es war auch Tims' Zuhause. Wir fuhren langsam auf den Hof. Und dann stand er da... Ich traute meinen Augen nicht. Richard Jungblut, Tims' Vater. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, bei dem Gedanken an jene Nacht. Am liebsten wären wir alle im Auto sitzen geblieben und zurück gefahren, doch wir mussten stark sein. Tim stieg als erster aus. "Da bist du ja endlich", begrüßte der Vater seinen Sohn. Tim sah nicht gerade glücklich aus, doch Richard grinste übertrieben freundlich. "Micha", rief er, „ich hatte dich gar nicht erwartet". "Ich dich auch nicht", entgegnete mein Vater. "Tja, ich habe ein paar Tage frei bekommen und da wollte ich meine Familie besuchen und nach dem Rechten sehen", antwortete Richard. „Da will ich auch nicht stören", sagte Papa, „ich will Tim nur nach Hause bringen". Dann wandte Papa sich zum gehen um. „Ach Micha?" „Ja?" „Danke". „Wofür?" Stille. „Dafür, dass mein Sohn bei dir trainieren darf..." Man sah, dass es ihm sichtlich unangenehm war. Papa antwortete spitz: „Dir sind ja wortwörtlich die Hände gebunden, nicht wahr?" Wir schon fast im Auto saßen, da schrie Richard:" Das wirst du noch bereuen!" Mir machte diese Drohung ehrlich gesagt angst, doch mein Papa beachtete diese gar nicht. Ich winkte Tim zum Abschied und schon verließen wir den Hof. Die Fahrt nach Hause verlief schweigend.

**

Es ist ein sonniger erster Ferientag und wir treffen uns gerade alle auf dem Hof. Währenddessen taucht ein Mädchen auf, die sich als Katja vorstellt. Ich will sie zu Papa bringen, doch Christian kommt mir zuvor. „Was war denn das?", fragt Melike als sie weg waren. Ich zucke mit den Schultern: „Ich weiß es nicht". „So wie Christian gleich kam, könnte man meinen sie kennen sich", stellt Melike fest. „Er wird es dir schon irgendwann sagen", meint Niklas. „Schon, aber so ich kenne ihn gar nicht", bemerke ich. „Das ist nun wirklich nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen müsste", sagt Tim und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich kenne Tim quasi in und auswendig und trotzdem fangen immer wieder Schmetterlinge an in meinem Bauch zu tanzen. Die Jungs machen ihre Pferde fertig und wir treffen uns zur Reitstunde mit Papa auf dem Springplatz. Melike und ich sitzen also am Rand und schauen zu. Dann kommen Katja und Christian zu uns und ich sehe genau, wie Melike sich alle möglichen Fragen überlegt, mit denen sie Katja bombardieren könnte. „Hier ist also unser großer Springplatz. Das ist meine kleine Schwester Elena", er zeigt auf mich, „und ihre beste Freundin Melike". Katja schüttelt meine Hand „Natürlich, ich habe dich schon auf etlichen Turnieren gesehen, es freut mich sehr dich kennenzulernen". Sie geht zu Melike rüber „Es ist auch sehr schön dich kennenzulernen". Sie lächelt uns verlegen an, und da hält es Melike nicht mehr aus: „Was machst du hier?" Katja muss lachen: „Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Frage kommt. Ich habe Christian vor ein paar Jahren das erste Mal auf einem Turnier kennengelernt, wir haben und danach öfter gesehen und er hat mir einen Ferienjob angeboten". „So etwas steht dir zu Herr Weiland Junior?", ziehe ich ihn auf. „Nein viel wichtiger ist, ob die beiden zusammen sind", platzt Melike raus. Die arme Katja wird ganz rot. „Nein sind wir nicht", stellt Christian klar. „Schade, ihr würdet gut zusammenpassen", bemerkt Melike. „Hör auf", zische ich zu Melike. „Reitest du?", frage ich Katja. „Ich bin mal geritten, aber die Methoden von meinem damaligen Reiterlehrer haben mir nicht gefallen. Vor zwei Jahren sind wir zu dem neuen Mann meiner Mutter gezogen. Er hat einige Pferde, mit denen er auch Turniere geht. Aber ich mache mit den Pferden lieber Bodenarbeit". „Das klingt sehr interessant", sage ich. Ich hätte mich gern noch länger mit ihr darüber unterhalten, aber Christian zieht sie weiter. „Sie scheint ganz nett zu sein", lautet Melikes Urteil. „Ja, vielleicht ist es diesmal die Richtige", überlege ich zu laut.
Beim Mittagessen im Biergarten treffe ich Katja wieder und als Christian endlich mal verschwindet, spreche ich Katja an. „Hey, kannst du mir mehr über deine Bodenarbeit erzählen?" „Ja klar. Also für mich ist Bodenarbeit die Grundlage zum Reiten, du baust das Vertrauen zum Pferd auf. In meinen Augen kann man nicht einfach auf ein Pferd steigen und behaupten man wäre ein gutes Team, nur weil das Pferd deinen Befehlen gehorcht. Verstehst du, was ich damit meine?", fragt sie mich. „Ja ich glaube schon. Mein Pferd Fritzi habe ich ja selber ausgebildet, ich kannte ihn schon bevor ich einmal auf seinem Rücken saß". „Genau das ist es, ihr kennt euch und seid so ein viel besseres Team. Das versucht man mit der Bodenarbeit zu erreichen. Wenn du willst kann ich dir einiges zeigen". Melike kommt auf uns zu geschlendert. „Was höre ich da? Du willst wieder was mit Pferden zu tun haben? Omg ich freue mich so Elena!" Sie führt einen witzigen Freudentanz auf. „Ich will es versuchen", flüstere ich. „Nichts gegen dich Melike, aber du darfst sie nicht unter Druck setzen. Vertrauen zu einem Pferd aufzubauen braucht Zeit", erwidert Kaja und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Sie scheint die einzige zu sein, die mich versteht. „Aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung", freut sich Melike. Während wir essen kommt das Thema Pferde nicht noch einmal auf, stattdessen quetscht Melike die arme Katja über alles Mögliche aus. „Magst du mir Fritzi mal zeigen?", fragt Katja ganz unvermittelt. Nachdem ich mich gefangen habe, antworte ich ihr: „Ja klar wir können zu ihm gehen". „Lass uns einen Umweg über die Futterkammer machen", schlägt Katja vor. „Ich komme nach", verspricht Melike. Mit Äpfeln im Gepäck, machen wir uns auf zur Scheune, in der Fritzi steht. Ich muss ihn ja schon lange nicht mehr verstecken, doch er steht immer noch in seiner alten Box. Mir ist ein wenig mulmig zu mute. Wird Fritzi mich wieder erkennen? Als wir die Scheune betreten und er mich mit einem Wiehern begrüßt, zieht sich mein Herz zusammen. „Da hat dich wohl wer vermisst", stellt Katja fest und lächelt mich an. Sie reicht mir einen Apfel: „Gib ihm das als Begrüßungsgeschenk". Ganz langsam und mit weichen Knien gehe ich auf Fritzi zu. Er hat den Kopf über die Boxenwand gestreckt und schaut mich erwartungsvoll an. Es sieht so aus als wollte er sagen beeil dich. „Hallo mein Schöner", begrüße ich ihn und strecke ihm den Apfel entgegen. Als würde er meine Unsicherheit spüren, nimmt er den Apfel ganz vorsichtig. Ich muss wirklich wieder von ganz vorne anfangen, aber ich glaube auch, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

----------------------------------------------------
Haben einige von euch Pinterest? Wenn ja, könnte ich meine Pinnwand Ja mal veröffentlichten ;D

Vielen Dank für eure Unterstützung und Votes <3

Ich hab euch alle sehr lieb
Lea

Elena ein Leben für PferdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt