Velvet - 03

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Am Abend versammelte sich das ganze Haus im Garten, um mit den Kirschen zu helfen. Diana stand unter dem Baum mit einem Körbchen im Arm, sah hinauf ins Geäst, in dem Ontario sass und die Kirschen auf sie runter schmiss, bis Ruth zu ihm hoch brüllte, er solle die Äste gefälligst zu ihnen hinunter drücken, dass sie selbstständig nach den reifen Früchten greifen konnten und sie nicht einfach runter geschmissen bekamen. Avery reckte sich hoch empor und hatte ihren Korb fast voll. Cedric sass in der Krone des benachbarten Baumes.

„Hey, Ontario! Iss die Kirschen nicht!“ Er lehnte sich aus dem dunkelgrünen Gestrüpp an Blättern, erhaschte somit einen Blick auf seinen Neffen, wie er in seinem Baum sass.

Belinda sass faul auf dem Sitzplatz und lachte. Sie begutachtete die bereits gepflückten Kirschen genüsslich und verkündete mehrmals laut, was für tolle Kuchen sie backen würde.

„Wieso ist der Himmel blau?“

„Nicht jetzt Diana!“, erwiderte Cedric gestresst. Er schien es irgendwie eilig zu haben. Als wäre da ein imaginärer Nachbar, mit dem er das Pflücken konkurrierte. Avery sah sich um, doch da war niemand ausser sie und der grosse Wald, der sie umgab.

„Nein echt. Wieso ist er nicht orange? Und wieso nicht grau?“, fragte das kleine Mädchen weiter und Ruth seufzte, hob die gefallenen Früchte vom Boden auf, vor denen sich Avery grauste. Weil viele von denen schon überreif, matschig und klebrig waren. Ausserdem von etlichen Viecher übersäht.

„Er war mal orange, Diana. Dann als die Erde ganz neu entstanden ist“, bemerkte Ontario aus seinem Baum aus und man hörte ihm gut an, dass er eher Kirschen ass, als sie einzusammeln.

Ruth wandte sich an Avery. „Bist du gut im Klettern?“

„Nun ja... es geht glaub ich...“, antwortete sie etwas unsicher.

„Willst du nicht auch hoch und den jungen Herrn da oben kontrollieren?!“ Die letzten Worte waren eher an Ontario selbst gerichtet.

Avery seufzte und warf sich schulterzuckend an den Baum. Schwang ihre Beine hoch und hievte sich hinauf in einen stabilen Ast, von dem sie gut in die Krone klettern konnte. Ontario war etwas höher und sah verärgert zu ihr hinab.

„Verpiss dich.“

Avery holte tief Luft und tat so, als hätte er nichts gesagt. Mit solchen Ausdrücken konnte das Mädchen nämlich nicht wirklich umgehen. Schon gar nicht, wenn man so was direkt ins Gesicht gesagt bekommt.

„Ontario! Sowas will ich nicht hören!“, sagte Ruth mit einem vorwurfsvollen Ton.

„Der Himmel ist blau wegen dem Licht. Weisst du, Diana. Das Sonnenlicht besteht aus allen Regenbogenfarben“, fuhr Ontario unbeirrt fort.

„Versteh ich nicht“, brummte Diana. „Hä das geht doch gar nicht.“ Sie seufzte und stopfte sich eine Kirsche in den Mund.

Ontario lehnte an einen Ast und musterte Avery wie sie sich nach Kirschen reckte. Es war ihr fast schon unangenehm.

Heil froh war sie, als sie wieder runter kommen durfte. Nur... wie?

Diana, Belinda und Cedric waren längst wieder im Haus verschwunden. Ontario kletterte vom Baum, behände und flink, innerhalb einer halben Minute war er wieder unten angekommen.

Er wollte schon zurück ins Haus gehen, als er inne hielt und zu ihr hinauf sah.

„Und du willst noch einbisschen bleiben?“

V E L V E T -Where stories live. Discover now