Finger Food

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„Noch ein Würstchenfinger gefällig, Tom? Oder vielleicht ein Auge?"

Grinsend hielt mir mein Polizeikollege, vom Fahrersitz aus eine Schale unter die Nase. Ein paar täuschend echt aussehende Fruchtgummi-Augen kullerten darin herum.

„Das haben die Kinder gegessen?", fragte ich ihn angeekelt.

„Oh ja, die stehen da total drauf." Bob nahm sich eines der Augen und biss kräftig hinein.

Es drehte mir fast den Magen um, als er den Augapfel mit seinen Zähnen zerteilte und ihm eine weißliche Flüssigkeit den Mundwinkel herablief.

„Das ist ja widerlich!", wandte ich mich ab. Durch die Windschutzscheibe unseres Zivilfahrzeuges sah ich, ein gutes Stück entfernt, das schwarze Gebäude des Nachtclubs. CURE leuchteten mir die großen Buchstaben aus der Dunkelheit über den Parkplatz entgegen. Eine Gruppe kostümierter Menschen begab sich gerade Richtung Eingangstür. Ich erkannte von Weitem ein Skelett, Händchen haltend mit einer Teufelin. 

„Als was waren deine Kinder verkleidet, Bob?"

„Hanna ging als Kürbis, Louis als Marsmensch. Die zwei sahen echt klasse aus, du hättest sie sehen sollen. Und einen Spaß hatten sie. Melanie hatte sich für die Party aber auch mächtig ins Zeug gelegt. Wie man sieht." Er wies auf die Essensreste. In einer der Schalen steckten Würstchenfinger zentimeterhoch in Ketchup. Am oberen Ende war jede Wurst mit einer Mandel gespickt, die einen  Fingernagel darstellen sollte. Im schwachen Licht des Wageninneren sahen sie auf den ersten Blick wahrhaftig wie richtige Finger aus. Wie konnte man so etwas nur appetitlich finden, fragte ich mich.

„Ich kann mich mit Halloween einfach nicht anfreunden."

„Glaub mir Tom, wir machen das auch nur für die Kinder. Diese Witzfiguren, die sich gerade da drin austoben," Bob nickte Richtung Nachtclub, „sind wie ein rotes Tuch für mich. Das ist das dritte Jahr, in dem wir diese Sonderschicht wegen der Krawalle aufgebrummt bekommen. Wusstest du, diesmal sogar zwei Kollegen oben an der Nordkreuzung stehen?", wollte er mit vollem Mund wissen. Doch ich kam nicht dazu zu antworten, da er schon fleißig weiter zeterte.  Als ich ihn ansah, überkam mich die Sorge, dass ihm jeden Augenblick die Würstchenbrocken auf sein kariertes Hemd purzelten. 

„Die Beschwerden der Anwohner werden jährlich mehr, ich sag dir..."

„Einheit 12, es gibt Probleme im CURE.", unterbrach in der Funkspruch. „Der Besitzer meldet einen durchgedrehten Zombie. Schlägerei mit schwerer Körperverletzung. Es wurde sogar ein abgebissener Finger erwähnt. Ihr geht wohl besser sofort da rein. Der Täter war gerade dabei sich einen Weg nach draußen zu kämpfen."


„Abgebissener Finger?" Ich starrte meinen Kollegen fassungslos an. „Was zum..."

„Den Spinner schnappen wir uns!" Die Plastikschale, samt Inhalt, landete unsanft auf dem Armaturenbrett, bevor Bob eilig aus dem Auto stieg. Ich tat es ihm gleich, bemerkte aber noch die Spritzer dunkelroten Ketchups, die langsam unsere Windschutzscheibe herab liefen.  Würstchenfinger, beißende Zombies, ich hasste Halloween! Im nächsten Moment rannte ich auch schon hinter Bob her.

„Da vorne ist er!", hörte ich ihn rufen.

Von Weitem sah ich eine Gestalt, die soeben vom CURE aus nach links, Richtung Park flüchtete. Verdammt, wenn er es bis dahin schafft, haben wir kaum eine Chance, schoss es mir durch den Kopf. Bob hatte wohl den gleichen Gedanken, denn er legte unverzüglich an Tempo zu. Der Zombie hatte uns gehört. Mit einem kurzen Schulterblick entdeckte er seine Verfolger. Nun wurde auch er scheinbar noch schneller. Betrunken konnte der nicht sein. So flink ist man mit zuviel Promille nicht mehr auf den Beinen. Das weiße Hemd des Zombies flatterte immer näher Richtung Park. Sichtlich blutverschmiert hing ihm der helle Stofffetzen über der schwarzen Hose. Inständig hoffte ich, dass es sich bei den roten Flecken lediglich um so etwas Harmloses wie Ketchup handelte.

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