„Weißt du, was mir noch mehr Sorgen macht?", versuchte sie vom Thema abzulenken. Mit dem Daumen strich sie eine Falte auf Ricos Bettdecke glatt.

„Dass ich in vier Stunden entlassen werde und mich bei dir einzuquartieren gedenke?", scherzte Rico.

Adriana lachte. Lang und hell. Zum ersten Mal in den letzten 24 Stunden. „Nein. Das sicher nicht. Wird nur vermutlich etwas eng mit Savannah zu dritt in meiner Mini-Wohnung."

„Das passt schon. Aber was wolltest du eben sagen?" Aufmerksam neigte er den Kopf zur Seite.

„Vorhin, kam Drym von einem Treffen mit Gesa zurück zu mir. Du weißt schon, diese Alpha-Dämonin, die in Luzifers Palast als Sklavin lebt. Sie kennt sich mit Heilpflanzen aus. Ist einen Pakt mit dem Teufel persönlich eingegangen."

Rico nickte. Seit Molly kannte er sich gut mit dämonischen Pakten aus.

„Sie hat Drym Informationen über Luzifer weitergegeben. Sie erklären ein Stück weit, warum der Höllenfürst seinen Dienern aufgetragen hat, mich lebend zu ihm zu bringen. Ja, sie erklären streng genommen das ganze Interesse von Luzifer an mir." Adriana schluckte.

„Sprich weiter. Diese Spannung hält ja kein Mensch aus", beschwerte sich Rico. „Gleich bekomme ich Schnappatmung."

„Schon gut, schon gut." Lächelnd sah sie zu ihm auf, strich sich dann die dunklen Haare hinter die Ohren. „Luzifer denkt wie es scheint, dass meine Mutter irgendwelche wichtigen Informationen mit mir geteilt hätte. Offensichtlich hat sie irgendetwas gegen Luzifer im Schilde geführt. Sie hat an etwas gearbeitet vor ihrem Tod. Nur leider liegt Luzifer komplett falsch damit, dass ich darüber etwas wüsste. Ich habe null Ahnung davon, worum es hier eigentlich geht."

„Deine Mutter?" Rico klappte der Kiefer herunter. „Wie passt deine Mutter in diese Geschichte? Soll das heißen, sie hatte Kontakt zu den Dämonen? Oder hat sie für's Militär gearbeitet?"

Adriana zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht. Wie es scheint, habe ich bisher so einiges über meine Mutter nicht gewusst."

„Ach Adri, du glaubst jetzt aber nicht, dass Luzifer wirklich dein Vater ist?"

„Was soll ich sonst glauben? Woher sollte meine Mutter diese Informationen haben, die Luzifer unbedingt heraus bekommen will? Sie muss zumindest in seiner Nähe herumgeschnüffelt haben."

„Vielleicht hat sie für die andere Seite gearbeitet. Als Spionin. Könnte doch auch sein?"

„Wie auch immer." Wieder hob und senkte Adriana ihre Schultern. Dabei bemerkte sie die Verspannungen zwischen ihren Schulterblättern. „Ich habe keine Ahnung, welche Informationen Mom hatte und warum Luzifer sie so dringend haben will."

„Könnte es denn sein, dass er sie deswegen umgebracht hat?", fragte Rico vorsichtig. Schließlich war der Tod von Adrianas Mutter ein heikles Thema.

„Nein, das glaube ich nicht. Wieso sollte er sie töten, wenn er die Informationen noch nicht aus ihr herausgepresst hatte? Außerdem hat man einen Dämonenclan auf dem Aufzugsvideo gesehen, bevor sie starb. Keinen Luzifer persönlich." Den genauen Tod ihrer Mom hatte sie nicht mitangesehen, da die Bandaufnahme irgendwann abgebrochen war. Wahrscheinlich hatten die Dämonen die Kamera aus der Wand gerissen. Aber die Medien hatten im Internet oft genug die Minuten kurz vor dem Tod von Angelina Astara in einer Aufzugszelle gezeigt. Wieder und wieder.

„Aber welche Informationen könnte sie gehabt haben, die Luzifer interessieren?", grübelte Adriana laut vor sich hin. Keiner von beiden wusste eine Antwort darauf.

Da sie Tequila nicht länger allein lassen wollte, verabredete sich Adriana letztendlich mit Rico für den Nachmittag bei ihr zuhause. Zwischendurch wollten sie beide noch die neusten Infos per Telefon austauschen.

„Pass auf dich auf!", rief Rico ihr noch hinterher. Doch Adriana war schon halb durch die Tür und hörte kaum mehr hin. Ihre Gedanken kreisten immer noch um den Höllenfürsten, ihre Mutter und deren Tod.

Im Flur vor Ricos Zimmer herrschte reger Aufruhr. Direkt vor dem Treppenhaus rechts von Ricos Zimmer versuchten zwei Ärzte einen Patienten auf dem Boden wiederzubeleben. Krankenschwestern und Notfallkoffer standen überall herum. Der Mann am Boden wirkte wie tot. Adriana schluckte und machte dann einen Schritt rückwärts. Auf keinen Fall wollte sie wie eine Schaulustige herum stehen. Vorbei kam sie hier auch nicht. Also musste sie einen anderen Weg finden. Mit etwas Glück gab es am anderen Ende des Flurs eine zweite Treppe. Den Aufzug ließ sie links liegen, als sie davon eilte.

Tatsächlich fand sie genau am entgegengesetzten Ende des Flurs ein zweites Treppenhaus, zwar sah es nur wie ein einfacher Fluchtweg aus mit den nackten Wänden und dem fehlenden Bodenbelag, aber was machte das schon? Besser als der Aufzug.

Zu ihrer Verblüffung kennzeichnete am untersten Treppenabsatz die Tür zum Erdgeschoss ein Schild mit der Aufschrift: „Der Zugang ist nur autorisierten Personen gestattet." Sie hielt inne. Sollte sie umkehren? Nein. Sie war beinahe zurück bei Tequila. Außerdem war sie eine Besucherin eines Patienten und daher im weitesten Sinne autorisiert, beschloss Adriana. Ohne weiter zu zögern, stieß sie die Tür auf. Dieser Flur fühlte sich anders an. Langsam wand sie den Kopf in beide Richtungen. Ihr gegenüber konnte sie durch eine gläserne Wand Männer in Bademänteln in einem Aufenthaltsraum herumwandern sehen. Manche von ihnen spielten Backgammon oder lasen Bücher. Sie wandte den Blick weiter nach rechts. Nur ein paar dutzend Meter entfernt von ihr konnte sie eine massive doppelflügige Tür sehen, die wahrscheinlich direkt in den Empfangsbereich und damit zu Tequila führte. Gut.

In diesem Moment krachte es. Zwei bärtige Männer in flauschigen Bademänteln waren gegen die Glasscheibe gerannt. Einer von ihnen blutete aus einer Platzwunde an der Stirn.

Vor Schreck zuckte Adriana zusammen.

„Da ist sie", rief der Mann mit der Platzwunde. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass man unnatürlich viel Weiß sehen konnte. Ein Blutrinnsal bahnte sich mitten durch seinen Augenwinkel, doch das schien ihn nicht zu interessieren. Der Mann neben ihm, etwa fünfzig Jahre alt musste er sein, im gestreiften Bademantel kratzte sich wie im Wahn über sein Gesicht. „Mischblut. Vermischtes Blut. Ihr Blut!" Er deutet auf sie.

Unwillkürlich fing Adrianas Gesicht an zu brennen. Mehr und mehr Männer in Bademänteln eilten an die Scheibe. Manche deuteten auf sie, gestikulierten Halbkreise in die Luft. Kamen näher. Glücklicherweise war keine Tür zu sehen, die diesen Aufenthaltsraum mit dem Flur verband. Dennoch. Sie musste hier weg. Bei ihrem nächsten Atemzug rannte sie los. Weg von den verrückten Männern. Ja, sie musste sich in die Psychatrische Abteilung verirrt haben. Zumindest in den Gang der dorthin führte.

„Blut! Ihr Blut!", riefen die Männer hinter dem Glas immer lauter. „Unrein. Vermischt!"

Nun, das war nun wirklich nichts Neues. Allerdings: wie konnten sie das wissen? Adriana stürmte durch die Tür, warf sich geradezu gegen den Metallriegel, den man herunterdrücken musste. Dann stand sie in einem weiteren Flur. Sie ignorierte die Abzweigungen rechts und links, wagte sich einfach weiter vor durch die nächste Tür. Glücklicherweise fand sie sich danach direkt in einem Wartesaal voller Patienten wieder. Mit einem Klicken fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Von außen hatte sie keine Klinke. „Kein Durchgang" sah sie auf dem Schild an der Tür stehen, als sie zurück blickte.

Tequila jaulte und wedelte mit dem Schwanz, als sie um die Ecke bog. Die Dame am Empfang musste ihn am Halsband zurückhalten, damit er nicht losstürmte.

Adriana bedankte sich bei ihr und kraulte dann erst mal eine Weile Tequilas Hals bis sich der Hund beruhigt hatte und ihr Herzschlag ebenso. Was war da eben nur geschehen?


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Willkommen zur 3. Dämonennacht, muhahaha! Ich hoffe, es gab keine Verluste unter meinen Lesern.

Stay safe! und bis morgen <3




Dämonentage - Band 1 [Leseprobe]Where stories live. Discover now