Ein Abend voller Magie

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☆ Ein Abend voller Magie ☆


Seufzend ließ sich die junge Gryffindor in einen der großen Sessel sinken. Die letzten Stunden, die sie in der Bibliothek verbrachte, hatten gewaltig an ihr gezerrt. Doch das Fertigen der Aufsätze für Verwandlung und Geschichte der Zauberei hatte höchste Priorität und auch, wenn diese erst in zwei Wochen fällig wären, blieb ihr bis dahin genug Zeit, um sich den anderen schulischen Projekten zu widmen.
Das Feuer, das im Kamin nur noch schwach vor sich hin loderte, warf sein warmes Licht auf ihr Gesicht, das von dunklen Schatten umwoben schien. Rose Weasley fiel das Lernen bei Weitem nicht so leicht, wie es den Anschein hatte. Zwar gehörte sie zu den besten Schülern ihres Jahrgangs, doch flog ihr das Wissen nicht zu. Sie musste etwas dafür tun, damit ihre Noten stabil und auf einem hohen Level blieben.
„Da bist du ja", erschrocken fuhr sie zusammen, als sie den mädchenhaften Klang einer Stimme hinter sich vernahm. Alice Longbottom, in ihren Morgenrock gekleidet, trat auf sie zu und setzte sich auf den kleinen Hocker, der vor dem Polster stand, in dem die junge Hexe beinahe versank. „Du warst nicht beim Essen", merkte Alice an. „Warst du bis eben in der Bibliothek?"
Rose nickte schwach und rieb sich die brennenden Augen. Ihr war ganz und gar nicht nach Reden zumute. Viel zu müde war sie und erlag dem Versuch, einfach hier sitzen zu bleiben und sich nicht die Stufen hinauf in den Mädchenschlafsaal zu quälen. Doch Alice erhob sich von dem Hocker und hielt ihr die Hand hin. Rose ließ sich mitzerren, auch wenn sie nicht mehr sagen konnte, wie sie es geschafft hatte, die gewundene Treppe empor zu steigen.

„Bist du schon aufgeregt?", wollte Alice am nächsten Morgen beim Frühstück wissen.
Rose hielt in ihrem Tun, sich den Löffel voll aufgeweichter Cornflakes zum Munde zu führen, inne und blickte fragend in das Gesicht ihres Gegenübers.
Alice verdrehte die Augen, schüttelte dann jedoch mit einem Lächeln auf den Lippen, den Kopf. „Dein Geburtstag. Nächste Woche. Sag nicht, dass du ihn, wegen alldem Lernen, bereits vergessen hast?", klagte sie.
„Nein", murmelte Rose. Natürlich vergaß sie ihren Ehrentag nicht, doch gab es, gerade im letzten Jahr auf Hogwarts, noch so viel zu erledigen, dass ihr der genaue Wochentag möglicherweise entfallen war.
„Man wird schließlich nur einmal siebzehn!", verkündete Alice stolz.
„Das hast du letztes Jahr, an meinem Sechzehnten, auch gesagt", ließ Rose mit vollem Mund verlauten und schaffte es endlich, die pappigen Cerealien herunterzuwürgen. „Bekomme ich wieder eine Mimbulus Mimbeltonia?"
Alice zuckte die Schultern, grinste jedoch. Seit ihrem dritten Jahr auf Hogwarts hatte es sich das Mädchen zur Aufgabe, nein, zur Tradition gemacht, ihrer Freundin das Kaktus-ähnliche Gewächs als Geschenk zu überreichen und auch in diesem Jahr würde Alice nicht mit dieser Konvention brechen, soviel wusste Rose. Ihre Mutter verdrehte wahrscheinlich schon jetzt die Augen, wenn sie ihr das neue Geschwisterchen an Weihnachten ins Haus schleppte. Doch die allererste Pflanze stand, munter und fröhlich vor sich hin wackelnd, neben ihrem Bett auf dem Nachttischchen.
„Schon möglich", erwiderte Alice, „auch wenn deine Mum bestimmt bald keinen Platz mehr dafür hat."
Nun war es an Rose, die Schultern zu zucken. „Ich sage ihr seit Jahren, dass wir ein Gewächshaus brauchen, aber sie ist noch immer nicht ganz davon überzeugt."

Die nächsten Tage schienen wie die Wolken am Novemberhimmel an ihr vorbeizuziehen. Schule, Lernen, Quidditch ... und nur die Kreuze im Kalender verrieten, dass ihr Geburtstag immer näher rückte und sie in nicht einmal knappen acht Stunden eine volljährige Hexe sein würde.
„Hör auf, mit dem Fuß zu wippen", sagte sie, ohne von ihrem Buch aufzusehen. Ihr Tischnachbar hatte jedoch nur ein spöttisches Schnauben für sie übrig und lehnte sich in seinen Stuhl zurück. „Scorpius!", warnte sie. „Ich weiß, dass du grinst."
„Natürlich", lachte er leise, erhob sich und griff nach dem Stoß Bücher, den er gefährlich schwankend durch die Reihen trug, um die Werke wieder an ihre vorgesehenen Plätze zu schaffen. Als er erneut an den Tisch trat, und über ihre Schulter blickte, stutzte er und griff nach dem Blatt, das sie zuvor betrachtet hatte. „Und ich dachte, du schreibst etwas über Florfliegen? Tzzz ...", fragte er und zog die Augenbrauen zusammen, ehe er sein Interesse dem zuvor entrissenen Faltblatt zukommen ließ. „Da willst du hin?"
„Würde", gab sie zu und sah zu ihm auf. „Aber die Karten waren sofort weg. Und ich sitze sowieso hier fest."
The Metropolis? Nicht gerade das, was ich hören würde. Sie spielen in London? Vor Muggeln?", die Skepsis war ihm deutlich anzusehen. Eine magische Musikgruppe, die vor „nicht-Magiern" auftrat? Er konnte nicht sagen, ob diese Jungs unheimlich mutig oder unheimlich dämlich waren.
„Mir gefällt ihre Musik", gab Rose verteidigend zurück, senkte aber dann ihren Blick. „Ja, nur leider weiß niemand, wo genau. Es ist geheim. Und die Muggel ... vielleicht soll es deshalb an einem geheimen Ort stattfinden, damit die Muggel nichts davon mitbekommen."
Scorpius zuckte die Schultern und gab ihr den Flyer zurück, während die junge Gryffindor ihre Utensilien und Unterlagen zusammenklaubte.
„Weißt du, wo ich noch nie war?", fragte er und das Mädchen sah von seinem Tun auf. „London Eye."
„Echt? Noch nie?", hakte sie nach und kam nicht umhin, dass sich ein flüchtiges Grinsen auf ihre Lippen stahl.
Scorpius schüttelte den Kopf. „Nein, noch nie. Ganz ehrlich. Wenn wir mal in London sind, dann gehen meine Eltern schnurstracks in die Winkelgasse, oder bringen mich mit knapper Mühe und Not nach Kings Cross, und das, obwohl sie im Ministerium arbeiten. Verrückt, oder?", sein Lachen klang jedoch nicht heiter, sondern schwelte vor Trübsinn und Enttäuschung.
London Eye ... ich dachte, du hast Höhenangst." Verwunderung zierte ihr Gesicht.
„Habe ich ja auch. Deshalb spiele ich kein Qudditch, fasse folglich auch keinen Besen an", meinte er und zuckte die Achseln.
„Du weißt, dass London Eye ein riesiges Riesenrad ist? Es ist hoch, sehr hoch. Die Tribünen am Quidditchfeld sind Zwerge, im Vergleich dazu", eindringlich war ihr Blick, doch der Argwohn in ihrer Stimme würde ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen.
Endlich hatte sie all ihre Notizen, Pergamentrollen, Feder und Tintenfass in ihrer Tasche verstaut. Schweigend ging Rose neben ihm her. Offenbar grübelte sie noch immer über seine Worte nach.
„Würdest du mitkommen?", fragte er unvermittelt und blieb abrupt stehen.
„Mitkommen? Wohin?", hakte sie nach.
„Zum London Eye", fügte er hinzu. „Du warst doch schon mal dort, oder nicht?"
„Na ja ...", entfloh es ihr gedehnt, „also, ich stand schon oft davor. Gefahren bin ich damit noch nie. Tut mir leid, wenn du dachtest, dass..."
„Ach was, na dann umso besser!", die Freude in seiner Stimme ließ kaum den Platz für ein schlechtes Gewissen. „Und wenn mir schlecht werden sollte, hältst du meine Haare."
Ein helles Lachen erfüllte den Korridor.

Ein Abend voller MagieWhere stories live. Discover now