20. Schuldgefühle

1.6K 81 16
                                    

Es war schon wieder hell, als Hicks und Ohnezahn in Berk landeten. Zu dieser Jahreszeit war es auch nur 5 Stunden dunkel, da es auf die Tage zuging, an denen durchgehend die Sonne schien. Sie ging weder auf noch unter, sie kreiste nur am Himmel. Dabei verlor man jegliches Zeitgefühl und schlief wesentlich weniger als im Winter, wo es das genaue Gegenteil war. Je länger es hell ist, desto mehr kann man arbeiten, sagen die meisten Wikinger. So musste im Sommer die Vorarbeit für den Winter geleistet werden und das hieß oftmals, stundenlanges Holzstapeln und Fische sammeln. Zum Glück mussten die Drachenreiter dieses Jahr nur die Vorräte besorgen, die sie für sich selber brauchten und was sie davon nicht fanden, nahmen sie von Berk mit.

Hicks machte sich auf den Weg zum Haus des Häuptlings, in der Hoffnung, dass dieser schon wach war. Dort angekommen, durchsuchte er hektisch das ganze Haus, fand aber nicht mehr als ein paar Brotkrümel auf dem Esstisch. Also wieder nach draußen und dort weiter suchen. Aber wo? Sein Vater könnte überall sein. Auf dem Marktplatz vernimmt Hicks dann ein paar Geräusche, die die anderen leicht übertrumpften. Der Klang von Schlägen von Metall auf Metall. Zu gut kannte er diesen von seiner Zeit als Grobians Lehrling. Genau genommen war er das immer noch, aber er hatte kaum Zeit Grobian in der Schmiede zu helfen. Er hechtete in die Schmiede und fand Grobian vor, der wie erwartet ein Schwert schmiedete. Als er Hicks entdeckte, stoppte er allerdings sofort seine Arbeit.

"Schön, dass du dich auch mal wieder blicken lässt. Ist 'ne Weile her seit-" "Jaja, ich weiß schon. Hast du meinen Vater gesehen? Ich brauche ihn und Schädelbrecher. Dingend!" Hicks war es egal, was Grobian sagen wollte, alles, was für ihn gerade zählte war Astrid. Seine Schuldgefühle wurden größer und größer, solange er nicht etwas unternehmen konnte. Er wünschte inzwischen, mit ihr nicht diesen Flug gemacht zu haben. Es wäre alles so viel einfacher gewesen, aber zu dem Zeitpunkt wusste er noch nicht, was die Beiden erwarten würde. "Langsam, langsam. Beruhige dich erst einmal, du bist ja ganz außer Atem." Hicks schnaufte wirklich sehr stark, nachdem er durch das halbe Dorf gesprintet war und dabei den Namen seines Vaters gerufen hatte. Aber wie gesagt, war ihm das alles egal. "Keine Zeit. Wo ist er?!", sagte er ungeduldig. Dass Grobian in aller Ruhe mit seiner Arbeit fortfuhr und das Schwert auf den Schleifstein legte, machte Hicks verrückt. "Der ist mit Schädelbrecher ein Runde fliegen, sollte aber bald wieder zurück sein. Am besten wartest du hier, er wollte danach hierher kommen." Als Antwort schlug Hicks wütend auf den Tisch neben ihn. Musst sein Vater gerade jetzt nicht hier sein. Jetzt, wo er ihn einmal wirklich braucht. Grobian sah den Ausdruck auf seinem Gesicht. Man hätte meinen können er explodiert gleich vor Wut. Die Zähne zusammengebissen und die Fäuste geballt sah er auf den Boden. Er wollte ruhig bleiben, aber die Situation ließ es einfach nicht zu.

"So hab ich dich ja noch nie erlebt. Was ist denn los bei euch?" Hicks hatte keine andere Wahl als hier zu bleiben, bis sein Vater kommt. Selbst, wenn er ihn auf Ohnezahn suchen würde, hätte er ihn nur mit sehr viel Glück gefunden. Der Himmel war zu groß. Er sagte nichts, sondern sah kurz zu Grobian auf und dann wieder zurück auf den Boden. Doch Grobian verstand auch ohne Worte, was in Hicks' Kopf vorging. "Ich kenne diesen Gesichtsausdruck von deinem Vater. Ist schon einige Jahre her, aber ich habe ihn nicht vergessen. Es war zu der Zeit, als deine Mutter von einem Drachen entführt wurde. Wenn er gekonnt hätte, hätte er jeden Winkel der Erde abgesucht, um sie zu finden. Er war verzweifelt und gab sich selbst die Schuld dafür, auch wenn es gar nicht seine Schuld war. Also, was auch immer mit Astrid passiert ist, ich bin mir sicher, du trägst nicht die Schuld." Das alles war zu viel für Hicks. Er sackte auf dem Boden zusammen und vergrub das Gesicht ihn den Händen. Mit Tränen in den Augen schaute er nach einiger Zeit wieder hoch und sagte mit leiser Stimme zu Grobian: "Aber es war meine Schuld. Es ist alles meine Schuld." Eine Träne lief seine rechte Wange herunter und er schluchzte einmal, bevor er sagte: "Dagur hatte uns gefangen genommen und da wir das Drachenauge nicht dabei hatten, wollte er Astrid solange bei sich behalten, bis ich ihm es bringe. Ich dachte, ich könnte ihn täuschen und habe erzählt, wie sehr ich Astrid..." Seine Stimme brach bei diesem Namen ab und er konnte nicht mehr weitererzählen. Ohnezahn war inzwischen auch in die Schmiede gekommen und stubste seinen besten Freund mitleidig an. Dieser atmete einmal tief ein und fuhr dann fort. 

"Ich hab ihm gesagt, ich würde sie hassen und, dass er mir einen Gefallen damit tun würde. Ich dachte, so würde er sie nicht mehr haben wollen, aber er sperrte sie trotzdem ein. Dann hab ich mit ihm ein Geschäft ausgemacht, damit er mich überhaupt wieder freilässt. Warum musste ich diesen bescheuerten Plan haben? Ich hab damit alles schlimmer gemacht. Astrid hasst mich jetzt sicher und wer weiß, wann wir sie finden werden." Seine Wangen waren überstömt von Tränen und er schluchzte nur noch mehr. Grobian trat neben ihn und legte seine gute Hand auf Hicks' Schulter. "Es ist Astrid. Ihr wird nichts passieren, das kann ich dir versichern. Und wenn du ihr erst einmal alles erklärt hast, wird sie es verstehen und dir verzeihen." Für Hicks war das zwar eine schöne Vorstellung, aber aus seiner Sicht äußerst unwahrscheinlich, aber wenn er Grobian die ganze Geschichte erzählen würde, würden nur Fragen aufkommen, die er jetzt nicht beantworten wollte. Eine Frage hatte er allerdings noch selber. "Woher hast du überhaupt gewusst, dass es um Astrid geht?" 

Auch wenn es überhaupt nicht zur Stimmung passte, fing Grobian das lachen an. "Dein Vater war auch so fixiert darauf, seine Liebste zu retten." Mehr sagte er dazu nicht und war nur gespannt auf Hicks' Reaktion. Er wusste, wie sehr er sich um Astrid sorgte und, dass Hicks sie mehr mögen muss, war ihm schon von Anfang an klar. "Wie-woher weißt du das?", fragte Hicks ein bisschen entsetzt. Er hatte immer gedacht, niemand würde darüber Bescheid wissen und er würde das gut verstecken. "Das war doch mehr als offensichtlich. Mich würde es nicht wundern, wenn das gesamte Dorf weiß, dass ihr euch sehr mögt. Sogar dein Vater hat es irgendwann bemerkt und mich danach gefragt. Wir hatten gehofft, jetzt wo ihr mehr oder weniger alleine seid, passiert da mal etwas zwischen euch." Hicks konnte nicht glauben, was er eben gehört hatte. Jeder wusste es, nur sie selber nicht? War das wirklich so offensichtlich? "Naja, genau genommen-", er wurde von einer Drachenlandung draußen unterbrochen. Sofort vergaß er, dass er Grobian gerade noch den Rest der Geschichte erzählen wollte und stürmte, gefolgt von Ohnezahn, die Tür hinaus. Dort fand er endlich seinen Vater. Endlich kann er etwas unternehmen.


Wie es sein könnte (hiccstrid)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt