Prolog

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Da saß ich nun in der Sky Bar im 24. Stockwerk. Martin hatte mit mir Schluss gemacht. Ich hatte nicht geheult, hatte keine Freundin angerufen, mit niemandem darüber gesprochen. Was hatte ich gemacht? Ich hatte mich angezogen, mich geschminkt und war in die nächstgelegene höherklassige Bar gegangen.

Warum? Naja, keine Ahnung. Vielleicht wollte ich mich einfach nur volllaufen lassen? Vielleicht wollte ich mir aus Trotz den nächstbesten Typen aufreißen und mit ihm eine wilde Nacht verbringen? Vielleicht wollte ich aber auch einfach nur nicht allein sein...

Ich brauchte das jetzt. Ich brauchte die tanzenden, plaudernden Menschen um mich herum, das Vibrieren der Wände wegen der lauten Musik, das dumpfe Licht der bunten Scheinwerfer.

All das beruhigte mich irgendwie. Es wiegte mich in einer weichen Wolke. Ich wollte in dieser Wolke bleiben.

Der Kellner brachte mir meinen dritten Martini. Gerade als ich ihn nehmen wollte, schnappte ihn sich eine zierliche Hand neben mir.
Mein Blick flog über den zugehörigen Arm zum Gesicht zu der Person. Es handelte sich um eine junge Frau, Mitte zwanzig, schlank, grüne Augen, blonde Locken, rundes Gesicht, Stupsnase.

"Hey, das ist mein Martini", schnauzte ich sie an.
"Ist ja gut. Immer mit der Ruhe.", entgegnete sie. Mit der lauten pulsierenden Musik im Hintergrund konnte ich sie trotz Brüllen beinahe nicht verstehen.

Ich war anscheinend wirklich schlecht drauf. Sie schob mir mit verdrehten Augen den Martini zu. Ich betrachtete das kegelförmige Glas vor mir. "Du hast Recht", sagte ich. "Das ist dein Martini. Ich hatte einen ohne Olive bestellt."

Die Blondine grinste. Sie nahm den Zahnstocher, auf dem die Olive aufgespießt war. Sie zog die Olive mit den Zähnen vom Zahnstocher, schluckte sie als Ganzes hinunter und leckte sich danach mit der Zungenspitze über die Oberlippe.

"Tut mir leid, dass ich dich so angefahren bin. Meine Laune ist nicht die Beste. Mein Freund hat heute mit mir Schluss gemacht", entschuldigte ich mich. Warum erzählte ich ihr das? Sie war eine Fremde.
Die Blondine setzte sich zu mir. "Na dann erzähl mal."

Ich sah sie zwei Sekunden lang fassungslos an. Dann fing ich wie selbstverständlich an zu erzählen: "Wir waren drei Jahre zusammen und es war eigentlich immer alles gut. Nur in den letzten zwei Monaten war es nicht mehr so wie früher. Und heute ruft er plötzlich wie aus dem Nichts an und sagt mir, das es aus ist. Am Telefon!" Ich schnaubte und schüttelte den Kopf.

Während ich erzählte, hatte sie sich mein Martiniglas genommen und davon getrunken.

"Und jetzt kommst du hier her und willst dich volllaufen lassen?", fragte sie.

Ich sah sie nachdenklich an und entgegnete: "Eigentlich weiß ich gar nicht, was ich hier will."

Die Blondine nickte verständnisvoll. "Ich weiß, was du willst. Du willst dich ablenken"

"Gut möglich", sagte ich. "Aber irgendwie schaffe ich das nicht. Ich muss die ganze Zeit an Martin denken."

“Liegt es vielleicht daran, dass du Martinis trinkst?“ Die Blondine sah mich mit ihren katzengrünen Augen an. "Vergiss ihn. Wenn er dich nicht haben will, dann ist er ein Vollidiot und eine Beziehung mit einem Vollidioten brauchst du wirklich nicht."

"Ich hab sowieso fürs Erste die Schnauze voll von Männern."

Blondi schlug mit der Faust auf die Tischplatte. "Gute Einstellung. Wer braucht schon einen Mann, um glücklich zu sein?"

Ich seufzte. Sie hatte Recht. Nachdem ich wieder vom Boden aufblickte, sah ich ihr verspieltes Grinsen.

"Hast du Lust, es mal mit einer Frau zu versuchen?", fragte sie.

Ich verschluckte mich an meinem eigenen Speichel und hustete.
"Wie heißt du überhaupt?“

CassyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt