I | Reinblüter

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»Ravenclaw wäre eine gute Wahl für Sie. Ihre Gier nach Wissen und Ihr Drang immer die Beste zu sein – Sie machen unserer lieben Rowena beinahe Konkurrenz … Aber man könnte diese Eigenschaften auch mit Ehrgeiz abstempeln … Ich glaube, wir sollten auch noch die beiden letzten Häuser ausprobieren. Wenn mich nicht alles täuscht, wäre das jetzt am besten für Sie … SLYTHERIN!«

Ohne jegliche Begründung, ohne jegliche Erklärung hatte der Sprechende Hut diese Entscheidung getroffen, was von den üblichen Anwesenden Hayley wohl am meisten verwirrte.

***

Das Gleis 9 3/4 war wie jedes Jahr überfüllt von Schülern und ihren Familien. Erstklässler, die aufgeregt umher huschten – kleine Geschwister, die neidisch schmollten und jammerten – Mütter, die den Tränen nahe standen und ihren Kindern Ermahnungen gaben – und Väter, die stolz auf ihre Nachfahren hinabblickten. Das war die eine Art von Abschied.

Unter Zauberern und Hexen, die eine etwas andere Erziehung genossen hatten, verlief dieser Abschied allerdings einigermaßen anders ab.

»Hör mir gut zu, dieses Jahr wirst du in Slytherin verbringen, also bitte ich dich, deinem Namen und dem Gründer selbst gerecht zu werden. Hast du mich verstanden?«, sprach einer dieser Frauen zu ihrer dreizehnjährigen Tochter.

»Selbstverständlich, Mutter«, erwiderte diese höflich.

»Und denk dran, dass du –«

»Cassiopeia«, unterbrach ein blonder Mann seine Gattin, »bisher hat sie uns noch nie enttäuscht. Jahrgangsbeste, immer höflich, und sie wird von jedem Professor gemocht. Eigentlich verstehe ich nicht, weshalb du dir überhaupt Sorgen machst.«

Die Angesprochene seufzte ergebend. »Ich weiß das doch, Jonathan. Aber es ist nun mal mein Haus, das meiner Familie …«, kurz hielt sie inne, »Ich will doch nur, dass sie ihren Namen angemessen vertritt.«

»Wenn du Name sagst, meinst du nicht meinen, sondern deinen oder irre ich mich?«, stellte er mit einem wissenden Blick fest.

»Nein, Jonathan. Aber ich will einfach, dass sie –«

»Ich verstehe dich schon, Peia, aber so, glaube ich, wirst du es nicht erreichen, wenn du sie unter Druck setzt«, meinte er liebevoll.

Mrs Campbell nickte verstehend und versuchte es erneut. »Hayley, versuch bitte einfach so weiter zu machen wie die beiden Jahre zuvor.« Daraufhin schloss sie ihre Tochter in eine Umarmung und flüsterte ihr leise zu, sodass ihr Gatte es nicht hören konnte: »Trotz allem würdest du deine Mutter besonders glücklich machen, wenn du dieses Jahr äußerst gut darauf Acht geben würdest.«

Hayley nickte ihrer Mutter kaum merklich zu, als diese sich von ihr löste. Zugegebenermaßen hätte sie mit solchen Worten bereits rechnen können. Ihre Mutter würde sich in dieser Hinsicht nie ändern. Ob das gut war oder nicht, darum wollte sie sich im Moment keine Gedanken machen.

Nachdem ihr Vater sich ebenfalls von ihr verabschiedet hatte, stieg das junge Mädchen mit einem unguten Gefühl in den Zug ein. Trotz den aufmunternden und nachsichtigen Worten von Mr Campbell lag aber eine große Last auf Hayleys Schultern. Sie durfte ihre Familie nicht enttäuschen. Am meisten jetzt, wo sie sich allgemein in einer unangenehmen Situation befand, war es ihr nicht erlaubt noch mehr Aufsehen auf sich und ihre Familie zu ziehen. Zwar sagte ihre Großmutter mütterlicherseits immer, dass es gut war, wenn die Mitmenschen viel über einen sprachen, trotzdem gab es auch in dieser Hinsicht gewisse Grenzen, die eingehalten werden mussten. Hayley fürchtete, dass sie diese Grenzen bereits überschritten hatte.

»Kannst du nicht aufpassen!«, riss eine männliche Stimme sie aus ihren Gedanken.

Ein kleiner Zusammenstoß mit einem anderen Schüler brachte sie leicht zum Schwanken, doch glücklicherweise konnte sie einen Aufprall auf dem Boden noch verhindern.

Die wahre GryffindorWhere stories live. Discover now