Teil 2

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"Hey, Jacky."

Ich schaue zu meinem überdimensionalen Kleiderschrank, aus dessen Tür der Kopf meines Bruders schaut, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Seine braunen Haare stehen zerzaust von seinem Kopf ab, seine brauenen Augen schauen mich funkelnd an.

"Jack!", sage ich erfreut, strahle ihn an, freue mich immer wieder ihn zu sehen, auch wenn ich das jeden Tag tu. Die geheime Verbindung von seinem Zimmer zu meinem war eine super Idee! Ja, wir haben unsere Zimmer verbunden. Er kommt in meinem Kleiderschrank heraus - der kein normaler Kleiderschrank ist, sondern ein Raum für sich - und ich komme in seiner Wand raus, vor der sein Kleinderschrank ist, von dem wir die Rückwand entfernt haben, damit ich auch bei ihm reinkomme. Verbunden sind die Räume durch eine Feuerwehrleiter, die nicht gerade leicht vor Bernd zu verbergen war, wir es aber dennoch geschafft haben, als beide für drei Tage mit Josh weg waren. Nur wir beide wissen davon. Genial oder? So können wir unsere drei Mittbewohner immer herrlich verarschen, wenn sie uns suchen. Ich kletter schnell zu Jack runter, wenn Katrin mich in meinem Zimmer sucht, dann klettern wir beide wieder hoch in mein Zimmer, wenn sie Jack fragen will, wo ich bin. Das machen wir so lange, bis wir bei de auf unseren Betten liegen, so tun als wären wir nie wo anders gewesen.

Ich stoße mich von meiner Tür ab, schlender zu meinem Sofa, wo ich mich gemütlich darauf fallen lasse, auf Essen herabblicke. Mein Bruder lässt sich neben mich fallen. Wäre er nicht mein Bruder, würde ich mich sofort an ihn ranmachen. Es ist eine Schande, dass er so schnell so heiß wurde und noch dazu mein Bruder ist. Könnte es nicht mein Stiefbruder sein? Ich werde verrückt. Jetzt habe ich schon Gedanken, wie heiß mein Bruder doch ist. Ich muss dringend jemanden kennenlernen, aus diesem Haus rauskommen. Mal wieder einen anderen Typen sehen, außer meinen Bruder und mit dem flirten.

"Hast du heute Abend etwas vor?" Ich schiele mit einem leichten, wissenden Lächeln zu meinem neben mir sitzenden Bruder, der mich schelmisch angrinst.

"Wieder sie selbe Nummer, wie in Düsseldorf?", frage ich.

"Jap."

"Alles klar." Ich lehne mich erfreut zurück, lege meinen Kopf auf seinen Arm ab, der fast auf meinen Schultern liegt. Erst jetzt wird mir bewusst, dass das wahrscheinlich viel zu viel Nähe für Geschwister ist, aber um ehrlich zu sein kennen wir es nicht anders. Also ich meine...ach egal. Ich kann einfach nicht erklären. Ich weiß auch gar nicht wieso ich mir einen Kopf darum mache, habe ich das sonst auch nie gemacht.

Plötzlich zieht er seinen Arm sachte weg, steht auf, streckt sich und geht auf meinen Kleiderschrank zu. "Ich ruf dich an." Das waren seine letzten Wort, ehe er die Tür hinter sich schließt. Ich stehe ebenfalls auf und lasse mich mit einer eleganten Bewegung schwungvoll auf meinen Drehstuhl fallen, drehe mich um zweihundertssiebzig Grad und schalte meinen PC an, den ich von meinem Dad bekommen habe, als Geburtstagsgeschenk zu meinem achtzehnten. Ich will gar nicht wissen wie viel das Teil gekostet hat, bei der Leistung, die es hat, doch ich mach euch nichts vor. Ich kenn mich mit solchen Dingen nicht aus, weiß jedoch, was alles darin ist, aber anzufangen weiß ich damit nichts. Hergeben will ich ihn nie wieder. Auf einmal erscheint mein Skypeton. Sofort stöpsel ich mein Headset an, um dann den Anruf anzunehmen, der von meinem Bruder kommt.

"Hey, was wollen wir zocken?", frage ich meinen Bro.

"Wie wäre es wenn wir zuerst GTA 5 zocken und dann Minecraft?"

"Hört sich gut an. Kommt Dad auch noch dazu?" Mein Blick wandert zu seinem Profilbild in unserer Skypegruppe, das mir zeigt, dass er den Anruf noch nicht angenommen hat.

"Wenn er Bock hat, kann er ja dazu kommen." Jack hat also auch wenig Hoffnung, dass Dad zu uns dazustößt.

Damit ist alles geregelt. Das Zocken ist nur Ablenkung für Katrin und Bernd. Wenn sie sehen, dass wir zocken, lassen sie uns den Rest des Abends in Ruhe, stören nicht, wissen, dass es bis spät in die Nacht gehen wird. Der perfekte Plan, um sich aus dem Haus zu schleichen. Jack nimmt das ganze immer auf, um es auf YouTube zustellen, es gibt sogar recht viele Leute, die den Scheiß anschauen, unser Geschwafel ertragen. Ich sehe nur einen Sinn hinter den Videos. Ablenkung. Wenn wir weg sind, hauen wir eine Playlist rein, die dann abgespielt wird, sodass die Erwachsenen nicht mitbekommen, dass wir weg sind. Wenn wir zocken, dann sind wir auf keinen Fall leise, aber auch nicht übertrieben laut, sonst bekommen wir Anschiss, weil Josh nicht beim Schlafen gestört werden soll. Der Jung ist acht Jahre alt, besitzt bereits einen eigenen PC, ein Handy, ein Tablett und ein Notebook. Mein erstes Handy habe ich mit dreizehn bekommen. Einen eigenen Laptop vor vier Jahren und den PC nur durch meinen Dad. Dadurch, dass Jack und ich nie Bock haben mit Josh zu spielen, spielen wir meist erst spät Abends und wenn wir doch mal gezwungen werden mit Josh zu zocken, dann ignorieren wir ihn meist, hintergehen ihn oder ärgern ihn, weil wir sein Geschrei lustig finden. Ein guter Grund, wieso wir ihn auch in Reallife Streiche spielen. Ach ja, es gibt nichts besseres als Josh zu schikanieren.

"Hey J., ist es Zeit?" Ich werfe einen schnellen Blick auf die Uhr. Zweiundzwanzig Uhr. Es ist soweit. Schnell gewinnen wir die Runde Bedwars. Zusammen sind wir unschlagbar. Ich beende Minecraft und Skype, gehe dafür aber auf YouTube, wo ich unsere neue Playlist suche, die ich sofort abspielen lasse. Dann gehe ich schnell in meinen Kleiderschrank, um mich umzuziehen. Gerade als ich nur in Unterwäsche da stehe, geht die Falltür auf und Jack kommt rein. Wahrscheinlich hätte ich ihn anschreien sollen, dass er rausgehen soll, nur macht es mir nichts aus. Er ist doch nur mein Bruder. In Bikini hat er mich auch schon oft gesehen, wozu da ausflippen?

"Bist du fertig?"

"Dumme Frage. Sehe ich so aus?" Er schüttelt nur den Kopf und geht weiter. Schnell krame ich mir eine Röhrenjeans und ein Top raus. Dann folge ich meinem Bruder in mein Badezimmer, wo ich mir ein wenig MakeUp ins Gesicht klatsche. "Weißt du schon, wo es hingeht?", frage ich ihn, werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Das passt.

"Nope. Aber da lässt sich bestimmt schnell was finden."

"Hast du nicht mal im Internet nachgeschaut?", frage ich.

"Nö. Wieso auch? Wir kennen uns hier doch gar nicht aus, kennen keine Straßennamen. Das mussten wir in Düsseldorf doch schon feststellen."

Er hat ja recht. Dann eben wieder eine spontane Suche.

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