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Ich lag in meinem Bett.
Starrte die Decke an.
Starrte weiter.
Kannte inzwischen jede Maserung und jeden Flecken auf den Holzbalken.
Nicht nachdenken, einfach starren.
Doch es ging nicht, so sehr ich auch versuchte, die Gedanken fernzuhalten, sie kamen.
Leise schleichend, wie ein Löwe, der sich zum Sprung bereit macht.

Mum hatte mehrmals versucht mit mir zu reden.
Halt! Sie ist nicht deine Mutter.
Sie ist eine Lügnerin und ein Freak.
Genau wie Merlin.
Ich hatte Katherine immer wieder angeschrien, bis ich irgendwann auf mein Zimmer geflüchtet war.

Seitdem starrte ich die Decke an.
Warum ich?! Warum immer ich?!
Ein leises Klopfen ertönte.
Ich gab keine Antwort.
Trotzdem wurde die Tür zögernd geöffnet.
"Emilia? Bitte lass uns reden."
Ich drehte den Kopf zur Seite.
Ich würde ihm nicht die Genugtuung geben meine Tränen zu sehen.
Er hat dich belogen. Die ganze Zeit. Dein ganzes Leben haben die beiden dich belogen.
Als er sich zögernd an mein Bett setzte, wollte ich schreien.
Zwei Menschen, die mir mehr als alles andere im Moment am Herzen lagen, hatte es nie wirklich gegeben. Sie waren nur Schatten gewesen, die sich an jenem Abend im Wohnzimmer in Luft aufgelöst hatten.
Alles in mir sträubte sich vor Schmerz.
Doch ich blieb stumm.
"Lia. Bitte"
Jetzt kamen mir wirklich die Tränen. Noch nie hatte ich jemanden so flehen gehört znd noch nie war ich irgendjemands Lia gewesen.
Irgendwie gefiel es mir aus seinem Mund.
Vergiss nicht wer er ist.
"Bitte. Vergib mir. Es tut mir so leid. Bitte"
Irgendetwas in seinem Ton veranlasste mich doch den Blick auf ihn zu richten.
Er klang wie ein Vogel, dem man die Federn ausgerissen hatte und der nun versuchte zu fliegen.
Gebrochen.
Es veränderte etwas in mir. Das war nicht die Stimme eines Lügners, sondern eines zutiefst verzweifelten Menschen.
Da machte es 'Klick'.
Wie dumm bin ich eigentlich?
Er hatte mir das Leben gerettet und war immer für mich da gewesen.
Hatte mir so vertraut, das er mir sogar sein Geheimnis anvertraute.
Und ich?
Ich hatte ihn beleidigt, ausgenutzt und verletzte ihn nun auch noch.
Das hat er nicht verdient. Niemand hat mich verdient.
Wo immer ich hinkomme. Überall tue ich den Menschen weh.
Das durfte ich nicht. Mit welchem Recht tat ich das alles?
Ich hatte weit mehr Scheiße in meinem Leben gebaut als die beiden die einmal einen Fehler gemacht hatten.
Ok, einen großen.
Aber hatte ausgerechnet ich ein
Recht dies zu beurteilen.
So musterte ich sein trauriges Gesicht.
Seine Augen waren auf nich gerichtet und eine Distanz schimmerte darin die ich nicht einordnen konnte.
Es brach mir das Herz.
"Hey.", wisperte ich.
Überrascht schaute er auf. Als ich nicht geantwortet hatte, hatten sich seine Augen auf einen nur für den ihn sichtbaren Punkt gerichtet.
"Alles gut."
Zwei Worte.
Mehr war nicht nötig und ich fand mich zum dritten Mal in einer sanften aber festen Umarmung wieder.
Ich fühlte wie er den Kopf in meinen langen blonden Haaren vergrub und mich festhielt als wollte er mich nie wieder loslassen.
Obwohl er mir alles mögliche verschwiegen hatte, verzieh ich ihm.
Und in diesem Moment, hatte ich das Gefühl, endlich etwas richtig in meinem Leben gemacht zu haben.
"Lia. Wir wollten dich nie verletzten. Oder dich belügen.
Katherine wird immer deine Mutter bleiben und du immer ihre Tochter. Eure Liebe ist nicht durch Blut bestimmt.
Und sie hat dich immer geliebt wie eine Tochter."
Stumm rann mir eine Träne die Wange hinunter.
"Danke", flüsterte ich an seiner Schulter.

Langsam stieg ich die Treppe herunter.
Katherine stand in der Küche und kochte irgendetwas Undefinierbares.
Merlin war duschen gegangen und ich hörte das sanfte Wasserrauschen aus dem Bad.
Es überdeckte meine leisen Schritte und Kath merkte nichts, bis ich fast vor ihr stand.
"Mum", hauchte ich sanft.
Ich konnte einfach nicht anders.
Vor Schreck ließ die die Schöpfkelle, mit der sie grade ungerührt hatte, mit einem lauten Platschen in das braune Etwas fallen.
Sie sah mich eigenartig an.
Klar, bei dem was ich ihr alles an den Kopf geworfen habe.
Entschlossen holte ich Luft.
Ich könnte sie jetzt auch für immer verlieren.
Doch ich war eine Kämpferin. Und so nahm ich allen Mut zusammen und sprach.
Wörter waren nur gehaucht doch sie verstand sie.
"Es tut mir leid. Was auch immer du getan hast, oder tust oder wer auch immer du bist.
Du wirst immer meine Mutter bleiben."
Erleichterung überflutete ihr Gesicht und ich zog sie in meine Arme so wie Merlin vornst bei mir.
Ich bettete meinen Kopf an ihrer Schulter, wie ich es als kleines Kind immer getan hatte.
Sie weinte.
Aber aus purer Freude.
Sanft tätschelte ich ihren Rücken.
Meine sonst so starke Mutter war nervlich am Ende.
Nur ich konnte sie trösten.
"Hey. Nicht weinen Mum."

"Und du glaubst wirklich, das ich in deiner Prophezeiung gemeint bin?"
Skeptisch sah ich Merlin an.
Sein vom Duschen nasses Haar kringelte sich leicht in seiner Stirn und schimmerte tiefschwarz.
Ich musste dem Drang widerstehen ihm durch die Haare zu wuscheln.
Mum saß neben mir auf dem Sofa und sah mich amüsiert von der Seite an.
Klar, das ihr sowas mal wieder auffällt. Mütter!
"Emilia?"
Merlins fragende Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
"Tschuldigung. Was hast du gerade gesagt."
"Ich sagte daran besteht kein Zweifel, da du Kilgharrah, den Feuerdrachen, auch in deinen Träumen sahst und er es ebenfalls bestätigt hat. Du hast ein Schicksal."
Schweigend dachte ich nach. Es stimmte, doch es zu glauben fällt einem immer schwer.
Auf einmal fielen mir die Worte des Drachen wieder ein.

~Kein Mensch und mag er noch so groß sein, kann sein Schicksal kennen. Das Leben mancher wurde vorhergesagt. ~

Gilt das auch für mein Leben?
Kann man sich denn seinem Schicksal entziehen?
Genau diese Frage stellte ich Merlin.
"Nein. Dein Weg liegt vor dir. Was auch immer du tust, es wird richtig sein und was geschehen muss, muss geschehen."
Ich dachte nach.
Ich hatte keine Ahnung worum es hier gehen würde, nur das ich Arthur zum erneuten Leben verhelfen sollte und Merlin alle Hoffnung vergangener Jahrhunderte auf mich setzte.
Und meine Alpträume.
Ich wollte das sie aufhören, egal wie.
Außerdem war ich immer der mutige Typ gewesen. Ein Draufgänger.
Ich hatte mich im letzten Jahr verloren.
Doch dank der Hilfe der beide Menschen hier im Raum, wusste ich wieder wer ich war.
Ein Blick in Merlins blaue, geheimnisvolle Augen genügte.
Er hatte alles für mich getan.
Ich schuldete ihm einen Gefallen.
Ob ich zurückkehren würde spielte für mich keine Rolle.
Es gab nichts mehr auf dieser Welt aus meine Mum und Merlin für mich.
Und der Gedanke an ein Abenteuer brachte mich zum grinsen.
Tief holte ich Luft.
Mein Leben lag als eine Weggabelung vor mir.
Nur ich konnte bestimmen, welchen ich gehen würde.
Den mir bekannten oder den geheimnisvollen unbekannten.
Die beiden sahen mich erwartungsvoll an.
Ich hob den Kopf und sah Merlin tief in die Augen.
Mein Herz schlug ein paar Takte schneller.
Doch meine Entscheidung stand fest.
Ich würde keine Angst haben.
Mein Herz war stark, denn ich war mit dem mächtigsten aller Könige verwandt.
Und so setzte ich in Gedanken meinen Fuß auf den unbekannten Weg.

"Sag mir Merlin, was muss ich tun?"

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Wie findet ihr das? Überzeugend genug?

The fire of Albion ~ a Merlin FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt