Wie erwartet: Bücher.
Unzählige.
Alt, fast zerfallen, als hätten sie seit Jahrzehnten darauf gewartet, endgültig vergessen zu werden.
Und dann entdeckte ich sie – eine Karte.
So groß, dass sie beinahe die halbe Wand einnahm.
Ich trat näher.
Zu meinem Glück zeigte sie Veyth City.
Nicht aktuell, nein. Die Straßen waren teilweise längst umbenannt, ganze Viertel verschwunden oder ersetzt.
Aber die Grundlinien stimmten noch.
Und dort, deutlich eingezeichnet: die Bibliothek selbst.
Endlich wusste ich, wo ich war.
Ein kaltes Lächeln zog an meinen Lippen.
Zwischen all dem Verfall hatte ich wenigstens einen Fixpunkt gefunden.
Einen Anker im Maul der Stadt.
Ich war zu müde, um den Rückweg jetzt noch anzutreten.
Ich hoffte, Jolika ging es gut.
Ich hoffte, sie hatte nichts Dummes gemacht.
Hoffte, sie war einfach dort geblieben, wo ich sie zurückgelassen hatte. Auf der Couch.
Reglos. Wartend.
Kaum hatte ich die Augen geschlossen, waren sie schon wieder auf.
Der Schlaf hatte mich verschluckt und sofort wieder ausgespien.
Ich lag auf dem staubigen, morschen Boden der Bibliothek, meine Glieder schwer, der Geschmack von Rost und Papier in meiner Kehle.
Als ich aufsah, war die Sonne bereits dabei, erneut unterzugehen.
Ein ganzer Tag – verschluckt.
Die Sorge um Jolika stach mir wie Nadeln ins Genick.
Ich sprang auf, taumelnd, und ging hastig zur Karte zurück.
Dort suchte ich nach Orientierung, nach einem Fixpunkt, der mir den Weg wies.
Das Motel.
Ja – ich erinnerte mich an den Bahnhof in der Nähe.
Von dort aus konnte ich den Rückweg finden.
Ich riss die Tür auf, als würde sie mich gefangen halten, und trat hinaus in die Dämmerung.
Die Straßen wirkten enger, die Schatten länger.
Doch ich ließ mich nicht aufhalten.
Mein Herz schlug zu schnell, die Pfeife in meiner Tasche drückte schwer gegen meine Rippen.
Ich war aufgeregt.
Nicht, weil ich Angst hatte, mich zu verirren –
sondern weil ich nicht wusste, wie es Jolika ergangen war.
In meinem schnellen Tritt verlor ich jedes Zeitgefühl.
Plötzlich stand ich am Bahnhof.
Ich sah mich um – Möwen kreisten über den verrosteten Dächern der Züge, ihre Schreie hallten wie gebrochene Stimmen durch die Leere.
Gänsehaut kroch mir den Rücken hinab, als ich im Augenwinkel eine Maske sah.
Metall. Pro Auge ein rotes Visier, glühend, drohend.
Ich riss den Kopf herum – doch da war nichts.
Nur der Wind, nur Schatten.
„Bitte... lass es die Paranoia sein."
Wenn Rasp bereits auf mich aufmerksam geworden war, wäre das ein noch schlechteres Zeichen, als ich ertragen konnte.
Ich zwang mich, weiterzugehen.
Eine Treppe hinab, hinein in eine Straße, in der die Menschen wie eine Flutwelle auf mich zuströmten.
Ich drängte mich hindurch, gegen ihre Körper, gegen ihre Blicke, bis ich endlich das Motel sah.
Endlich.
Ein Atemzug später stand ich vor unserer Tür.
Ich griff in meine Tasche, suchte fieberhaft nach dem Schlüssel – nichts.
Verloren. Verschwunden.
Ich begann wie wild gegen die Tür zu hämmern.
„Jolika!"
Keine Antwort.
Verzweifelt lehnte ich mich zum Fenster, spähte durch den Spalt in den Gardinen.
Dort – im Badezimmer – sah ich sie.
Jolika.
Auf einem Hocker, ihr ganzer Körper zitterte wie ein Marionettengerüst kurz vor dem Bruch.
Ich hämmerte ans Glas, schrie ihren Namen.
Sie versuchte, den Kopf zu mir zu drehen – doch es gelang nicht.
Starr, verkrampft, als hätte sie schon wieder eine Fehlfunktion.
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Strings of Control
HorrorWas hat mich wirklich motiviert, sie zu erschaffen? War es Neugier? Macht? Einsamkeit? Vielleicht eine Mischung aus allem. Oder hab ich sie einfach nur zu sehr vermisst? Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie weiß nicht, was sie ist. Nicht wirk...
