Ich stand auf, trat ans Fenster, wo der schwache Schein der Stadt in den Vorhängen hing. Dann wandte ich mich zu ihr um.
„Gut. Morgen wirst du es beweisen. Nur klein. Unauffällig. An der Frau an der Rezeption. Du wirst sie etwas fragen, und sie wird dir antworten, ohne zu begreifen, dass sie dir mehr gegeben hat, als sie wollte."

Ich sah, wie ihre Hände zitterten.
War es Nervosität? Oder nur ein Defekt im Gelenk?
Ich konnte es nicht sagen.

Aber das war egal.
Morgen würde ich es wissen.

Ab und zu war sie mir immer noch zu menschlich.
Zu viel Blick, zu viel Regung, zu viel Eigenes.
Aber ich mache mir nicht die Mühe, das jetzt zu ändern.
Solange ich meine Rache bekomme, ist es egal.

Ich schlief in dieser Nacht nicht.
Ob Jolika sich ausgeschaltet hatte, wusste ich nicht.
Sie saß nur da – starr – und fixierte den schwarzen Fernseher, als würde er ihr etwas zuflüstern, das nur sie hören konnte.

Als die Sonne aufging, beugte ich mich zu ihr hinunter.
„Du wirst jetzt für ein paar Stunden allein sein", sagte ich.
Ungewiss, ob sie mich überhaupt hörte.
Ich verstand meine Schöpfung nicht.
Manchmal gab sie Zeichen, die so eindeutig wirkten: aktiv, wach, bereit.
Und im nächsten Moment ignorierte sie mich, als wäre ich nur noch Luft.

Ich verließ das Zimmer, schloss die Tür hinter mir und ging den Flur entlang.
An der Rezeption vorbei, stellte ich mich ans Fenster.
Dort wartete ich.

Ich rauchte.
Viermal entzündete ich meine Pfeife, vielemale blies ich den Rauch hinaus.
Die Zeit zog sich, klebrig, langsam, bis sich endlich unsere Zimmertür öffnete.

Jolika.
Sie trat hinaus – zögerlich, aber doch bestimmt.
Meinen alten Fischerhut hatte sie sich tief über das Gesicht gezogen.
Zu groß für ihren Kopf, und doch wirkte es fast wie Tarnung.

Sie hüpfte die Treppe hinunter, Schritt für Schritt, und steuerte direkt auf die Rezeption zu.
Ich hörte nur ein leises „Hallo" aus ihrem Mund, bevor die Tür hinter mir ins Schloss fiel und alle weiteren Worte nur noch dumpf an mein Ohr drangen.

Nachdem ich die ersten Sätze der beiden nicht ausreichend verstand, entschied ich mich zu gehen.
Ich würde Jolika später fragen, was genau sie gemacht hatte.

Jetzt hing ich mich erst einmal hinein in die große Stadt.
Veyth City wirkte wie ein gigantisches Maul, das nur darauf wartete, dich zu verschlingen.

Je tiefer ich ging, desto unwohler wurde mir.
Die Straßen waren wie Adern, die mich immer weiter in ein Herz aus Dreck und Lärm trugen.
Ich hatte das Gefühl, mich längst verlaufen zu haben – aber das spielte keine Rolle.
Ich ging einfach weiter.

Ein wirkliches Ziel hatte ich nicht.
Doch ich hielt die Augen offen – nach dem, was man mit seiner „Tochter" tun könnte.
Etwas, das den Schein wahren würde.

Meine Blicke schweiften:
Ein Spielplatz, vollgesprüht, die Schaukeln rostig, Graffiti über jede Fläche gekratzt wie Narben.
Ein Kino, dessen Fassade so bröckelig wirkte, dass man nicht wusste, ob es noch Filme zeigte – oder längst eine Ruine war.
Und in der Ferne: ein Flugplatz, verlassen, sicher schon seit Jahrzehnten ungenutzt, die Startbahn voller Unkraut.

Zwischen den Häuserzeilen glommen neue Experimente.
Hologramme, die man offenbar testete – Werbung, tanzende Gestalten, flackernde Filmplakate, die im Nieselregen wie Gespenster wirkten.
Ihre Farben zerbrachen im Tropfenlicht, verzerrt, als würden sie den Regen selbst verachten.

Ich ging weiter.
Weiter, tiefer hinein in das Maul.
Auf der Suche nach einer Aktivität.
Auf der Suche nach Tarnung.
Auf der Suche nach einem Plan, der mich noch nicht gefunden hatte.

Strings of ControlWhere stories live. Discover now