Kapitel VIII

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Wir waren zu dem Schluss gekommen, dass wir auf den Berg der Unendlichkeit steigen würden, um nachzusehen, ob es irgendwo noch unversehrtes Land gab. Dorthin würden wir dann gehen.
Ich hatte Angst.
Die anderen hatten Digimon, um sie zu beschützen und für sie zu kämpfen. Aber konnten sieben Digimon acht Menschen beschützen?
Irgendwann würde ich den anderen zur Last fallen. Sie würden ohne mich weitergehen. Ich musste mein Digimon finden. Und mein Wappen. Würde ich das Digimon vor meinem Wappen finden? Ich wusste nichts. Die Zukunft war unbekannt. Das war es, was mir am meisten Angst machte. Zu lange hatte ich mich von einem Tag zum nächsten gekämpft, um diese Ungewissheit ertragen zu können.
Jetzt lag ich wach, während alle anderen zu schlafen schienen. Ich stand auf, weil ich es satt hatte, mich hin und her zu wälzen.
Als ich eine Weile in die entgegengesetzte Richtung des Berges ging kam ich an einen Strand. Das Meer war wunderschön, ein klares Blau, die einzige Farbe, die ich in der Digiwelt bis jetzt gesehen habe.

Nachdem ich mich dort auf einen großen Felsen gesetzt hatte, bemerkte ich, dass mein geliebter MP3-Player in Soras Zimmer lag. Seit der Zeit, als ich immer alleine war, hatte ich immer Musik dabei. Wenn ich keine Musik hören konnte, war die Welt so unendlich still, dass ich mich sofort einsam fühlte. Ich hatte zwar fast keine Musik von Bands mit Gesang, aber ohne Text konnte ich die Melodien besser auf meine Stimmung beziehen.
Ich hatte ganze Playlists mit den Namen "Traurig", "Wütend", "Einsam" und seit ich bei Omi war auch eine namens "Geborgen". In den letzten Tagen hatte ich auch eine mit dem Motto "Glücklich" begonnen.
Ohne meinen MP3-Player würde ich es hier nicht lange aushalten, das wusste ich.
Mal wieder fing ich wegen einer Kleinigkeit an zu weinen.

Viel zu spät bemerkte ich, dass jemand hinter mir stand. Früher hätte ich ihn schon Minuten vorher bemerkt. Die kurze Zeit mit den anderen hatte mich unvorsichtig werden lassen. In diesem Fall war es zwar nicht schlimm, da sich herausstellte, dass es Matt war, doch wenn es jemand fremdes gewesen wäre, hätte mich diese Unaufmerksamkeit in große Schwierigkeiten bringen können.

"Kannst du nicht schlafen?"
Es war zwar süß, dass er sich Sorgen um mich machte, aber es ging ihn wirklich nichts an! Er war nur ein Jahr älter und trotzdem versuchte er bereits, sich den Beschützer raushängen zu lassen.
"Lass mich in Ruhe!" war daher die einzige Antwort die er von mir bekam.
Doch anders als von mir gewohnt und erhofft ging er nicht.
Stattdessen setzte er sich neben mich und legte sanft einen Arm um mich. Wenn es eine Sache gab, die sich seit unserer ersten Begegnung nicht geändert war, dann waren es meine Gefühle gegenüber Umarmungen.
Ich versuchte, mich zu befreien, doch als er mich an seine Brust zog war die Panik plötzlich verschwunden. Dieser Junge, der kaum älter war als ich, gab mir ein noch stärkeres Gefühl der Geborgenheit, als es meine alte, weise Omi je konnte.
Ohne es zu merken schmiegte ich meinen Kopf in seine Halsbeuge.
Er lächelte. "Was wolltest du denn eigentlich hier?"
Oh. Was wollte ich nochmal? "Ich wollte Musikhören. Mich beruhigen. Zuhause höre ich normalerweise Rund um die Uhr Musik!"
"Wirklich? Was hörst du denn so? Kenne ich die Band?"
"Ich höre keine Bands! Nur instrumental!"
"Darf ich mir das mal anhören?" Traurig schüttelte ich den Kopf. "Mein Player liegt bei Sora zuhause."
Er sah mich mitleidig an. "Kannst du deshalb nicht schlafen?" Als ich nicht antwortete holte er etwas aus seiner Tasche. "Darf ich dir etwas vorspielen? Vielleicht hilft es."

Es war eine Mundharmonika.

So kam es, dass ich mit Matt am Strand saß und seiner Musik lauschte. Er spielte wunderschön und schon nach wenigen Minuten war ich an seiner Schulter eingeschlafen.

Digimon-Special AdventureWhere stories live. Discover now