Die Nacht war staubig, trocken und laut. Irgendwo in den Slums von Tijuana bellte ein Hund, das Rattern eines alten Generators zerriss die Stille. Cassidy stieg vom Bike, schob den Hut tiefer in die Stirn und prüfte seine Munition. Drei Kontakte hatten ihm unabhängig voneinander denselben Tipp gegeben: eine rothaarige Frau, die in einem alten Lagerhaus südlich der Stadt gesehen worden war. Allein, bewaffnet, vorsichtig.
Zu gut, um wahr zu sein.
Aber er konnte nicht anders. Nicht bei ihr.
Die Halle lag still, ein Schatten aus Beton und Blech. Die Fenster waren zerschlagen, der Boden gespickt mit Scherben, leeren Patronenhülsen und altem Blut. Cassidy trat durch die Tür, seine Hand am Revolver. Er bewegte sich leise, wie ein Wolf auf Beutezug.
„Alice...?" raunte er ins Dunkel. Keine Antwort. Nur ein leises Ticken.
Dann schlug die Falle zu.
Eine Druckmine explodierte knapp hinter ihm, schleuderte ihn durch die Halle. Er krachte gegen eine Säule, verlor kurz die Orientierung – und als er die Augen wieder öffnete, blickte er in vier Gewehrläufe. Keine Overwatch-Uniformen. Keine Gnade in den Augen.
Verdammt.
Sie hatten ihn erwartet.
„Wir haben ihn", sagte einer der Angreifer ins Funkgerät. „Bestätigt. Overwatch-Agent. Der Köder hat funktioniert."
Cassidy spuckte Blut und versuchte aufzustehen, aber ein Schlag mit dem Gewehrkolben riss ihn zu Boden. Ketten rasselten. Sie legten ihm Fesseln an – keine normalen. Diese hier waren EMP-gedämpft. Sorgfältig. Sie wussten genau, wen sie da hatten.
„Schön, dass du nach ihr suchst, Cowboy", zischte einer. „Aber deine Alice ist längst nicht mehr dieselbe."
Fast zeitgleich, etwa drei Kilometer entfernt, landete ein Dropship auf einem Hochhaus. Echo, Winston und Tracer sprangen heraus – alarmiert durch Cassidys Funkstille. Sie wussten, dass er allein losgezogen war. Wieder mal.
„Sein Signal ist schwach", sagte Winston, während er das Tablet überprüfte. „Aber es bewegt sich nicht. Das ist kein gutes Zeichen."
„Ich hab ein ganz mieses Gefühl bei der Sache", murmelte Tracer. „Er ist doch kein Idiot."
„Aber stur", ergänzte Echo, ihre Stimme leise. „Und wenn es wirklich um Alice geht..."
Alle nickten. Sie wussten um seine Geschichte mit ihr. Winston war es, der schließlich das Kommando gab: „Wir holen ihn da raus. Sofort."
Zurück im Lagerhaus wurde Cassidy auf die Knie gezwungen. Vor ihm stand nun ein Mann mit Halbmaske, elegant gekleidet, aber mit kalten, toten Augen.
„Du hast geglaubt, du findest sie hier?", fragte der Mann ruhig. „Tut mir leid, McCree. Sie hat uns dieses Geschenk gemacht – deine Obsession."
Cassidy spuckte ihm vor die Füße. „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, bring ich dich um."
Ein Grinsen.
„Oh, wir haben sie nie berührt. Noch nicht. Aber du... wirst ihr kleiner Warnschuss sein."
Ein metallisches Klicken. Eine Waffe wurde an Cassidys Kopf gelegt.
Dann – ein Zischen. Eine Rauchgranate flog durch das Fenster, zerplatzte in einer Explosion aus Dampf und Flammen. Verwirrung. Schüsse. Chaos.
„Overwatch!" brüllte jemand.
Winston krachte durch eine Seitenwand, Tracer blinkte durch das Gewirr wie ein Blitz, Echo stieg in die Luft und deckte die Gegner mit gezielten Lasersalven ein. Cassidy rollte sich zur Seite, suchte Deckung – doch er war noch gefesselt, schwer verletzt. Einer der Feinde hob die Waffe, richtete sie auf Winston – zu nah, zu schnell.
Und dann geschah es.
Ein Schuss, präzise wie ein Messerstich. Der Angreifer fiel rückwärts, direkt vor Winstons Füße. Stille.
Winston blickte auf.
„Was war das?"
Tracer drehte sich um – und da war sie.
Am Rand der Halle, im Halbdunkel. Umriss einer Frau. Rote Haare, zusammengebunden. Revolver noch erhoben.
Alice.
Sie sagte nichts. Kein Heldenspruch, kein Lächeln. Nur ein einziger Blick zu Jesse – kurz, schmerzlich, intensiv.
Dann verschwand sie in der Dunkelheit, wie ein Schatten im Rauch.
Cassidy lag keuchend am Boden, immer noch gefesselt, aber am Leben. Winston kniete sich zu ihm, legte eine Hand auf seine Schulter.
„Du hast uns was zu erzählen, hm?"
Cassidy nickte schwach, seine Augen immer noch auf den Ort gerichtet, wo sie gestanden hatte.
„Sie lebt", flüsterte er. „Und sie hat mir das Leben gerettet."
ВЫ ЧИТАЕТЕ
Memory of a Ghost- Overwatch FF
ФанфикшнManchmal kreuzen sich Wege, die besser nie hätten zusammentreffen sollen. In einer Welt voller Geheimnisse, Schuld und unausgesprochener Wahrheiten begegnen sich zwei Menschen, gezeichnet von Vergangenheit und Pflicht. Dies ist eine Geschichte von J...
