White Girl

Chapter 1

„Kindchen was hast du wieder angestellt"

Lachend tritt sie näher an mich ran und betrachtet mein Kunstwerk von Haar. Vorsichtig beginnt sie, an einzelnen Stellen meiner verfilzten Haare zu zupfen.

„Ich wollte bloss nur mein Haar kämmen... und wie es danach ausgieng, kannst du dir wahrscheinlich vorstellen", entsetzt griff ich mir an den Kopf.

Mit meinen Nerven am Ende schaue ich in den Spiegel auf. Olivia steht hinter mir; dunkle Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken, welche auch aus weiter Entfernung gut zu erkennen sind; Glänzende Augen, mit einem Lächeln geschmückt.

Nach einigen Minuten der Folter und unzähligen Fluchwörtern hat es Olivia geschafft, meine Haare zu entwirren und sie anschliessend zu glätten.

„Ich wüsste nicht was ich ohne dich machen würde Olivia."

Ich drehte mich peinlich berührt zu ihr um.

„Das möchte ich auch gerne wissen!"

Sie beginnt das Badezimmer zu reinigen, währendem ich eilig über den noch kalten Parkettboden zurück in mein Zimmer husche. Aufgrund der heutigen Festlichkeiten kann ich nicht wie gewohnt lockere Cargo Hosen und ein Shirt anziehen, wie ich es mir sonst auch erlaube; Dem Kleidungsprotokoll habe ich noch nie grossem Respekt erwiesen. Da jedoch heute Wölfen aus dem ganzen Königreich Einlass ins Schloss gewährt wird, muss ich mich gezwungener Massen an die Vorschriften halten.

Die kunstvoll mit Stickereien und Perlen verzierte Tracht hängt bereits auf einem Seidenbügel  in meinem Ankleidezimmer. Es war ein wunderschönes hellgraues, wenn nicht schon fast weisses Kleid. Das Korsett ist mit regionalen Edelsteinen verziert, welche alle einen unterschiedlichen Erdton tragen. Sie sollen die Verbundenheit meiner Familie mit Mutter Natur repräsentieren. Die Steine werden nach unten immer weniger und kleiner und bilden so einen flüssigen Übergang zum Rock. Sie stellen das königliche Muster dar, welches jedes unserer formellen Kleider schmückt. Dieses wird oft mit Stickereien oder auch wie heute mit Edelsteinen kunstvoll dargestellt. Der Rock ist mit sanften weissen und silbernen Stickereien geschmückt. Das Highlight; Das weisse durchsichtige Seidentuch welches mir von hinten über die Schultern gelegt wird. Anschliessend wird es um meinen Oberkörper gewickelt, so dass es Flach meinem Körper anliegt. Am Rücken wird das Seidentuch mit einer silbernen Familienbrosche befestigt. Die übrige Seide wirkt anschliessend wie eine Schleppe. Jedes Familienmitglied besitzt die selbe Brosche. Frauen tragen sie mittig am Rücken in der Höhe der Tallie; Männer tragen Sie auf ihrer rechten Schulter.

Fertig angezogen, machte ich mich auf den weg zum Frühstückstisch. Ich kann Mutter und Vater jetzt schon hören, wie sie sich über meine Unpünktlichkeit ärgern und darüber diskutierten, dass solch ein Benehmen von einer Prinzessin nicht geduldet werden kann.

Man hört meine eiligen Schritte im Gang, als ich aus meinem Zimmer trete und mich auf den Weg zum grossen Speisesaal mache. Für Aussenstehende wirkt mein Leben verwöhnt und unkompliziert. Doch was viele nicht wissen, welch eine Last auf einem liegt, egal wohin man geht. Dein Name steht in allen Geschichtsbüchern. Jeder kennt deine Familie, was es dir unmöglich macht, unbekannt zu bleiben. Egal was du tust, jeder deiner Handlungen werden streng beobachtet und kritisiert. Man soll immer schön lächeln, freundlich sein, aufrecht gehen, die königlichen Pflichten nicht verletzen, pünktlich erscheinen und noch Vieles mehr gehört zu deinem Alltag. Dir ist es nicht erlaubt deine Meinung zu äussern, weder dich deinen Pflichten für eine kurze Zeit zu entziehen.

Nur in der Menschenwelt sowie in den weiter entfernten Rudeln gelten wir als Mythos. Wir seien bloss nur eine Erzählung, nicht real und einst vor Jahrhunderten, ein Hirngespinst eines alten kranken Mannes gewesen. Doch zu unserer Missgunst, glauben bereits auch einzelne Menschen an unsere Existenz und versuchen dem auf die Spur zu kommen. Erst vor kurzer Zeit stiessen sie auf alte Verzeichnisse. Verzeichnisse mit Bildern und Informationen über die Königsfamilie, dessen Inhalt über Zweihundert Jahre alt ist. Seither konnten sie noch weitere Dokumentationen in ihren Besitz nehmen, welche unsere Existenz bestätigen sowie unseren Standort auf ein kleines Waldgebiet begrenzt.