White Girl

Chapter 1

Ich falle – Unsanft werde ich aus dem Schlaf gerissen. Immer noch leicht verwirrt richte ich mich auf und komme langsam zu klarem Gedanke, was soeben geschehen ist. Ich fiel aus meinem Bett. Genervt und immer noch leicht schlafgetrunken setzte ich mich auf die Kante meines Bettes. Wie fast jeden Morgen schimmert die Sonne durch die weissen Vorhänge, welche das grosse Fenster meines Zimmers verdecken. Von draussen ist ein beruhigendes rauschen der Baumkronen zu hören. Mein Fenster war die ganze Nacht geöffnet, wodurch jetzt mein Zimmer von einem kühlen frischen Morgenduft umhüllt ist. Die kühle Luft rüttelte mich sanft aber doch penetrant zurück in das Hier und Jetzt.

Müde stehe ich langsam auf und mache mich auf den Weg ins Bad, mich für den Tag bereit zu machen. Meine Beine; tot vom gestrigen Training, zu welchem ich nach mehreren mühsamen Überzeugungsversuchen trotzdem erschienen war. Die Schuld liegt an Louis, mein bester Freund, einer meiner wenigen Freunde hier im Palast. Er hatte es wieder geschafft, wie in der Vergangenheit bereits schon oft, mich zu etwas zu überzeugen, was ich nie freiwillig gemacht hätte. Ich solle doch mehr Sport treiben, das hälfe meinem Wolf, hatte er gesagt. Es wäre ein befreiendes Gefühl Sport zu treiben, hatte er gesagt. Das einzig befreiende an Sport ist, wenn ich wieder damit aufhören kann! Ich und Sport passen einfach nicht zueinander. Ich bin zwar sportlich, jedoch bringen mich keine hundert Pferde dazu freiwillig Kraft- und Ausdauerübungen zu machen.

Seit dem Louis zum nördlichen Wachposten umquartiert wurde, habe ich niemanden mehr, der mich zum Sporttreiben motivieren könnte. Dass ich in den letzten Monaten mit dem Training nachgelassen habe, muss ich ihm jedoch zustimmen. Er fehlt mir sehr, doch ich freue mich für ihn. Dadurch dass er auf diesen Wachposten aufsteigen konnte, wird er besser bezahlt und kann sich somit ein besseres Leben leisten.

Heute ist ein wichtiger Tag! Die neu ausgebildeten Wölfe werden dem König vorgestellt und in die jeweiligen Abteilungen eingestuft. Wer sich qualifiziert, findet einen Platz im königlichen Haushalt. Eine Grosszahl von Vorteilen stehen einem zur Verfügung, welche jedoch auch mit vielen Einschränkungen verbunden sind.

Noch immer müde und schlapp, stütze ich mich am Waschbeckenrand ab und blicke in den vor mir hängenden Spiegel. Doch das, was ich dort erblicke, ist alles andere als anschaulich. Meine weissen Haare sind zu einem grossen Haarball mutiert und stehen mir nun von allen Seiten vom Kopf ab. Geschockt und entnervt fasse ich mir in meine Haare, welche wie an auch sonst so manchen Tagen im Jahr völlig verknotet sind.

Ich fasse neben mich, um nach dem, wie immer am gleichen Ort platzierten, Kamm zu greifen und lasse ihn in meine Haare gleiten. Mein Versuch meine Haare zu kämmen, wird von einem lauten Knacken unterbrochen.

„Ach komm schon nicht schon wieder, das ist jetzt schon der dritte Kamm diese Woche!"

Ich schmeisse den Stiel an die Wand und versuche verzweifelt den Rest des Kamms, der in den untiefen meiner Haare verloren gegangen ist, zu finden... und hoffentlich wieder zu lösen.

Unterdessen ist schon über eine halbe Stunde vergangen. Der Kamm immer noch fest an meinen Schädel verankert, wenn nicht sogar betoniert. Ich sollte schon längst unten am Frühstückstisch sein mit meinen Eltern sowie Geschwistern, den Zwillingen.

Ein Klopfen ertönte und meine Kammerzofe oder "Handlangerin", wie sie meine Eltern immer nennen, tritt in mein Zimmer ein.

„Gott sei dank, Olivia du must mir helfen!"

Olivia war schon seitdem ich ein Kind war, meine Kammerzofe. Sie ist wie eine zweite Mutter für mich. Ihre langen braunen Haare trägt sie jeden Tag in einer lockeren Flechtfrisur. Sie hat zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen und wohnt zusammen mit ihrem Mann im anliegenden Dorf. Olivias Augen funkeln in einem wunderschönen Grün und es scheint so, als könne ihr niemand das Lachen stehlen.