Was ist Zionismus?

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Der Begriff "Zionismus" tauchte erstmals 1890 auf. Der jüdische und österreichische Schriftsteller Nathan Birnbaum erfand diesen Neologismus und unterzeichnete zwei Jahre später einen Text namens Prinzipien des Zionismus. "Zion" ist in Bittgebeten der Name für Jerusalem, wenn sich der Betende im Exil befindet. Der Begriff hat also eine sehnsüchtige Konnotation.

Später übernahm Theodor Herzl den Begriff. Dieser erfindet auf ideologischer Ebene nichts, als er sein Werk Der Judenstaat im Jahr 1895 veröffentlicht. Er gibt jedoch dieser noch wenig strukturierten Idee eine politische Ausrichtung. Aus diesem Grund gilt er als "Gründungsvater" des (politischen) Zionismus angesehen wird. Vor ihm hatten aber schon andere ähnliche Vorstellungen konzipiert: Moses Hess (Schüler von Friedrich Hegel und Freund von Karl Marx), Joseph Salvador, Judah Alkalai oder Zwi Hirsch Kalischer. Ihre protozionistischen Ideen führten jedoch zu keinen Umsetzungen.

1881 wurden jüdische Menschen verdächtigt, an der Ermordung von Zar Alexander II beteiligt zu sein. Dies führte in Russland zu einer Welle von Pogromen, die mehrere Jahre andauerten. Ein Teil der jüdischen Bevölkerung sah sich gezwungen, das Land zu verlassen und fand vor allen in den USA, aber auch in Westeuropa und Lateinamerika Zuflucht.

1881 war auch das Jahr, an dem Chibbat Zion (auf Deutsch: Zionliebe) entstand, die erste zionistische Gruppe. Sie war ebenfalls für Auswanderung, aber nicht in die USA oder Europa, denn sie hatten nur ein Zielort vor Augen: Eretz Israel (das Gebiet, in dem die Israeliten nach biblischer Darstellung lebten - auch als "Heiliges Land" bekannt).

Die Mitgleider von Chibbat Zion waren der Meinung, dass jüdische Menschen - anstatt sich anderen Nationen anzuschließen, wo sie immer wieder diskriminiert wurden - in ihrem antiken Heimatland vereinen sollten, um der Zeustreuung jüdischer Menschen ein Ende zu setzen.

Antisemitismus als Ursache für Zionismus ist vielleicht ein Faktor, aber keine ausreichende Erklärung: Jüdische Menschen wurden schon an vielen Zeitpunkten der Geschichte vertrieben und im Allgemeinen diskriminiert, ohne dass es zum Zionismus führte.

Der Zionismus ist entstanden, weil jüdische Menschen an den politischen, ideologischen, wirtschaftlichen und kulturellen Veränderungen teilgenommen haben, die das moderne Europa geprägt haben: Er hätte sich nicht entwickeln können, wenn Europa nicht das Konzept der Nationalstaaten erfunden hätte.

Zionismus ist also eine Nachahmung der Nationalbewegungen im 19. Jahrhundert, bei denen Bevölkerungen bestrebt waren, ihre Identitäten zu definieren und zu behaupten.

Unter dem Einfluss des Völkerfrühlings begannen also manche jüdische Menschen zu glauben, dass sie sich von einer rein religiösen Definition ihrer Identität lösen und sich besser dem Prinzip der Nationalität anpassen sollten.

Also haben zwei kulturelle Strömungen das Aufkommen des Zionismus begünstigt:

Die Aufklärung hat den Zionismus inspiriert, indem sie dazu beitrug, dass sich jüdische Menschen nach Selbstbestimmung, Freiheit und aktive Teilnahme in der Menschheitsgeschichte. Der letzte Punkt bricht mit der traditionellen jüdischen Auffassung, dass die Gemeinschaft sich aus weltlichen Angelegenheiten heraushalten sollte, um sich auf spirituelle Belange zu konzentrieren. Die Romantik hat dem aufkommenden Zionismus das Bewusstsein über eine kulturelle Einzigartigkeit verliehen. So konnten sie eine Nation durch ein altes Erbe, eine gemeinsame Geschichte sowie ein Zugehörigkeitsgefühl, das mit einem gemeinsamen Vorfahren verbunden ist, definieren. Es ist die Romantik, die den Wunsch weckte, die hebräische sprache wiederzubeleben.

Um Zionismus zu verstehen muss man auch wissen, dass die Errichtung eines jüdischen Staates auf Eretz Israel Szenen aus der Bibel nachbilden soll (das babylonische Exil, das durch die Rückkehr nach Zion ab 538 v. Chr. endete und der Auszug Abrahams aus Ägypten ins Heilige Land).

So modern der Zionismus in seinen angewandten Mitteln ist, ist Zionismus mit alten Glaubüberzeugungen und Erwartungen verbunden, die durch die religiöse Tradition übermittelt wurden.

Der Zionismus ist also sowohl etwas Altes, als auch etwas Modernes Schon der Name verbindet zwei Epochen: Zion (biblischer Begriff aus der Antike) und -ismus (Suffix, das die Moderne kennzeichnet).

Dieser Oxymoron ist auch im Begriff Altneuland zu finden mit dem Herzl seine Vision des erfolgreichen Zionismus beschrieben hat. 

Es gibt kein Zionismus ohne folgendes:

Die Aneignung von Eretz Israeldie Bildung einer jüdischen Nationdie Schaffung eines unabhängigen Staatesdie Wiedergeburt der hebräischen Sprachedie Berufung, die in der ganzen Welt verstreuten jüdischen Menschen zu versammeln

Der Zionismus wurde schon immer in Frage gestellt: von innen, also von jüdischen Menschen, aber auch von außen.

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