Teil 1

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Der Tag begann wie gewohnt: Ich machte mich bereit, um im Café meiner älteren Brüder zu kellnern. Ich zog meine Schürze an und schlenderte durch die leeren Straßen, während ich Musik hörte. Nach etwa 10 Minuten war ich dort, stellte meine Tasche in der Garderobe ab und füllte die Bar mit neuen Getränken auf. Ich wusste, dass meine Brüder in zwielichtigen Geschäften tätig waren – Drogenhandel, Waffenbesitz und all das –, aber das war mein Alltag, und schließlich sind sie meine Brüder. Verraten würde ich sie nie.


Mein Bruder Kazim kam mit drei seiner Leute ins Café. Malik und Hamza kannte ich schon, aber der dritte war mir neu. Alle drei sahen angespannt und nervös aus. "Akhi?", fragte ich, "ist alles in Ordnung?" und stellte ihnen eine Tasse Çay auf den Tisch. "Ja, alles gut, Nour. Mach dir keine Sorgen, es ist nur das Übliche, du weißt schon," sagte Kazim. "Also muss ich mir keine Gedanken machen? Hallo, Malik und Hamza. Und du, kennen wir uns? Dich habe ich noch nie gesehen," wandte ich mich an den unbekannten Jungen. Er schien ziemlich jung zu sein, etwa in meinem Alter, also zwischen 20 und 25 Jahren. Da meine Brüder deutlich älter waren, fand ich das ein wenig merkwürdig. "Ich bin Jamal," stellte sich der Junge vor, seine Stimme ruhig, aber mit einem Hauch von Unsicherheit. Ich nickte und versuchte, mir sein Gesicht einzuprägen. Die Tatsache, dass er ungefähr in meinem Alter war, machte mich neugierig. Was machte ein Typ wie er in den Kreisen meiner Brüder?Kazim, der immer die Ruhe selbst zu sein schien, wechselte das Thema. "Hey, Nour, könntest du uns vielleicht noch ein paar Çay bringen? Wir haben eine lange Nacht hinter uns." Seine Augen sagten mehr, als seine Worte es je könnten."Natürlich," antwortete ich und eilte zur Bar, um die Bestellungen zu erledigen. Dabei hielt ich Jamal im Auge. Etwas an ihm war ungewöhnlich, aber ich konnte nicht genau sagen, was es war. Vielleicht würde ich es bald herausfinden.


Ich brachte die Tassen mit heißem Çay an den Tisch, an dem Kazim und seine Leute saßen. Malik und Hamza griffen sofort zu, aber Jamal wirkte abgelenkt, als würden ihm tausend Gedanken durch den Kopf gehen. Ich fragte mich, ob er vielleicht neu im Geschäft war oder einfach nur in einer schlechten Lage steckte.Kazim sah auf seine Uhr, dann sah er zu Jamal. "Junge, entspann dich. Wir sind hier sicher. Nour kümmert sich um uns," sagte er mit einem leichten Lächeln. Aber seine Augen zeigten, dass es mehr war als nur ein freundliches Gespräch. Da lag eine unterschwellige Spannung in der Luft, als wäre etwas Großes im Gange.Jamal nickte langsam und nahm endlich einen Schluck von seinem Çay. Er sah sich um, als wollte er sicherstellen, dass niemand sie beobachtete. Ich merkte, dass auch Malik und Hamza plötzlich vorsichtiger waren, ihre Körpersprache angespannt und wachsam. Ich entschied mich, das Café im Auge zu behalten, während ich weiter meiner Arbeit nachging. Ich kannte mein Bruder gut genug, um zu wissen, dass sie nur so taten, als wäre alles in Ordnung. Irgendetwas brodelte unter der Oberfläche, und ich wollte herausfinden, was es war, bevor es außer Kontrolle geriet. Mir ging nur ein Gedanke durch den Kopf: "Wir sind hier sicher? Wovor sollen wir denn sicher sein?" Plötzlich betraten fünf weitere Jungs das Café. Ich kannte die meisten von ihnen, aber normalerweise tauchten sie selten hier auf, und schon gar nicht alle gleichzeitig.

 Das konnte nur bedeuten, dass etwas nicht stimmte. Ich wurde ein wenig nervös.Alle standen auf und begrüßten sich. Auch meine beiden anderen Brüder, Omar und Yussuf, tauchten auf. Ich gab jedem von ihnen kurz die Hand, immer noch leicht verwirrt, und zog Yussuf beiseite. "Yussuf, kannst du mir mal erklären, was hier los ist?" fragte ich laut.

"Schrei nicht, Mädchen, das geht dich nichts an," sagte er schroff und schlug meine Hand von seinem Arm. Dann verließ er die Lagerhalle und ging zurück zu seinen Leuten. Ich blieb verdutzt zurück und blickte Yussuf nach, als er aus der Hintertür verschwand. Es war nicht ungewöhnlich, dass meine Brüder Geheimnisse hatten, aber die plötzliche Anspannung im Raum machte mich nervös. Was auch immer hier vorging, es schien ernst zu sein.Ich atmete tief durch und entschied, dass ich besser einen Schritt zurücktrete. Das letzte, was ich wollte, war in irgendetwas hineingezogen zu werden, was ich nicht verstand. Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir klar, dass ich schon längst mitten drin steckte. Meine Brüder, ihre Freunde, die geheimnisvollen Treffen im Café – alles war miteinander verbunden.Ich nahm einen weiteren Auftrag für einen Tisch auf und versuchte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Doch meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Warum waren heute so viele Leute hier? Was hatte Yussuf so wütend gemacht? Und warum sagte Kazim, dass wir hier sicher seien? Sicher vor wem oder was?Während ich die Getränke servierte, überlegte ich, ob ich jemandem vertrauen konnte, um mehr herauszufinden. Doch ich wusste, dass das eine gefährliche Linie war, die man nicht einfach überqueren konnte. Dennoch konnte ich nicht anders, als darüber nachzudenken, was wirklich hinter all dem steckte. Und ob ich wirklich so sicher war, wie Kazim behauptete. Ich bemerkte, dass Jamal aufstand und nach der Toilette suchte. Ich entschied, ihm den Weg zu zeigen und hoffte, dass ich dabei vielleicht etwas von ihm erfahren könnte. „Die Toiletten sind auf der anderen Seite des Flurs", sagte ich und deutete in die entsprechende Richtung. Jamal nickte mir dankbar zu und ging los. Ich beschloss, ihm nach einer kurzen Pause zu folgen, um ein unverbindliches Gespräch zu beginnen. Vielleicht könnte ich ihn dazu bringen, mir mehr über das Treffen und die ungewöhnliche Anspannung im Café zu verraten.Ich wartete ein paar Minuten, dann ging ich ebenfalls in Richtung Toilette. Ich konnte Jamal nicht sehen, aber ich hörte Wasser laufen und dann das Geräusch einer Tür, die geöffnet wurde. Als ich um die Ecke bog, kam Jamal gerade aus der Toilette heraus. Er schien überrascht, mich zu sehen, aber ich lächelte freundlich.„Alles okay?" fragte ich beiläufig. „Du wirkst ein wenig angespannt."Jamal zuckte mit den Schultern. „Es ist nichts. Nur ein langer Tag."Ich nickte und versuchte, nicht zu aufdringlich zu wirken. „Ich verstehe. Wenn du etwas brauchst oder einfach nur reden willst, ich bin hier."Jamal schien etwas sagen zu wollen, hielt sich aber zurück. Schließlich murmelte er: „Danke, ich werde es mir merken." Doch bevor er gehen konnte, hörte ich plötzlich ein lautes Knallen von vorne.

Der Junge aus dem KartellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt