31 - Clara de Flocon

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„Sie scheinen mir beide etwas angespannt", macht Joey. „Ich weiß, es klingt ein bisschen doof, aber Atemübungen ..."

„Ich atme dich gleich weg", droht Matt und Joey verstummt, um beleidigt seinen Yogi Tee zu trinken.

„Folgender Plan", spreche ich Matt an. „Ich begleite Joey zu Okrys. Er ist in derselben Interessensgemeinschaft zu KI Themen wie einer meiner Profs. Zu dem habe ich einen guten Draht, da komme ich auf jeden Fall irgendwie rein."

„Das stimmt", bestätigt Joey. „Ich wollte sowieso fragen, ob du mitkommen ..."

„Adadadada", macht Matt und winkt dem Psychologen, dass er die Klappe halten soll.

„Es gefällt mir zwar nicht, aber das ist ein guter Plan", sagt er zu mir. „Nur unbewaffnet würde ich das Haus an deiner Stelle nicht mehr verlassen. Gänseblümchen hier kann nämlich sicher nicht schießen und wenn Okrys Verbindungen zu irgendjemandem auf der Auktion hatte, dann hat das vielleicht auch der Rest der Nerds."

„Wissenschaftler."

„Nerds mit Geld."

Es ist klar, dass ihm missfällt, was wir vorhaben, aber allein daran, dass er nicht mehr darauf besteht, mich zu begleiten, erkennt man wie sehr sich die Lage schon wieder gewandelt hat. Wie viel mehr Zeitdruck wir haben und, dass wir mehr in Erfahrung bringen, wenn wir getrennt arbeiten. Darf ich nochmal anmerken, dass ich keinerlei Ausbildung im Department erhalten habe? Was mach ich hier? Darauf hat mir immer noch niemand eine Antwort gegeben und irgendwann habe ich einfach aufgehört zu fragen. Wahrscheinlich war das ein Fehler, aber beinahe explodierende Städte lenken leider etwas ab.

„Du gehst deine Verschwörungstheoretiker auskundschaften und ich nehme mir Garcia vor. Da steht sowieso schon länger ein zivilisiertes Gespräch aus."

„Passt für mich", bestätige ich, während Hendrik mit einem Haufen dampfender Zimtschnecken in den Armen hereinschwebt und sie vor und abstellt. Außerdem nimmt er Avas nicht angerührten Kaffee wieder mit.

„Sieh's positiv", sagt Matt, steht auf, reicht dem Oktopus auf seiner Schulter eine Zimtschnecke und setzt ihn auf dem Tisch ab. „Wahrscheinlich hast du es entspannter als ich morgen. Kommst du mit duschen?"

Joey hebt die Augenbrauen. Ich zucke die Schultern, weil ich Matt schon gar nicht richtig zugehört habe.

„Es gibt mehr als eine Dusche, Kinder, mein Gott", murmelt er und zieht sich im Hinausgehen seinen Anzug aus. Ich wende mich Joey zu, der milde verstört Matts nacktem Rücken hinterhersieht. Wir wissen beide nicht wirklich, was wir miteinander anfangen sollen.

„Wart ihr schwimmen?", fragt er mich letztendlich. Unser Briefing mit Ava war nicht lang genug, dass das Wasser der Schleuse in meinen Haaren trocknen konnte.

„Planschbecken. Hinterm Haus."

„Du passt dich seinen Verhaltensweisen an, weißt du das? Diese lakonische Rhetorik ..."

„Ich freu mich schon auf die Zusammenarbeit, lieber Kommilitone", sage ich, nehme den Teller voller Zimtschnecken in die Hand, weil inzwischen der Oktopus darin residiert und verschwinde ebenfalls nach oben.

Ich erwische Matt noch auf dem oberen Treppenabsatz, weit genug entfernt von Joey, dass er nicht mithören kann. Während ich hinauflaufe, kann ich nur hoffen, dass er wartet bis zur Dusche, um sich ganz auszuziehen.

„Matt!"

Links und rechts von uns hängen Spiegel, die alle Zugriff auf die AI des Hauses haben. Meine Oma ist sehr abgergläubisch und hat mir schon als kleines Kind beigebracht, dass man Spiegel nachtsüber abhängen muss. Das habe ich auch in der Villa getan, allerdings weniger aus Angst vor Geistern als vielmehr, um zu vermeiden, dass ich in der Nacht aufwache und mich dem digitalen Gespenst Gideon gegenüber sehe. Wäre ich eine AI und würde in SmartMirrors leben, würde ich aus Langeweile alle Seelen im Haus beobachten. Einer der Gründe, wieso ich wirklich gerne wieder im Wohnheim schlafen würde. Geisterspiegel oder Stalkerstudenten? In jedem Fall bugsiere ich Matt noch weiter die Treppe hinauf, bis auch die Spiegel außer Sichtweite sind. Er wirkt etwas verwirrt, weil ich ihm eine Hand auf die Schulter gelegt habe dabei.

„Rein theoretisch", mache ich verschwörerisch, „wenn wir den Code hätten ... dann wäre das sehr hilfreich, nicht wahr?"

Matt dreht sich ganz langsam zu mir um. Er sieht aus, als hätte ihn gerade jemand durch den 40 Grad Waschgang einer Sunhunter großen Waschmaschine gejagt. Damit meine ich: hervorragend. Was geben sie diesem Typ zu essen?

„Was willst du damit sagen?"

„Habe ich dir je davon erzählt, dass ich Klassenbeste meines Jahrgangs bin. Und die Enkelin meiner Oma?"

„MacClara ..."

Ich ziehe eine Kette unter meinem Kragen hervor, an der ein leuchtender Datenchipanhänger befestigt ist.

„Während du versucht hast uns umzubringen, habe ich Gabes Ohrring geklaut, als ich sie vor dem Kronleuchter gerettet habe. Und da sie den Code in ihr Netzwerk eingespeist hat, habe ich darauf zugreifen können, sobald wir in der Bahn saßen."

Matts Kinnlade klappt nach unten.

„Das heißt, wir haben das Ding?"

Ich nicke.

„Und Gabe hat das Ding auch?"

„Nein, ich habe es von ihren Servern gewiped vorhin. Ging verboten leicht, weil sie den Chip noch nicht gesperrt und die Datei bei dem löchrigen Empfang in den Labrinths nicht hochgeladen hatte. Einfache Sicherung. Trivial."

Der Sunhunter hat sich so weit zu mir vorgebeugt, dass er fast von der Treppenstufe über mir kippt. Ein Wassertropfen aus seinen Haaren tropft auf meine Schulter.

„Du hast Gabe gehackt?", fragt er ungläubig.

„Gehackt ist jetzt übertrieben. Beklaut."

„Ach du scheiße", macht Matt zweimal hintereinander, während er den Chip in die Hand nimmt. Dann lacht er auf und fährt sich kopfschüttelnd über das Kinn, „Du hast wirklich Eier. Kein Wunder, dass ich dich mag."

Er wirft lachend den Chip mit dem wahrscheinlich größten Hack des Krieges darauf in die Luft und fängt ihn wieder auf. Dann reißt er sich wieder zusammen.

„Ich habe Ava nichts gesagt", komme ich ihm zuvor, „weil ich das Gefühl habe, dass wir da erstmal einen Blick reinwerfen sollten. Und ganz ehrlich, sie weiß wahrscheinlich sofort, wenn du sie anlügst."

Matt streckt eine Hand aus und verwuschelt mir so engagiert die Haare, dass ich eine Schocksekunde brauche, um ihn am Handgelenk zu packen und den Angriff abzuwehren. Da rettet man auf eigene Faust den Tag bei dem miesen Stundenlohn und zum dank ruiniert einem eine galaktische Pranke die Frisur.

„Joey von Joe", ruft Matt nach unten. „Du gehst alleine zu den Nerds."

„Wieso?", ruft Joey seinerseits hinauf zu uns. Er hat offensichtlich keine Lust, von Matt herumkommandiert zu werden, aber das ist seit Neustem Teil seines Jobs. Seit Ava beschlossen hat, ihn ins Feld zu schicken, weil er sie anscheinend seit Jahren darum bettelt. Inzwischen habe auch ich meine Zweifel an seinen ‚street smarts'.

„Weil du kein echter Computermensch bist, sondern ein Gehirnmensch. Nimm dir eine Knarre aus dem Schirmständer und ab mit dir."

„Denkst du, das ist eine gute Idee?", zweifle ich diese Entscheidung an.

„Nein. Aber auf mich hört sowieso niemand und er will unbedingt ins Department, da muss er lernen mit Kugeln umzugehen. Ava bringt mich zwar um, wenn ich ihren Starprofiler erschießen lasse, aber ich lasse dich und diesen Hack nicht aus den Augen."

„Wir sind in einem Safehouse des Departments, was soll da groß passieren?", frage ich.

All der Respekt, den ich mir gerade eingefahren habe, tropft wieder aus Matts Gesicht und verschwindet restlos.

„Sowas darfst du niemals sagen."

„Hä?"

„Wenn wir in den nächsten Stunden angegriffen werden, bist du Schuld, kleines Genie. Hoffentlich hab ich noch Zeit für meine Dusche."

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⏰ Last updated: Apr 14 ⏰

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Starshakers (Sunhunters pt. 2)Where stories live. Discover now