3 - Clara de Flocon

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„Was zur Hölle soll das?", frage ich aufgebracht.
„Aber Miss Flocon!", tadelt mein Dozent, „Das ist eine wirklich wunderbare Gelegenheit, Ihren Lebenslauf aufzuhübschen, nicht wahr?"
Ich ignoriere ihn.

„Ich bin durch mit euch!", ich hebe den Zeigefinger und deute völlig ungeniert auf Ava, „Ich bin keine Soldatin mehr. Sie haben überhaupt keine Macht über mich und verdammt nochmal, hören Sie auf, mich zu stalken!"
„Würde es Ihnen etwas ausmachen, draußen zu warten?", fragt Ava, die inzwischen mit einem digitalen Stift auf ihr Tablet eintippt, in Richtung Keaton, „Wir holen Sie dann dazu, wenn wir die vertraulichen Sachen durchgearbeitet haben."
„Bitte was, Sie werfen mich aus meinem eigenen Büro?"
Sie hebt den Blick.
„Oh, na ja, wenn Sie es so sehen wollen, natürlich. Für die nächsten fünfzehn Minuten."
Mein Professor protestiert, doch Ava schenkt ihm noch ein zähnefletschendes Lächeln und ein „Bitte" und er zieht ab.

„Schön", macht sie und deutet mit ihrem Absatz auf den Stuhl ihr gegenüber, „Wir brauchen länger als eine Viertelstunde. Setzen Sie sich."
„Ich bleibe lieber stehen, danke."
„Ihre Entscheidung."
Sie zieht ein Cocktailschirmchen aus ihrer Aktentasche, klappt es auf und stellt das Ding neben sich auf den Schreibtisch. Es bleibt in der Schwebe und beginnt sich langsam um sich selbst zu drehen, als sie es mit ihrer Data Watch verbindet. Glaubt mir, ich bin genauso verwirrt wie ihr.

„Parasol Technologie", sagt sie, ohne von ihrer Watch aufzusehen, „damit uns niemand abhören kann."
‚Ein Sonnenschirm? Ihr verdammter Ernst?', frage ich mich innerlich, sage aber: „Wenn Sie mich nicht in Ruhe lassen, verklage ich Sie."
„Na das will ich sehen", entgegnet Ava trocken. Sie senkt das Tablet und sieht mir direkt in die Augen. Das letzte Mal, als sie mich so mit ihrem Blick durchlöchert hat, stand Matt neben mir. Nicht einmal er kann der Frau dauerhaft die Stirn bieten.

„Was fällt Ihnen ein, mir irgendwelche Leute auf den Hals zu hetzen?", frage ich also, bevor mich noch der Mut verlässt, „Wissen Sie was? Sie müssen darauf gar nicht antworten. Ich will es gar nicht wissen. Ich gehe jetzt einfach wieder zur Tür raus und dann sehen wir uns nie wieder."
Ich drehe mich auf dem Absatz um und bin drauf und dran hinauszustürmen, als Ava sagt:
„Gut, von mir aus. Dann muss ich Sie vielleicht wirklich verhaften lassen und das bedeutet eine Menge Papierkram für mich und einen Strafeintrag für Sie."
„Mich verhaften lassen?", frage ich geschockt.
„Ist nichts Persönliches. Setzen Sie sich."
„Das ist absolut unangebracht."
„Ich mache nur meinen Job."
Ich setze mich.

Avas Lippen zucken, als sie sich ihrerseits auf den Schreibtisch setzt und die Beine übereinander schlägt. Sie trägt Benedetta Gargarelli High Heels mit roten Sohlen zu ihrem Anzug. Das Sunhunter Department muss wirklich verdammt gut zahlen.
„Sie lesen Ihre E-mails nicht", sagt sie. Keine Metaphern, keine überflüssigen Worte, nur geradeaus gerichtete, effiziente Sätze.
„Doch, ich lese meine E-mails."
„Nicht oft genug."
„Bitte was?"
„Öffnen Sie Ihre Mailbox."
„Ich habe keine Lust auf diese Spielchen. Sie sind nicht nur hergekommen, um mich daran zu erinnern, meine Mails zu checken."

Ava bewegt keinen Muskel ihres Gesichts, doch ich kann ihr inneres Augenrollen klar sehen. Ich öffne meine Mailbox. Keine neuen Nachrichten.
Ich sehe zu ihr auf. Ava blinzelt zweimal, als wäre Sie noch nie einer dümmeren Person als mir gegenüber gesessen.
„Checken Sie den Spam Ordner nicht?", fragt sie, als hätte ich meinen eigenen Namen vergessen.
Ich schnaube.
„Die Regierung bekommt es nicht hin, meine Spamfilter zu umgehen?"

In meinem Spamordner ist tatsächlich eine E-mail.
‚Hallo, bestie. Wir treffen uns um drei zum Kaffee. Liebe Grüße", lese ich vor. Der Absender - ‚Alan Matieu' - hat eine lachende Kaffeetasse unter den Einzeiler eingefügt. Ava hebt den echten Kaffeebecher, der neben ihr auf dem Tisch steht, rührt ein bisschen darin herum und trinkt einen Schluck.
Ich verfolge jede ihrer Bewegungen und frage ganz langsam:
„Wollen Sie mich verarschen?"

Sie hebt eine Augenbraue.
„Wenn irgendjemand Ihre Mails durchgeht, wird er jetzt denken, Sie hätten sich nur mit einem Freund auf einen Kaffee getroffen. Staatsgeheimnisse per Mail zu schicken war noch nie eine gute Idee. Darf ich jetzt vielleicht weitermachen?"
Ich beiße die Zähne zusammen.
„Haben Sie mir immerhin einen Kaffee mitgebracht?"
„Nein. Aber ich habe ein Angebot für Sie."
Ich seufze tief auf.
„Cool. Will ich nicht. Mein Leben ist toll, wie es ist."
„Sie geben verzogenen Kindern Nachhilfe, um über die Runden zu kommen. Ihr Leben ist nicht toll."
„Woher ...?"
„Spielt keine Rolle."

Sie hält mir ihr Tablet hin.
„Wir bezahlen besser, haben mehr Stil und eine noble Mission. Außerdem bekommen Sie Zugang zu Fitnessraum, Pool und Sauna. Auf das Brechen der Geheimhaltung steht die Todesstrafe."
Sie hält mir Ihren Stift hin.
„Unterschreiben immer rechts unten, bitte."

Ich bin so perplex, dass ich den Stift tatsächlich entgegennehme.
„Moment ... Sie bieten mir einen Job an?", frage ich, „Verdammt, ich will nichts vom Militär. Ich will studieren! Ich habe Prüfungen!"
Ava schnaubt und es klingt beinahe beleidigt.
„Das Militär? Bitte. Ich dachte, Sie sind schneller im Kopf."
Fünf Sekunden lang herrscht absolute Stille, in der ich nur mein Herz schlagen höre.
Sie bieten mir einen Job an?", frage ich zum tausendsten Mal in den letzten zehn Minuten nach, „Der Geheimdienst?"
„Wir bevorzugen Secret Core Intelligence."

Sie beugt sich zu mir herunter und tippt ein paar Mal auf den Bildschirm, um bestimmte Teile des Vertrags zu vergrößern.
„Sie arbeiten auf 450 Creds Basis als Werkstudentin im internen IT Service, Schwerpunkt KI. Sie sind Aushilfe. Machen Sie sich nicht gleich in die Hose."
„Das unterschriebe ich doch nicht!", explodiere ich und gebe ihr den bescheuerten Stift zurück.
„Doch. Sonst streichen wir Ihnen das Stipendium", sagt Ava seelenruhig, zoomt an eine der schwarzen Unterschriftsleisten heran und gibt mir den Stift wieder.
Ich kann Sie nur anstarren.
„Das ... das dürfen Sie gar nicht", stottere ich.
„Und wie ich das darf."
Meine Finger zittern.
„Was passt Ihnen nicht?", fragt Ava ungerührt, „Sie haben gesagt, Sie wollen keine Spielchen spielen. Ich spiele nie Spielchen."

Ihre Watch blinkt auf. Jemand versucht, sie zu erreichen.
„Nehmen Sie das Tablet mit und überlegen Sie sich gründlich, was Sie tun. Wenn Sie klug sind, melden Sie sich morgen um 8:00 Uhr an der Rezeption des Hauptgebäudes in New Helsinki. Fahrtkosten werden übernommen. Das mündliche Passwort lautet ‚Archangel', ihre Fingerabdrücke, Netzhautscans und DNA Frequenz wird dann dort genommen. Wiederholen Sie bitte das Passwort."
„Bitte?"
Genervt schielt sie auf ihre leuchtende DataWatch hinunter.
„Das Passwort. Wiederholen. Und nicht vergessen bis morgen."
„Archangel."
„Perfekt", Ava steht auf, streicht ihren Anzug glatt, nimmt ihr Cocktailschirmchen vom Tisch und steckt es wieder ein. Sie hält mir die Hand hin, aber ich schlage nicht ein.
„Schönen Abend wünsche ich Ihnen noch. Und viel Erfolg bei ihren Klausuren."

Ihre Absätze klappern davon, die Tür fällt ins Schloss und ich sitze mit einem absolut wahnwitzigen Arbeitsvertrag auf einem stinkteuren Tablet da und habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Mein „Aber, aber ... warum?" verklingt wirkungslos in der Stille des Büros.

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Starshakers (Sunhunters pt. 2)Where stories live. Discover now