Die Großen

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Mit neun oder zehn war es vorbei mit der dörflichen Grundschule, vorbei waren die Tage des ABC und dem basteln. Der kleine Junge kam jetzt in eine Gesamtschule die sich in der nächst größeren Stadt befand. Der erste Schultag nach den Sommerferien war etwas ganz besonderes für mich. Ich konnte Schule nie wirklich leiden aber auf diesen Tag war ich gespannt...ja, ich freute mich sogar ein wenig darauf.

Es trafen sich alle Kids aus sämtlichen Stufen an dem Busunternehmen das uns in die Schule bringen sollte. Schon dort machte es sich schnell bemerkbar das wir nicht mehr die großen waren. In der Grundschule als Viertklässler waren wir das. Nun standen wir zusammen mit Jungs und Mädchen aus der neunten, sie rauchten und warteten zusammen mit uns Zwergen bis es losging. Allein die Fahrt war schon etwas ganz anderes. Der Busfahrer erlaubte den Kindern Kassetten mitzubringen, die er dann in sein Radio steckte und aufdrehte. Zu dieser Zeit war Bravo die angesagteste Teenie Zeitschrift die es gab. Bisher hatte ich mich nur mit dem kleinen Taschenbuch oder Clever und Smart beschäftigt. Dementsprechend war musikalisch auch die Bravo Hits der coolste Shit auf dem Markt. Diese CD überspielte man zu Hause auf eine Kassette indem man Play und Record zusammen drückte. Vorausgesetzt man wahr stolzer Besitzer eines solchen CD Radios.Das war alles komplett neu für mich.

In der Schule angekommen und aus dem Bus ausgestiegen nahm ich einen völlig anderen Geruch war. Wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet aber es roch tatsächlich anders. An dem kleinen Bushäuschen, welches an die Schule angrenzte, trafen sich die großen Mädchen aus der 9. oder 10. Klasse mit ihren Freunden. Diese waren entweder schon aus der Schule raus und waren schon in einer Berufsausbildung oder gingen auch noch mit Ihnen zusammen in die Klasse. Sie hatten schon Motorroller die teilweise etwas getunt waren. Es waren diese typischen Kerle, die ihren Helm zum Rauchen nicht ablegten, sondern halb auf dem Kopf hatten. In meinen Augen waren das Erwachsene Männer. Als würde ihnen die Schule oder sogar die Welt gehören. Es war ihnen völlig egal, ob ein Lehrer sie beim rauchen erwischt. Es gab für mich kaum etwas cooleres.

Bisher hatte ich ja nur Pokémon Karten gesammelt, sie mit meinen Freunden getauscht oder darum gezockt. Apropos zocken, zu dieser Zeit war die Nintendo 64 der heißeste Scheiß den man haben konnte. Zu Weihnachten bekam ich diese neue Konsole, die ich hegte und pflegte. Einige von euch werden sie noch kennen. Ging ein Spiel mal nicht, zog man es aus der Konsole heraus, pustete kräftig hinein und startete von neu. So einfach ließ sich dies reparieren und das beste war...keine Ladezeit. Eine absolute Neuheit und der schönste Zeitvertreib für uns Kinder.

Irgendwann kam der Tag als sich die Klassen teilten zwischen Realschule, Gymnasium oder Hauptschule. Ich war nie der beste in der Schule und hatte meine Schwierigkeiten mit dem lernen , der Konzentration und der Lust. Aus diesem Grund wurde ich als Hauptschüler einsortiert und einer Klasse zugeordnet. Eine Handvoll Freunde aus meiner bisherigen Klasse, die ich seit der Grundschule an meiner Seite hatte, wurden mit mir zusammen in diese eine Klasse versetzt. Die neue Klasse bestand zu mindestens 70 % aus Ausländern, die hälfte davon waren Kosovo Albaner. Diese Jungs hatten keinen Respekt, vor niemanden.

Relativ zügig fand ich Anschluss bei besagten, respektlosen, vorpupertierenden Jungs. Die Lieblingsbeschäftigung schien für Unruhe sorgen zu sein. In den Pausen zogen wir unsere Runden über den Hof. In der hohlen Hand eine Kippe die sich geteilt wurde. Diese wurde nicht wegen der Lehrer versteckt und heimlich gepafft, sondern wegen den großen Brüdern oder anderen Familienangehörigen. Manchmal hatte auch einer meiner neuen Kumpels einen Schlagring oder ein Butterfly dabei. Bis heute wundere ich mich darüber das bei den vielen Prügeleien auf dem Schulhof nie wirklich etwas schlimmes passierte. Meist schlugen wir mit einem Feuerzeug zu, fest in der geballten Faust.
Am heftigsten fand ich jedoch der Übergriff an den Hausmeister. Er lebte auf dem Schulhof. Direkt angrenzend am Hof stand sein winziges Haus. Keine Ahnung warum man so etwas macht. Irgendwas muss mit ihm vorgefallen sein. Ein berüchtigter Kerl aus der zehnten lief in der Pause in meinen Augen sehr komisch. Der rechte Arm schlenderte normal im Rhythmus seiner Schritte, der linke jedoch bewegte sich kaum. Steif lag er an seinem Oberkörper an. Plötzlich wurde es hektisch. Eine riesen Traube entwickelte sich und rannte los. Was ich noch sah war eine Eisenstange die aus dem Jackenärmel gezogen wurde. Das volle Programm. Polizei, Sanitäter, Lehrer, halbstarke mit großer Fresse und ein Hausmeister mit Blut am Kopf. Es ging ihm soweit gut. Er hatte wohl Glück gehabt denk ich. Das ganze hätte viel schlimmer enden können.

Ja...meine Schulzeit...was soll ich darüber groß sagen. Sie war für mich nur wie ein Sprungbrett in eine andere Kultur, gar eine andere Welt.

Manchmal frage ich mich was mir meine Zukunft gebracht hätte wenn ich etwas mehr gelernt hätte anstatt mich zu prügeln oder zu Schwänzen. Was wäre passiert wenn ich nicht in diese Hauptschulklasse gekommen wäre?

Man weiß es nicht...

Purple RainWhere stories live. Discover now