Nebelwald

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In einem unbekannten Wald, tief in der Vergangenheit, saß ein tödlich verletzter, blonder Mann gegen einen umgeknickten und morschen Baum. Ein leichter Nebel durchzog den dichten Wald mit riesigen Nadelbäumen. Der Nebel schien den Wald zu durchziehen und man merkte, wie die Luftfeuchtigkeit leicht anstieg. Das bleiche Gesicht des Schwerverletzten war von Schrammen überzogen. Etwas Blut tropfte an seiner rechten Augenbraue hinunter auf das nasse Gras. Er machte Anstalten, sich kurz zu bewegen, suchte eine bequemere Position, eine leichtere, eine, welche weniger wehtat. Durch diese leichte Bewegung zog er einmal die Luft scharf ein und fasste sich krampfhaft an seine tiefe Wunde im unteren Bauch. Einige dunkelblaue Stofffetzen wurden auf die pochende Wunde gedrückt. Viele waren fest zusammengeknüllt und andere wiederum groß und breit. Sein Kettenhemd wurde dort von einem magischen Schwert durchbrochen – ein erkennbares Loch von Blut durchdrungen. Seine Gedanken kreisten wild umher, sodass er seinen Freund, welcher die ganze Zeit neben ihm hockte, nicht mehr bemerkt hatte. Seine blauen Augen waren starr und voller Angst auf die tödliche Wunde gerichtet. Er hatte die Wunde so gut es ging versorgt und begann, weitere Stofffetzen von seinem dunkelblauen Hemd abzureißen und draufzupressen. Der Schwerverletzte zuckte unterbewusst stark zusammen und starrte in die Ferne des scheinbar unendlichen Waldes. Er hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen. Ein Schwert, welches unmöglich schien zu existieren, wurde durch seinen Bauch gestochen. Er hatte sich gerächt und tötete seinen Angreifer auf dieselbe Art und Weise und erstach ihn mit seinem legendären Schwert. Trotz allem blieb eine Spitze des magischen Schwertes in seinem Bauch stecken und nun kämpfte er seitdem, mit seinem Kompanen zu einem See zu gelangen. Der See von Avalon war ihre einzige Lösung, ihre einzige Hoffnung auf Rettung. „… Merlin…“, sprach der Verletzte den anderen mühsam an, schaute aber dennoch in die weite Ferne des tiefen Waldes. „…Was auch immer… geschehen wird –.“ Merlin unterbrach ihn. Er fühlte sich nicht bereit für seine Abschlussrede. „Arthur, sprecht nicht“, sprach Merlin sanft zu seinem besten Freund. Er wollte nicht, dass seine Kraft ihn verlässt, dass er ihn verlässt. Er war einfach noch nicht gewillt, Arthur gehen zu lassen. „Ich bin der König, Merlin.“ »Du kannst mir keine Befehle geben.« Sprach dieser etwas angefressen mit leicht kratziger Stimme, doch Merlin wusste, dass Arthur seine Meinung schätzte, obwohl er es nie oft zugab. Merlin erinnerte sich an vergangene Zeiten, in denen sie sich gegenseitig auf eine lustige Art und Weise anfeindeten, trotz großer Klassenunterschiede. Er lächelte bei diesen Gedanken und sprach lächelnd weiter. „Das habe ich doch schon immer.“ Jetzt ändere ich mich nicht mehr. Eine kleine Pause durchdrang die Stille, der Nebel schien auf den Boden zu sinken und der endlose Nachthimmel wurde sichtbar. Arthur blickte in den prächtigen Nachthimmel und sah vereinzelte Sterne, welche noch nie heller gestrahlt hatten, doch es waren, so hätte er schwören können, viel weniger Sterne als normalerweise. Als wären sie über Nacht verschwunden oder erloschen. Arthur blickte zum ersten Mal seit Längerem in das Gesicht von Merlin. Es hatte Spuren von Dreck und Schweißperlen rannen von seiner Stirn. Seine Erschöpfung konnte man in jedem Gesichtsmuskel erkennen, und doch wusste Arthur, dass er selbst nicht besser aussah. Er schaute in die beinahe eisblauen Augen von Merlin und sprach wieder einmal. „Ich möchte auch nicht…, dass du dich änderst… „Ich möchte, dass du stets du selbst bleibst.“ Er atmete langsam ein und aus und merkte, wie wieder Blut durch die pochende Wunde floss. Die Stofffetzen sogen das Blut auf und wurden leicht dunkler. „Es tut mir leid, wie ich dich… behandelt habe.“ Arthurs Stimme war rau und er stockte mitten im Satz, als er versuchte sich aufrecht und seine Augen offen zu halten, doch sein Kopf schwenkte zur Seite. Die Welt schien für ihn stehen geblieben. Merlin richtete ihn und sah direkt in seine meeresblauen Augen, um sich zu vergewissern, wie viel Zeit er noch hatte. Denn Arthur war dem Tode nahe. Beide wussten es, doch nur einer wollte es akzeptieren. „Soll das bedeuten, Ihr gebt mir einen Tag frei?“, scherzte Merlin vielmehr für sich selbst, um runterzukommen, wie in alten Zeiten. Er erwartete keine Antwort, doch Arthur ging drauf ein und fügte leise „Zwei“ hinzu. Das beunruhigte Merlin mehr als alles Andere, da er verstand, dass Arthur schon aufgab. Seine Gesichtszüge waren kaum noch vorhanden, seine nun schmalen Augen blickten zum Vollmond hinauf. Dunkle Wolken kamen näher. „Das ist großzügig.“ sagte Merlin. Er musste es schaffen, sonst waren sein König, sein Freund und sein Bruder für immer verloren. Er wäre verloren. Arthur fand es immer schwerer, wach zu bleiben. Sein Blickfeld verschwamm. Er schlief ein. „Schlaft etwas“, murmelte Merlin in die Nacht herein und streifte sanft mit seiner Hand Arthurs Haar. Die Zeit verging, in der Merlin dauernd den schwachen Puls checkte und sich vergewisserte, ob Arthur noch am Leben war. Der Vollmond stand hoch oben am Himmel mit tiefschwarzen Wolken, die ihn zu bedecken versuchten. Leichte Nebelschwaden bedeckten den kalten Waldboden und der nun leicht tobende Wind ließ Bäume erzittern. Weitere Stunden vergingen und Arthur lehnte weiterhin sitzend an einen umgeknickten und morschen Baum. Die ersten Lichtstrahlen fielen scheinbar sanft auf Arthurs schlafenden Körper. Sein goldenes Schwert, welches neben ihm lag, reflektierte das Licht und schien dadurch etwas zu leuchten. Merlin hatte in den letzten Stunden hingegen kein bisschen geschlafen und ging mit zitterndem Oberkörper umher. Sein nun zerrissenes, dunkelblaues Hemd ohne Ärmel klebte an seiner Haut, durchtränkt von Luftfeuchte und Schweiß, gezeichnet von sämtlichen Blutflecken einer Person. Jeder noch so kleine Atemzug seinerseits schwebte in der kalten Morgenluft. Sie mussten weiter, sie mussten ihr Ziel erreichen, denn die Zeit schien immer schneller voranzuschreiten. Er entschloss sich, zu Arthur zu gehen, und versuchte, ihn zu wecken. Merlin schüttelte ihn sanft. „Arthur.“ „Wir müssen aufbrechen“, er sprach mit einer sanften Ruhe, doch als Arthur keine Anstalten machte, sich zu bewegen, begann sein Herz schneller zu rasen. Allein der Gedanke an Arthurs Tod ließ ihn zusammenschrecken und sein Magen schien sich umzudrehen. Er konnte vor wachsender Panik nicht mehr weiteratmen und sein Herz schlug schneller denn je. Alles andere wurde zur Nebensache: Die Luft, die Kälte, der Wald – sein Zittern, sein Atem – sein gesamtes Leben. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und schüttelte ein weiteres Mal mit seinen zittrigen Händen Arthurs Schulter. Als er sich wieder nicht rührte, sprach er verzweifelt Arthurs Namen, doch selbst seine Stimme klang für ihn verfremdet, verzerrt von Trauer und Angst. Für Merlin schien eine Ewigkeit zu vergehen, als schließlich Arthur langsam seine Augen öffnete. Sonnenlicht strahlte ihm ins Gesicht und er blinzelte sofort mehrfach. Merlin nahm seine Hände von Arthurs kalter Schulter und versuchte langsam weiterzuatmen, versuchte seinen Herzschlag runterkommen zu lassen. Arthur war, soweit es sein Körper zuließ, wach. Er war etwas fitter als ein paar Stunden zuvor, doch der Splitter war immer noch in seinem Körper und er hätte schwören können, dass sich dieser bewegt hatte. Als er Merlin sah, sprach er eher drückend und traurig zu ihm. „Wir haben genug Zeit verschwendet.“ Es war Arthurs wertvolle Lebenszeit, von der er hier sprach, und trotz allem war es von größter Wichtigkeit, weiterzugehen. Mittlerweile war bereits die Sonne aufgegangen und die Lichtstrahlen fielen durch die Nebelschwaden auf den feuchten Waldboden. Merlin trug beinahe Arthur auf sein Pferd, denn sein Kopf war drückend auf Merlins Schulter. Er hatte wenig Kraft übrig, und dennoch bemühte er sich sehr, nicht umzukippen. Merlin nahm die Zügel beider Pferde und ging voraus. Arthurs Körper kippte leicht nach vorne, die Mähne des Pferdes kitzelte sein Gesicht. Es hielt ihn wach. Beide waren bis auf die Knochen erschöpft, als sie eine Lichtung erreichten, einige Hundert Meter vom See entfernt. Von diesem Berghügel aus konnten Sie den See von Avalon erkennen. Die Morgensonne tauchte die Insel im Zentrum des Sees in einen blassen, goldenen Schimmer, während sie von einer dichten Nebelbank umringt war. Dadurch wirkte es fast so, als würde sie auf den sanften Nebelwolken schweben. Es war ein atemberaubender Anblick. Das imposante Steindenkmal ragte inmitten der Insel hoch in den Himmel voller Wolken. Es war beinahe majestätisch und hüllte sich in den geheimnisvollen Nebel, der die Insel von Avalon umschloss. Ihr Ziel war in Sichtweite und endlich greifbar. „Avalon.“ „Wir werden es dahin schaffen“, berichtete Merlin froh und hoffnungsvoll zugleich. Er glaubte fest daran, es schaffen zu können. Sein Schicksal zu erfüllen und Arthur nicht zu enttäuschen, doch dieser hatte andere Sorgen. Sein ganzer Körper fühlte sich wie schweres Blei an und jeder Schritt, den das Pferd machte, war reine Qual. Er erzählte Merlin davon und sie beschlossen, weiterzugehen und die Pferde an dieser nahegelegenen Lichtung anzubinden. Es schmerzte höllisch, als er versuchte vom Pferd abzusteigen. Ohne Merlins Hilfe wäre er mit Sicherheit vom Pferd gefallen. Bei dieser ruckartigen Bewegung löste sich ein blutgetränkter Stofffetzen. Es war ein bekanntes, rotes Halstuch. Merlin sah keinen triftigen Grund, es weiter mitzunehmen, geschweige denn aufzuheben, und ließ Arthur für wenige Sekunden allein und band die beiden Pferde am Rande der Lichtung an. Er blickte zu Arthur zurück und sah, wie es ihm immer schwerer fiel, auf seinen zittrigen Beinen zu stehen, leicht wankend. Es war eine gute Entscheidung, weiter zu Fuß zu gehen. So hatte Artur mehr Unterstützung und Merlin fühlte sich hilfreicher. Arthurs Schmerzen von der Wunde zogen weniger durch seinen gesamten Körper. Beim Reiten war es ein höllisch stechender Schmerz mit jedem Schritt gewesen. Jetzt war es eher ein kontinuierlicher und ertragbarer Schmerz. Mit jedem Schritt, den er machte, floss das Blut zwar weniger als beim Reiten aus seinem Körper, doch sie waren zu Fuß wesentlich langsamer. Ab einem Punkt schloss er seine Augen und ließ sich von Merlin führen. Er nahm die Geräusche und das ständige Pochen seiner Wunde verstärkt wahr, doch sein Herz schien unregelmäßig weiterzuschlagen. Sein legendäres Schwert in seiner linken Hand gab ihm Kraft und pulsierte im gleichen Rhythmus wie sein Herzschlag, auch wenn es schleifend über den Waldboden hing. Als würde es an einem seidenen Faden hingen. Nach etlichen Minuten und beinahe hundert Metern später machte sich in seiner Brust ein unvorstellbarer Schmerz breit. Sein Schwert glitt ihm aus seiner Hand und fiel dumpf auf das Gras. Mit einem Schub durchdrang eisige Kälte seinen gesamten Körper. Das Gefühl in seinen Händen verschwand, sie waren beinahe zu Eis erstarrt. Arthur brach keuchend von Merlins Halt ab, welcher weiter versuchte, ihn so gut es ging zu stützen, doch schlussendlich setze er sich mühsam an einen liegenden Ast. Seine Beine waren vollkommen ausgelastet. Er war nicht sehr anwesend und genoss eher den Morgenhimmel als den angeblich rettenden See, vereinzelte Hundert Meter entfernt. Leichte Wolken bedeckten die immer noch aufgehende, grelle Sonne über dem See. Merlin blickte wieder zu ihm rüber und erkannte, dass es schon erstaunlich war, in wie weit sie bisher gekommen waren. Mit gesenktem Kopf ging er langsam zu Arthur, nicht vorbereitet auf das, was folgen könnte. Hier und jetzt würde er versagen – er wusste es. Als hätte Arthur seine Gedanken gehört, blickte er Merlin mit seinen leeren Augen an, lächelte sanft und berührte mit seiner rechten Hand den Griff seines Schwertes. Auch seine Hand ging unweigerlich zu der goldenen Schwertspitze. Seine Gedanken und Emotionen rasten mit jedem weiteren Keuchen von Arthur mehr. Es war allein seine Schuld. Er und alle anderen waren schon immer seine alleinige Verantwortung gewesen. Seine Bürde, doch er würde versagen. Er wusste, dass seine Bürde zu groß für einen Menschen war, und dennoch bemühte er sich, nicht alle zu enttäuschen, nicht Arthur zu enttäuschen. Merlin hatte immer wieder gehofft, immer wieder, doch schlussendlich konnte er nichts unternehmen. Er fühlte sich schwach, doch in erster Linie fühlte er sich alleingelassen. Elendig allein gelassen. Von einem auf den anderen Moment blickten Arthurs glasige Augen in die von Merlins geschwollenen, goldglühenden Augen. Sie strahlten heller als die Sonne selbst, glänzten stärker als poliertes Gold und Arthur erkannte den unendlichen und goldenen Sternenhimmel in seinen Augen. Er sah die Unendlichkeit. Merlin schien entschlossen zu sein, alles aufs Spiel zu setzen, und dennoch machte er es unbewusst, sodass er lediglich Arthur tief in seine schwachen, mehresblauen Augen blickte. Nur Arthur sah die Tränen von Merlins Wange tropfen: glänzende und funkelnde Tränen, die allesamt auf den Waldboden tropften. Das legendäre Schwert begann leicht zu vibrieren und pulsierte mit kraftvoller Magie. In der Ferne fing das eindrucksvolle Steinmonument an, leicht gelb zu schimmern, was jedoch keiner der beiden mitbekam. Einen Augenblick später strahlte es überraschend eine enorme Druckwelle an Magie aus. Sie durchzog rasant den See, die Wolken, das Ufer, jegliche Lebewesen in Luft und Wasser und schließlich den Wald. Merlin hatte die Druckwelle erst bemerkt, als sie bei Ihnen ankam und ihn überwältigte. In Sekundenschnelle verschwanden sie mitsamt der Druckwelle völlig von der Bildfläche, als wären sie niemals dagewesen. 

Nebelwald- Merlin/Arthur (S5 Vorlage)Where stories live. Discover now