13. Wie hießen diese gelben Kirschen nochmal? (Archie)

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»Archie, bist du noch da?« Matteos Stimme erklingt aus dem Baum und ich zucke ertappt zusammen. Fast wirkt es so, als würde der Baum mit mir sprechen.

»Klar!« Schnell schnappe ich mir einen der Eimer und mache mich daran, die gelben Dinger zu pflücken.

Ich bleibe jetzt bei Dingern. Ich hab den blöden Namen schon wieder vergessen.

»Was machst du mit den ganzen Dingern?«

»Mindestens zwei Eimer nimmt Mrs. Graham«, sagt der Baum. »Sie macht daraus Chutneys oder Mirabellenmarmelade. Und die anderen werden erstaunlich schnell von den Kids in Fairhill weggenascht.«

Mirabellen. Das war es.
Mirabellen, Mirabellen, Mirabellen.
So schwer kann das doch nicht sein.

Schweigend pflücken wir die gelben Früchte weiter, anfangs macht es immer Plopp!, wenn ich die kleinen Bälle in den Eimer fallen lasse und mit jedem Plopp! denke ich ›Mirabelle‹, damit ich das dumme Wort nicht wieder vergesse. Irgendwann hört das Plopp! auf, als die Früchte sich stapeln, aber ich wiederhole den Namen weiterhin in meinem Kopf.

Schließlich kommt Matteo mit dem bis über den Rand gefüllten Eimer heruntergeklettert und ich nehme ihm den Behälter ab.

»Ich denke, für heute reicht das auch erst mal.« Er greift nach einem Lappen oder sowas, der ihm aus einer der hinteren Hosentaschen hängt, und wischt sich daran die Hände ab.

War der Lappen da vorhin auch schon?

»Danke für deine Hilfe, Archie.« Matteo steht vor mir und schaut zu mir nach oben.

Wieso bedankt er sich? Ich hab doch nur ein paar Mirabellen gepflückt. Und zwischendurch hab ich sogar noch genascht. Genau genommen hab ich ihn dabei also sogar beklaut. Und er bedankt sich.

Ich kratze mir den Nacken. »Kein Ding.«

Er sieht von links nach rechts und wieder zu mir, als würde er was suchen. »Darf ich fragen, warum du eigentlich hier bist?«

Ich runzle die Stirn.

Er hat doch gefragt, ob ich ihm helfen kann.

»Wir ... äh ... du hast doch gefragt, ob ich dir helfen kann«, spreche ich meine Verwunderung laut aus.

Matteo lacht ungläubig. »Ja, aber auch erst nachdem du wieder beim Gottesdienst warst und mich gefragt hast, ob ich Zeit für dich habe.«

Shit, er hat recht!

Sofort fällt mir ein, warum ich mich überhaupt heute auf den Weg hierher gemacht habe. Ich hatte mir sogar extra einen Wecker gestellt und bin aus der Wohnung geschlichen.

»Ach ja«, mache ich. »Ähm ...«

Mein Handy vibriert in meiner Jeans und ich ziehe es schnell hervor. War das nicht letztes Mal auch schon so?

Eine Nachricht von Hugo.

Hugo

Amigo, wo bist du?

Bringst du Brötchen mit?

Ich schaue entschuldigend zu Matteo, dessen Lachen sein Gesicht wieder verlassen hat. Er hebt beide Eimer an und macht sich daran, sie zurück zu der Tür zu schleppen, durch die wir den Garten betreten haben.

Seine Arme sind so dünn, keine Ahnung, wie er es schafft, die zu tragen. Andererseits hat er es auch geschafft, Hugo auszuschalten und das fällt selbst mir schwer. Gino hat nie eine Chance gegen Hugo.

Einmal hat Hugo sich auf Ginos Gesicht gesetzt, weil er einen Witz über Hugos Hintern gemacht hatte. Als der Dicke von ihm aufstand, weil er sich kaum noch bewegt hat, hatte er ganz blaue Lippen.

Verdattert stolpere ich Matteo hinterher und stopfe dabei das Handy in meine Hosentasche. »Soll ich dir tragen helfen?«

Er schüttelt den Kopf und stellt die Eimer neben der Tür ab. »Du hast sicherlich ...« Sein Finger zeigt auf meine Hüfte. »Zu tun.«

Was?

Mein Blick folgt seinem Finger und fällt auf das Handy, das sich in meiner Jeans abzeichnet.

Ach so! Für einen ganz kurzen Moment dachte ich, er meint, ich hätte irgendwie vor zu wichsen oder so. Zum Glück hab ich das nicht laut gesagt.

Aber ich glaube, er meint, dass ich arbeiten muss. Letztes Mal musste ich ja auch weg, weil der Boss anrief.

Ich schüttle den Kopf und nehme die Eimer beherzt in die Hände. »Nein, ich hab den ganzen Nachmittag Zeit.«

Holy Shit | ✓Where stories live. Discover now