Kapitel 1

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POV - June Kent

Es war Sonntag. Der wohl langweiligste Tag der Woche. Alle zogen sich am Abend in ihre Wohnungen zurück oder lagen im Sommer den ganzen Tag im Park. Es herrschte selbst hier in der Großstand eine rege Betriebslosigkeit. Ich mochte Stille noch nie. Ich brauchte den Trubel, das Leben, die Energie von Menschenmassen und wie sie sich durch enge Straßen und in die U-Bahn quetschten. Einer der Gründe, der mich in diese wahnsinnig große und im Moment doch so ruhige Stadt gespült hatte.

Gewiss, die Wohnungssuche war nicht sonderlich erfreulich gewesen, denn umso größer die Stadt, desto knapper der Wohnraum bekanntlich. Doch am Ende hatte ich mir eine schöne, kleine Altbauwohnung im zweiten Stock sichern können. Die nächste U-Bahnhaltestelle war nicht weit entfernt und das Viertel recht beliebt und zentral gelegen.

Nun saß ich auf meinem Schreibtischstuhl und drehte mich Runde um Runde. Eine lästige Angewohnheit, die ich immer verfolgte, wenn ich nachdachte. Während meines Studiums hatte es die Menschen neben mir in der Bibliothek oft in den Wahnsinn getrieben, doch bis heute hatte ich es nicht abstellen können.

Während ich den Deckenstuck anstarrte, versuchte mein Gehirn eine Option zu finden, womit ich heute den Abend verbringen würde. Ich war erst vor zwei Tagen in diese Stadt gezogen, sodass ich bisher ausgeprägt wenig, genau genommen keine, neuen Sozialkontakte hatte. Mit Ausnahme vielleicht der 80jährigen Dame unter mir, die sich bereits beim Einzug über die Lautstärke der Möbelpacker beschwert hatte.

Nach diesem grandiosen Start, waren wir uns zum Glück bisher nicht nochmal begegnet.

Morgen sollte ich meine neue Anstellung in der renommiertesten Kanzlei dieser Stadt beginnen: Mountbatten & Partner.

Es war ein harter Prozess gewesen, Anwältin in dieser Kanzlei zu werden und das obwohl ich einiges vorzuweisen hatte. Mein Studium hatte ich mit Bravur und Bestnoten abgeschlossen und auch im Referendariat hatte die Kanzlei, bei welcher ich dieses absolvierte, gebettelt mich übernehmen zu dürfen. Ich hatte früh begonnen prestigeträchtige Fälle im Strafrecht zu übernehmen und Mandaten vor dem Gefängnis bewahrt, die eigentlich darin besser aufgehoben gewesen wären.

Trotz dessen hatte ich mich für Mountbatten & Partner durch ein fünftägiges Auswahlverfahren gequält, mit unzähligen Assessments und Gesprächen.

Jeden Tag waren es weniger Teilnehmende gewesen.

Am Ende boten sie mir den Posten in der Kanzlei an und ich sagte zu.

In Windeseile verließ ich meine Studienstadt und meine FreundInnen und zog hierher. Und nun saß ich hier: alleine, gelangweilt, an einem Sonntagabend der gerade erst begonnen hatte.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst kurz nach 18:00 Uhr war.

Ich hatte bereits alle wichtigen Unterlagen für meinen morgigen Start gewälzt.

Mindestens dreimal war ich meinen Zeitplan durchgegangen, wann ich mich wo einfinden musste. Vielleicht würde ein Drink helfen.

In der Nähe meiner Wohnung waren einige Kneipen und Bars. Eventuell würde ich mir da den Abend vertun. Das klang nach einem vernünftigen Plan.

Ich hatte eh nichts zu Essen im Haus, also konnte ich genauso gut auch in der Bar essen. Ich hörte auf mich in meinem Stuhl zu drehen und erhob mich mit einem leichten Schwindelgefühl.

Ich steuerte trotz dessen zielsicher mein neues Schlafzimmer an und kramte eine graue Bundfaltenhose und ein weißes T-Shirt aus dem Schrank. Ein paar Sneaker dazu und der Weg führte mich ins Bad um endlich meine Haare zu richten. Das dunkelbraune Vogelnest auf meinem Kopf benötigte eindeutig mehr Pflege. Nach einem kurzen Gerangel und einigen unschlüssigen Versuchen, entschied ich mich die Haare zu einem legeren Dutt zusammenzufassen und fixierte das ganze mit einer Spange. Das sollte reichen.

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