Kapitel 1

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Wie alles begann


Riley

»Was? Wer ist da?«, frage ich überrascht in mein Headset hinein, während mein Blick über das Chaos, das sich auf meinem Schreibtisch befindet, wandert.

»Dein Dad«, wiederholt Carol, unsere Empfangsdame.

Was zur Hölle. Ich habe keinen Dad, möchte ich gern erwidern, aber dann würde Carol vermutlich den Sicherheitsdienst rufen. Einen Stiefvater habe ich – das ja. Aber einen richtigen Dad? Das war er einmal, vor vielen Jahren.

Trotzdem muss ich zugeben, dass mich brennend interessiert, was zur Hölle Ethan Wilson, der allem Anschein nach unten in der Empfangshalle wartet, nach all den Jahren von mir will.

»Ähm, okay. Möchte er hochkommen?«, frage ich zwar, entscheide mich dann jedoch kurzerhand um. »Nein, warte. Ich komme besser runter.«

»Alles klar«, antwortet sie nur und legt auf.

Ich stehe auf, streiche meinen Rock glatt und verlasse mein Büro mit den gläsernen Wänden. Camille Duboise, meine Chefin und Chefredakteurin des Modemagazins, bei dem ich seit drei Monaten arbeite, ist nirgends zu sehen. Als ihre persönliche Assistentin sollte ich es mir nicht erlauben, einfach meinen Arbeitsplatz zu verlassen. Aber das Risiko werde ich jetzt wohl oder übel eingehen.

Camille Duboise hat meine letzte Vorgängerin rausgeschmissen, weil sie ihre Pause um drei Minuten überzogen hat. Somit ist klar, dass mit meiner Chefin nicht zu spaßen ist.

Ich möchte meinen Job nicht verlieren, denn wer die Chance bekommt, direkt nach dem College bei einem Modemagazin wie dem von Camille Duboise zu arbeiten, hat mehr Glück im Leben als alles andere, jedenfalls empfinde ich das so. Dieses Glück möchte ich auf keinen Fall aufs Spiel setzen.

Was auch immer Ethan Wilson von mir will, es darf nicht allzu lange dauern. Ich werde also nur schnell hinuntergehen, schauen, was Sache ist und in weniger als drei Minuten zurück sein.

In schnellen Schritten habe ich den Lift erreicht und fahre vom siebzehnten Stock hinunter.

Kaum gehe ich durch die große Halle, sehe ich Ethan Wilson in Person bereits vorne am Empfang stehen. Er ist es wirklich. Was zur Hölle will er hier?

Als ich gute zwei Meter vor ihm stehenbleibe, hebt er aufmerksam seinen Blick. Ich erinnere mich kaum noch an ihn. Nur die wenigen Bilder, die ich einmal in Mums Schrank gefunden habe, sind mir im Gedächtnis geblieben.

»Hallo, Riley«, grüßt er mich freundlich.

Ich lächle knapp und bedeute ihm mit einem Nicken, mir zu folgen. Als wir außerhalb Carols Hörweite stehen, blicke ich ihn erneut an. Seine eisblauen Augen wirken so fremd. Sein schwarzes Haar unterscheidet sich deutlich von meiner naturroten Mähne. Da er nicht mein leiblicher Vater ist, sind die Unterschiede zwischen uns nicht verwunderlich.

»Hallo, Ethan«, grüße ich zurückhaltend. »Wie kann ich dir helfen?« Er ist ein Fremder für mich, denn ich habe ihn seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen.

Er hebt kurz einen Mundwinkel und es ist, als würde er vehement versuchen, die richtigen Worte zu finden. »Ich bin froh, dass du immer noch meinen Nachnamen trägst. Sonst hätte ich nicht herausgefunden, dass du hier arbeitest«, erklärt er und ich runzle die Stirn. »Da deine Mutter nicht mehr mit mir spricht, war es nicht gerade einfach, Kontakt zu dir aufzunehmen.«

LOVE HER DEEPLY - Geheime SehnsuchtWhere stories live. Discover now