Das ist der schlimmste und längste Montag, den ich je durchleiden musste. Es regnet ununterbrochen, der Wind heult und ich übrigens auch. Ich kann mich kaum beruhigen, traue mich nicht aus dem Büro und die Aufgaben für den heutigen Tag sind unfassbar schlampig ausgearbeitet. Wie lange muss ich hier noch warten? Es ist schon längst Feierabend. Ich habe sogar die Autos auf den Parkplätzen gezählt, weil ich nichts habe, womit ich mich ablenken kann. Aktuell sind es noch sieben. Wer die vier anderen, armen Seelen sind, die immer noch in der Firma irren, weiß ich nicht, aber immerhin weiß ich, dass Miran nebenan ist. Ich habe ihn heute nur ein einziges Mal gehört und das nur, weil er jemanden angeschrien hat. Mein Herz raste, meine Finger zitterten. Ich konnte nur auf Toilette und meine übervolle Blase endlich entlasten, als Narin vor meiner Tür stand und mich hin und zurück eskortierte. Ich halte es nicht mehr aus, wann kommt er endlich?!

Ich schrecke auf, als die Tür nebenan aufgeht. Narin fordert hektisch, dass Miran mitkommen soll ... meinetwegen. "Schnell, ihre Allergie!" Meine Augen weiten sich. Das ist ein echt böses Manöver, aber innerhalb weniger Sekunden stürmt Miran mit einem Epipen panisch in mein Büro. Mein Herz schlägt sicherlich nahezu 200 Mal pro Minute und es wird kein Stück besser, als Narin die Tür zuknallt, dann wieder öffnet, um den Schlüssel herauszuziehen und uns einzusperren. "Klärt das Missverständnis sofort!", schreit sie. Ich bin überfordert und vor allem immer noch traurig. Miran bewegt sich kein Stück von der Stelle. Seine Brust hebt sich noch bedingt durch die Angst, was mich ein wenig besänftigt. Das sagt mir nämlich, dass er mich doch noch ein wenig mag. "Hallo", setze ich leise an, doch jegliche Folgeversuche bleiben in meinem Hals stecken, als er seine Augenbrauen zusammenzieht. "Es war nur ein Missverständnis, Miran." Meine Lippen beben. Er soll mich nicht abweisen. Ich habe doch endlich meine Oase gefunden. "Warum hast du mir nie gesagt, dass Narin deine Schwester ist?" "Du warst so gestresst ihretwegen, dass du dich nur noch verrückter gemacht hättest, wenn du es wüsstest." Er hat recht. Ich fahre mir seufzend durch mein Haar. "Du bist Guacamole." Ich kann das nicht mehr. Ich will auch nicht diskutieren und fragen, warum er dieses und jenes getan hat. Ich will einfach nur meinen Frieden zurück.

"Warum hast du nicht einfach mit mir geredet?", frage ich dennoch. Es wäre so viel leichter gewesen. Seine Strenge nimmt nicht ab, als er auf den Epipen in seiner Hand schaut. "Keine Anaphylaxie?" Ich schüttele den Kopf. Narin muss wohl sehr überzeugend gewesen sein. "Möchtest du nie wieder mit mir sprechen?" Bis jetzt sagt er nämlich immer noch nichts. Er atmet nur tief ein und durch die Nase wieder aus, als er die Augen schließt. "Was erwartest du von mir, Shirin?" Mir gefällt der ruhige, aber distanzierte Ton nicht. Was soll die Frage bedeuten? "Das ... was meinst du?" Will er es beenden? "Es war doch nur ein Missverständnis, Miran. Ich wollte Narin unbedingt erzählen, dass ich verliebt bin, ohne zu beichten, dass es unser Chef ist. Nur darauf fußt es!" Mirans Augen senken sich, seine Lippen pressen sich einen Moment zusammen, als er nachdenklich hin- und herschaut. Er scheint es erst jetzt zu realisieren, denn seine Hände fahren seufzend über sein Gesicht. Hinter ihm geht die Tür wieder einen Spalt auf, doch ich sehe Narin nicht. Stattdessen erblicke ich ihre Hand, die eine große Ladung Sushi mit zwei Dosen Cola Zero auf der Packung ins Büro schiebt, ehe sie wieder die Tür abschließt.

"Shirin", setzt Miran an und sofort schlägt mein Herz schneller. Er fährt sich ein erneutes Mal über sein Gesicht, seufzt gestresster und schaut mich dann an. "Ich komme mir so erbärmlich vor." Ich ziehe als Antwort meine Schultern an. "Ich ... weil du es immer verheimlicht hast und immer angespannt und nervös warst, wenn es zu dem Thema kam oder Narin mit einbezogen wurde und ..." Miran ringt nach den richtigen Worten, als er verdeutlichend seine Hände anhebt. Seine rechte Hand drückt dabei immer wieder auf dem Epipen herum. "Und dann die Worte am Montag ... ich saß direkt nebenan und habe die Kontrolle verloren." Sein Blick zeigt all seine Reue und es reichen nur zwei Schritte zu mir, damit ich schmolle und wieder anfange zu weinen. Nach einer Woche Abstinenz spüre ich endlich wieder seine Arme um mich. Miran drückt mich fest an sich, küsst meinen Scheitel und Hals, während er dabei die ganze Zeit um Verzeihung bittet und dabei auf die Knie fällt. "Magst du mich jetzt wieder?" "Ich habe dich immer geliebt, Shirin. Stell mir nie wieder so eine Frage." Aber ich brauche diese Bestätigung. Ich drücke mich nur noch fester an ihn. Die Erleichterung fließt in Form warmer Tränen aus meinen Augen. "Ich hätte dich niemals anschreien dürfen." "Ja", hauche ich. "Verzeih mir, Shirin." Miran löst sich von mir, um mir mein Gesicht trocken zu wischen und meine Handrücken zu küssen.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt