Kapitel 12

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Dass sich mein Abend so zum Positiven wenden würde, hätte ich niemals gedacht. Ich hatte Sushi und einen wunderschönen Tanz mit meinem Ehe-, ... Chef. Mit meinem Chef. Ich durfte an seiner Brust angelehnt sein und die Ruhe genießen, die sich langsam in mir breitmachte. Als wir dann wieder am Tisch saßen, mied ich Narins Blick. Ich war doch zu schüchtern, so mutig meine Nähe zu unserem Chef war. Langsam werde ich aber müde, muss aber noch mit meinem Chef die Gäste verabschieden. Danach kann ich schlafen. "Sind Sie nicht müde?", frage ich, nachdem wir irgendeinen CEO verabschiedet haben. "Nein. Sie etwa?" "Könnte einschlafen. Und mir tun die Füße in den Schuhen weh. Sie haben es da viel leichter." Ich schaue wieder zurück in den Flur und oh! Dr. Shana kommt! Mit ihrem riesigen Ehemann ist sie auch nicht zu übersehen. Ich schüttele ihr sofort die Hand. "Es war sehr nett, Sie kennenlernen zu dürfen. Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben. Haben Sie eine eigene Praxis?" Dr. Shana schmunzelt und lässt sich weiterhin die Hand von mir schütteln. Und je öfter ich sie lächeln sehe, desto stärker wird der Drang, das Lippenprodukt nachzukaufen. Ich muss es haben! "Nein, ich arbeite im Krankenhaus." Jetzt summe ich. "Wenn ich irgendwann mal ins Krankenhaus muss, dann werde ich darum bitten, von Dr. Shana behandelt zu werden." Jetzt schiele ich zu ihrem riesigen Mann. "Oder von Herr Dr. Shana." Ich habe seinen Namen vergessen. Ich weiß nur, dass er gigantisch ist, aber das scheint ihn nicht zu verletzten. "Von dem größten Arzt im Krankenhaus", füge ich noch schnell hinzu.

Als wir dann endlich mit allen Menschen durch sind, schnappe ich mir seufzend meine Tasche. "Wo ist Narin?" An ihrem Platz ist sie nicht. Vermutlich auf Toilette. Dann warte ich eben, schreibe ihr aber, dass ich gleich einschlafe, wenn sie sich nicht beeilt. "Ich fürchte, sie ist schon gefahren." Sie ist WAS? Ich drehe mich zu meinem mich bedauernd ansehenden Chef um. "Wohin gefahren?" "Nach Hause." "Und Sie sagen mir nichts?" "Ich habe die Vermutung. Ob es der Wahrheit entspricht, weiß ich nicht." Das kann nicht sein. In meinem Kopf rattert es, während ich ihn angestrengt anschaue. Narin ist weg? Warum ist sie schon ... Narin ist weg! Dieses Biest! Denkt sie wirklich, sie könnte meinen Chef und mich verkuppeln? Mit wem soll ich jetzt fahren? Ich werde ihn nicht fragen, ob er mich bei mir ablassen kann. Das ist mir zu unangenehm! Mein Blick gleitet zu den Eingangstüren, in der Hoffnung, dass Narin gleich auftaucht und mich mitnimmt. Ich will schlafen. "Sie sind gemeinsam hergefahren?" Ich nicke summend. Eine Decke wäre jetzt echt angenehm. "Dann werde ich Sie nach Hause fahren." Oh ... wie nett. "Das brauchen Sie nicht." Mein Herz rast allein bei der Vorstellung, wie wir gemeinsam in seinem Auto sitzen. Oh wow, ich stelle ihn mir so hübsch beim Autofahren vor.

"Shirin, wie wollen Sie sonst nach Hause?" Keine Ahnung. Ich möchte ja, aber ... nicht, dass ich ausrutsche oder wieder auf seinem Schoß lande und was ist, wenn ich dieses Mal sabbere? Ich drehe mich zögernd zu ihm um. So wie er dort steht, wartet er nur darauf, mich zu fahren. "Sie können den Tank von meinem Lohn abziehen", murmele ich. Mein Chef lässt sich seine bestürzte Reaktion nur durch das leichte Zusammenziehen seiner Augenbrauen kenntlich machen. "Shirin?" "Ja?" "Stehen Sie jetzt auf. Ich fahre Sie." Oh ... wie dominant. Ich darf nicht kreischen. Das kann ich machen, wenn ich zu Hause bin. Was jetzt aber eintreten darf, sind Bollywood-Lieder in meinen Gedanken. Wie nett mein Chef ist und mich nach Hause fährt. Aber Moment! Ich halte inne, als ich stehe. "Aber die Diskretion?", frage ich unsicher. Was ist, wenn das jemand mitbekommt? Was ist, wenn jemand es meldet? Kann man den Chef melden? Und wieso schaut er mich so verstört an? Mein Chef wirkt, als würde er die Welt nicht mehr verstehen, dabei habe ich doch recht! "Shirin?" "Ja?" "Laufen Sie jetzt endlich zu meinem Auto." Du lieber Scholli, er ist aber ungeduldig. Na gut. Ich will aber keinen Ärger kriegen, wenn etwas passiert!

Mit der Pfandflasche in der Hand treten wir in die Kälte. Puh! Wow, das ist aber eine Kälte! "Für dieses Wetter braucht man eine Winterjacke!" "Nehmen Sie mein Jackett." Gerade passieren so viele Dinge nacheinander, dass ich wirklich schüchtern werde. Ich würde das Angebot so gern annehmen, aber ich bin zu verlegen. Deshalb schaue ich nur mit großen Augen zu meinem großen Chef, bei dem ich vielleicht einen Herzinfarkt erleide. Noch nie in meinem Leben sah ein Mann so gut dabei aus, sich sein Jackett auszuziehen. Seine breiten Schultern und seine breiten Oberarme wirken in diesem weißen Hemd so künstlerisch. Ob man sie gegen Bezahlung berühren darf? Ganz diskret? Er hat wunderschöne Schultern. Darauf kann man sicherlich Bücher stapeln. Und oh! Sein Duft. Sein wunderbarer, herber, frischer Duft, der sich um meine Sinne legt, als er mir sein Jackett umlegt. Meine Haut kribbelt bei dem sanften Körperkontakt, selbst als er sich wieder von mir entfernt. Im Mondschein wirken seine Augen noch schöner. Wie gern ich meine Arme heben will, wie es mein liebster Schauspieler tut. Seine Haare sitzen so perfekt. Ich liebe es, wenn sie nach hinten frisiert sind. Mein Verlangen, durch sie zu fahren, steigt. Am liebsten würde ich ihn jetzt wieder wie eine Matratze nutzen.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt