Als er geendet hatte, erregte ein Tumult an einem Ende des Korridors seine Aufmerksamkeit, und er setzte hastig wieder eine Maske voll ängstlicher Sorge auf sein Gesicht.

Die bärtige Gestalt von Gavins Vater, Alwyn, führte eine zweite kleine Gruppe von Gelehrten an. Sie alle liefen schnell den Korridor entlang, auf Vater und Tochter zu. Alwyns Gesichtsausdruck sah fast so ängstlich und fürsorglich aus wie Bryns.

„Was ist denn hier los?", rief Alwyn ihnen aus der Mitte des Gangs zu. „Ich habe gehört das etwas schreckliches passiert sei....jemand rief nach einem Heiler! Ich habe meinen eigenen Leibarzt mitgebracht, nur für den Fall, dass er vielleicht-“

Sein Blick fiel auf Gwen und der alte Mann blieb wie angewurzelt stehen.

Es fiel Gwen äußerst schwer in diesem Moment einen ernsten Gesichtsausdruck beizubehalten. Sie konnte fast mit ansehen wie Alwyns gespielte Verwirrung zu durchaus echter Verwirrung wurde.

„König Alwyn! Ich selbst bin gerade erst angekommen“, sagte Bryn mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, den er zweifellos stundenlang vor dem Spiegel geübt hatte. „Ich wurde von Rufen nach einem Heiler geweckt, und ich kam her um zu sehen was geschehen war. Ich fürchte -“

„Wo ist mein Sohn?!“, verlangte Alwyn zu wissen. Seine Stimme klang viel weniger freundlich und sympathisch als noch einen Moment zuvor. „Was habt Ihr mit meinem Sohn angestellt?“

Einer der Heiler die ihr Vater mitgebracht hatte kehrte aus dem Schlafzimmer zurück, seine Stirn vor Verwirrung gerunzelt. Bryn wendete seinen Ausdruck der Besorgnis schnell in dessen Richtung und rang seine Hände.

„Ist alles in Ordnung mit meinem Schwiegersohn?“, fragte er und schaffte es noch verzweifelter und trauriger zu wirken. „Stimmt etwas nicht mit ihm?“

„Äh... ich weiß nicht genau“, sagte der kleine Bursche, und deutete mit seinem Daumen hinter sich. „König Gavin ist nicht da.“

„Oh Göttin! Wie konnte dies-“, begann Bryn zu klagen. Dann hielt er mitten im Satz verwirrt inne, als die Bedeutung der Worte in seinem Gehirn ankam. „Warte....was?“

Gwen schaffte es nur gerade eben nicht laut loszulachen. Es war eine der schwierigsten Taten, die sie je vollbracht hatte.

„Ich sagte, er ist nicht da“, wiederholte der Heiler schulterzuckend. „Und der Mann der da drin ist, scheint völlig in Ordnung zu sein.“

Wie aufs Stichwort tauchte eine zweite Gestalt aus dem Zimmer auf, die zaghaft und entschuldigend dreinschaute. Er stand ungelenk da, wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass er anstatt seiner normalen Gardistenuniform jetzt ein geschmackvolles Nachthemd und eine schwarze Hose aus Gavins Kleiderschrank trug. Er sah sich um, beugte seinen Kopf vor Alwyn und verharrte dann an Ort und Stelle, während er versuchte möglichst klein klein und unauffällig zu wirken.

Weder Alwyn noch Bryn wussten, wie sie mit dieser Entwicklung umgehen sollten, und beide starrten ratlos zuerst zu ihr, dann zu dem Ritter der Garde und dann zu dem Zimmer, aus dem er gerade gekommen war.

Nicht mehr in der Lage ihr Lachen noch länger zu unterdrücken, bedeckte Gwen in dem Versuch es doch noch aufzuhalten, ihren Mund mit ihrer Hand. Es gelang ihr nur teilweise.

Binnen kurzem hatten beide Männer ihre Aufmerksamkeit auf sie gerichtet, woraufhin sie es schaffte wieder die Kontrolle über sich selbst zu erlangen, ihren Rücken straffte, die beiden anlächelte und sich räusperte.

„Ja, tut mir leid... das ist alles ein wenig peinlich, aber ich kann es erklären“, begann sie strahlend. „Diese ganze Situation ist gänzlich meine Schuld. Es ist nämlich so, ich habe schon immer militärische Kleidung geliebt und ich vergöttere die Uniformen die die rhegarianischen Ritter tragen... sie sind so viel schnittiger als unsere tristen calderianischen Trachten. Vielleicht war es ein kindischer Wunsch, aber ich wollte unbedingt sehen, wie mein Ehemann in einer dieser Uniformen aussehen würde. Gavin schien einverstanden zu sein, also luden wir die beiden Ritter, die draußen vor unserem Zimmer Wache hielten, zu uns ins Zimmer ein und euer Ritter Roderrick hier...“ Gwen verbeugte ihren Kopf in Richtung des Nachthemd tragenden Mannes. „war so nett, Gavin seine Uniform anprobieren zu lassen.“

Tödliche Berührung (2012 WATTY-AWARDS-GEWINNER, Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt