Kapitel 23

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Ihr Plan war so einfach, dass er schon fast lächerlich erschien.

Gwen warte angespannt in der Nähe der Schlafzimmertür. Vor ein paar Minuten hatte sie Faryl, einen der beiden Ritter, die vor der Tür Wache gestanden hatten, losgeschickt – er lief gerade den Flur hinunter und rief aus voller Kehle nach einem Heiler. Alwyn würde sicher in Kürze davon erfahren. Wenn Bryn ebenfalls Leute hatte die ihr Zimmer beobachteten, was sowohl Gwen als auch Gavin vermuteten, dann würde es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis er ebenfalls hier auftauchte.

Die Aussicht ihrem Vater entgegenzutreten war sowohl aufregend als auch erschreckend.

Sie fragte sich für einen Moment, wie Gavin mit seinem Teil des Plans zurechtkam, weigerte sich aber, sich darüber Sorgen zu machen. Im Augenblick gab es vermutlich nichts, worüber man sich Sorgen machen musste – der Plan war überaus einfach, und wenn die Dinge auf seiner Seite schiefgelaufen waren, hätte sie vermutlich inzwischen davon gehört. Wenn die Dinge jedoch wie geplant gelaufen waren, dann lag das wichtigste sowieso schon hinter ihnen.

„Gwenwyn?!“, hörte sie ihren Vater durch die Tür rufen, kurz bevor er heftig dagegen klopfte. „Tochter? Was ist los? Sind alle wohlauf? Ich habe einen Heiler und seinen Gehilfen mitgebracht – Ich habe gehört, dass etwas Schreckliches passiert sei.“

Sie rieb sich kräftig die Augen, um es so aussehen zu lassen, als hätte sie geweint, und überprüfte kurz ihr Werk in der reflektierenden Oberfläche einer in der Nähe stehenden Silberschale. Dann, nachdem sie der einsamen Figur die neben dem Bett saß kurz zugenickt und ihm ein beruhigendes Lächeln zugeworfen hatte, öffnete Gwen langsam die Tür und ging mit gesenkten Kopf aus dem Zimmer.

Ihr Vater stand zusammen mit einem kleinen Gefolge von gelehrt wirkenden Männern im Flur. Bryns Gesichtsausdruck war eine perfekte Mischung aus Ernst und Unruhe. Er schwitzte väterliche Fürsorge praktisch aus allen Poren. Wenn Gwen ihren Vater nicht so gut gekannt hätte, hätte ein Teil von ihr vielleicht tatsächlich geglaubt, dass er sich um sie sorgte, oder dass ihm zumindest ein klein wenig an ihr lag.

Bei ihren Anblick wirkte er erleichtert und begann dann Befehle an seine Begleiter zu brüllen.

„Schnell, hinein! Worauf wartet ihr denn noch?“, rief Bryn und machte eine Geste zur offenen Tür. „Etwas stimmt mit Prinz Gavin nicht! Kümmert euch um ihn!“

Die kleine Gruppe von Heilern eilte hinein und ließen Bryn und Gwen im stillen Korridor zurück. Das Schweigen zwischen ihnen hielt nicht lange an.

„Sprich, Tochter“, murmelte Bryn leise.

„Was wollt Ihr von mir hören?“, fragte sie kühl, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Bryn lachte. „Das reicht schon! Nun denn, es ist vollbracht! Du hast ihn geküsst. Du wirst nichts mehr tun oder sagen, wenn du weißt was gut für dich ist, Gwenwyn, es sei denn ich befehle es dir.“ Seine Anweisungen wurden von einem selbstgefälligen Grinsen begleitet.

Gwen drehte sich von ihm weg, den Kopf immer noch gesenkt, und hoffte, dass sie mürrisch und besiegt aussah. Wie sie vermutet hatte, dauerte es nicht lange, bis er mit seinem Sieg zu protzen begann.

„Na sieh mal einer an. Du bist nicht nur frisch frisch verwitwet, Tochter, du bist nun auch eine Königin!“, sagte er leise. Unter der oberflächlichen Höflichkeit war seine Stimme erfüllt von Hohn. „Wie fühlt es sich an? Du solltest wirklich versuchen es zu genießen, solange es anhält. Wir werden morgen am Gottesdienst teilnehmen, du und ich, und wenn die Göttin deine heutigen Taten hier nicht gutheißt, könnte deine Regentschaft die kürzeste in der Geschichte unseres Königreichs sein.“

Sie stand weiterhin einfach nur da, und versuchte ihren Gesichtsausdruck so teilnahmslos wie möglich zu halten.

„Gewiss, was du getan hast mag vielleicht nicht als Verbrechen angesehen werden, und du könntest weiterhin den Göttlichen Segen empfangen. Für diese Möglichkeit habe ich ebenfalls vorgesorgt.“ Er warf ihr ein Lächeln voller Bosheit zu. „Später, wenn diese ganze Schau hier vorbei ist, werde ich dich beiseite nehmen um dir zu erzählen, was passieren wird, wenn Eirene dich weiterhin als Königin in Erwägung zieht. Wenn ich genau darüber nachdenke, wirst du vermutlich die Verurteilung und Verbannung bevorzugen.“

Tödliche Berührung (2012 WATTY-AWARDS-GEWINNER, Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt