Alles kam wieder ins Lot. Ihre alte Kraft kehrte zurück.
An diesem herrlich kristallklaren, türkisfarbenen Wasser konnte sie sich gar nicht sattsehen. In der Sonne glitzerte und funkelte es, als wären Juwelensplitter darin verstreut. Am liebsten hineinspringen und schwimmen bis zum Horizont! Ja, das musste sie sein, die karibische See - sie waren da, sie hatten das Ziel erreicht! Ein Prickeln durchzog ihren ganzen Körper. Ihr Traum wurde wahr!

Ich habe es geschafft, sang es in ihr. Genau so hatte sie es sich erträumt, seit sie von Süderoog aufgebrochen waren. Zwar sollte es in diesem Paradies gelegentlich heftige Stürme geben, jedoch nur in bestimmten Monaten. Bis dahin wollten sie wieder auf der Rückreise sein. Doch soweit war es noch nicht. Die Inseln hatten sie noch gar nicht gesehen.
DIE INSELN.

Schlagartig stand ihr wieder der Plan vor Augen. Die Zeit war gekommen! Zum Glück hatte sie Freiwache und konnte sich ungestört ihren Gedanken widmen. Dem geheimnisvollen Ruf war sie gefolgt, die erste Etappe ihres Weges war erreicht. Nun konnte sie die Suche nach den Eltern in Angriff nehmen. Dieser schreckliche Glaubenskrieg, von dem Roluf erzählt hatte ... ganze Familien waren geflohen, manche sogar bis nach Übersee, in die Kolonien. Vielleicht hatten ihre Angehörigen sich damals auch zu einer Überfahrt in die Neue Welt entschlossen? Doch dann hatte die tückische Nordsee ihr Schiff zu Brei zerschlagen. Es musste einen Grund dafür geben, dass sie manchmal so lebhaft von ihren Eltern träumte! Entweder fand sie auf den karibischen Inseln Hinweise auf ihre Familie, oder sie musste umkehren und die Suche an der Nordseeküste entlang fortsetzen.

Und wenn alle, wirklich alle, an jenem Unglückstag ertrunken sind und du die einzige Überlebende bist? flüsterte eine hartnäckige Stimme in ihr. Was machst du dann?

Sie biss die Zähne zusammen und horchte in sich hinein. Ja, was dann? Wenn die Hoffnung vergebens war, alle Spuren sich ins Nichts auflösten? Wollte sie wirklich bis an ihr Lebensende einem Traum nachjagen? Nein, das bestimmt nicht, dann ... dann würde sie aufgeben, aber stets Augen und Ohren offenhalten. Vielleicht gab es irgendwann einen Wink des Schicksals, manchmal brauchte es nur einen dummen Zufall. Oder ein Wunder. Später einmal würde sie genug Geld durch ihre Heuer erwirtschaftet haben, das für ein Häuschen auf Strand reichte und sich in Eiliens Nachbarschaft niederlassen. Aber da war der Blanke Hans ... wollte sie ewig unter seiner Fuchtel leben wie die Strandinger? Vielleicht sollte sie lieber in der Karibik bleiben und dabei helfen, eine Kolonie aufzubauen. Roluf wollte sie ja unbedingt mit einem reichen Pflanzer verheiratet sehen. Obwohl das nicht nach ihrem Geschmack war - eher schon mit einem Reeder. Mit Schiffen kannte sie sich schließlich aus. Mal sehen, was die Zukunft für sie bereithielt. Der Ruf, dem sie übers Meer gefolgt war, war noch nicht verhallt, ihr Ziel noch nicht erreicht. An einem mysteriösen Ort wartete ihre wahre Bestimmung.

Sie streichelte die Reling, das polierte Holz, spürte mit den Fingern die Kerben nach. Was hatte sie in den letzten Tagen gesagt? Blödes Schiff? Sie war wirklich nicht mehr sie selbst gewesen, sie liebte doch das Schiff. »Zeelandia«, flüsterte sie, »es tut mir leid. Sind wir noch Freunde, du und ich?« Die Segel über ihr flappten leise. Hoffentlich war das die Antwort, und es bedeutete JA?

 Hoffentlich war das die Antwort, und es bedeutete JA?

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🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now