4. Kapitel

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Liebes Tagebuch,

Heute ist etwas sonderbares passiert. Wie du weißt sollte ja heute ein Pferd ankommen, um das wir uns kümmern sollten. Stadtdessen ist es ein kleines Fohlen. Das ist natürlich viel schöner. Ich habe schon seine ganzen Sachen eingeräumt. Hoffentlich bleibt es lange. Wie soll ich es nennen?

Jades POV.
Ein Tagebuch! Ich fragte mich wie alt das Mädchen dort gewesen sein muss. Und warum sie das Buch hier liegengelassen hatte. Ich wollte es gerade umblättern, doch ich hielt inne. Ein Notizbuch durchzublättern wäre in Ordnung aber ein Tagebuch? Kurz entschlossen legte ich es zurück in den kleinen Hohlraum und nahm mein Notizbuch aus dem Rucksack.
Wieso lässt jemand sein Tagebuch in einem alten Haus?

Dieser Frage sollte ich nachgehen. Entschlossen klappte ich das Buch zu und suchte nach einem Versteck. Und tatsächlich: Es passte haargenau zu dem Tagebuch in den Hohlraum. Ich schwang mich vom Balken, angelte meinen Rucksack und begann meine Kisten auszupacken. Zuerst nahm ich mir die Klamottenkiste vor. Nachdem alles feinsäuberlich im Schrank lag, holte ich meine Bücher raus und ordnete sie. Danach kam der ganze Rest, wie Reithelm, Gerte und 'Kosmetik', bis auf eine Kiste. Die kam jetzt dran. Darin waren meine Heiligtümer: Poster, Bilder und Figuren von Einhörnern. Ich hatte nicht die, mit pinkem Fell und Blümchen im Haar, sondern die geheimnisvollen. Ich hängte die Bilder und Poster zu den Pferdepostern und verteilte meine Figuren. Mein heiligstes Stück kam oben aufs innere Fensterbrett des Giebelfensters. Eine feine Kette mit einem wunderschönen Einhorn aus Glas. Ich hatte sie vor Ewigkeiten gefunden. Ich hing sehr daran. Ich weiß auch nicht wieso, aber es fühlte sich so an als ob ich sie mit meinem Leben beschützen müsste.

Endlich war ich fertig mit auspacken. Mein neues Zimmer sah total gemütlich aus. Ich hatte auch schon über dem Bett mein Einhornwandtattoo an die Wand geklebt. Ich bewunderte es gerade als meine Mutter reinkam: " Kommst du? Es gibt Essen. Wow hübsch hast du es dir gemacht" "Ja ich komme Mom." Sie hatte wirklich nicht die Balken bemerkt auf denen man sitzen konnte. Ich liebte dieses verwinkelte Zimmer. Noch ein kurzer Blick und ich verschwand nach unten. Es gab Lasagne. Mir lief das Wasser im Munde zusammen und ich setzte mich schnell. Als wir alle aßen fiel mir etwas ein: "Du Mom? Also es gibt hier auf dem Gelände einen Stall mit Weide. Und da wollte ich dich fragen, denn wir leben ja jetzt auf dem Land, ob ich ein Pferd kriegen könnte?" Meine Eltern schauten mich skeptisch an: "Glaubst du du würdest das schaffen? Bald fängt die Schule wieder an. " "Schon klar es ist euch zu teuer." Ich stand auf und nahm meine Jacke. "Wohin willst du denn?" "Ich geh mir den Stall anschauen. Ach übrigens... Die Sommerferien haben gestern angefangen!" Bevor meine Eltern etwas erwidern konnten schlüpfte ich aus der Küchentür ins Freie. Ich hüpfte über das dürre Gras Richtung Zaun. Ich stemmte mich an den Balken hoch und sprang drüber. Übermütig machte ich mich auf den Weg zu dem kleinen Holzgebäude. Ich stieß die Tür auf und atmete tief ein. Es roch noch nach Pferd. Die Vorbesitzer waren scheinbar noch nicht lange ausgezogen. Ich atmete nochmal den Geruch ein und rümpfte die Nase. Ausgemistet hatten sie auch nicht. Meine Augen gewöhnten sich langsam an das Abendlicht, dass durch die verschmutzen Scheiben fiel. Da entdeckte ich in der Box ein kleines, unscheinbares Pony. Es schien keine 6 Jahre alt. Es bestand nur noch aus Haut und Knochen. Ich ging zur Box und löste den Strick. "Du Arme! Wer hat dich denn hier gelassen." Ich streichelte sie. Erst schien es ihr zu gefallen, aber dann wieherte sie laut und wich zurück. In ihrer Miene lag Trauer und Angst, aber komischerweise auch Liebe.

Morgentau POV.
Nach Wochen kam tatsächlich ein Mensch in den Stall. Als ich die Augen kurz öffnete sah ich ein Mädchen, etwa so alt wie Sophie. Sie sah sich um und wandte sich dann erschrocken zu mir. Sie löste meinen Strick und streichelte mich. "Du Arme! Wer hat dich denn hier gelassen." So lieb hatte mich seit Sophies Tod keiner mehr behandelt. Erst genoss ich mal wieder gekrault zu werden, aber dann dachte ich an Sophies Tod. Dieses Mädchen hatte es nicht verdient auch zu sterben. Ich wich mit einem Wiehern zurück und drückte mich panisch gegen die Wand. Ich sah ihren verwirrten Gesichdausdruck und schlug meine Augen nieder.

Jade POV.
"Was hast du denn?" Dann kam es mir aber besser vor sie nicht mehr zu belästigen. Wahrscheinlich brauchte sie einfach Zeit Menschen zu vertrauen. Ich beschloss einen Tierarzt zu rufen. Schnell rief ich Mum an: "Mum. Schnell ruf einen Tierarzt. Hier ist ein verwarlostes Pony im Stall." Wahrscheinlich verstand sie nicht wirklich worum es ging, aber sie handelte scheinbar sofort, denn 10 Minuten später stand ein junger Tierarzt im Stall. "Na wen hast du denn da aufgegabelt?" Besorgt schaute er die kleine Schimmelstute an. "Kennen sie sie?" "Nein, ich bin ebenfalls erst vor kurzem hierher gezogen. Ich werde sie jetzt erstmal untersuchen. " Er öffnete die Boxentür und klappte seine Tasche auf. Nach einigen Minuten kam er wieder heraus. Ängstlich schaute ich zu ihm hoch: "Und?" "Sie ist stark unterernährt, vermutlich mehrere Wochen nicht gefüttert. Sonst ist sie medizinisch gesehen nicht weiter krank. Du solltest ihre Box erstmal gut ausmisten und auch sonst alles putzen. Ich schreibe dir ein spezielles Futter, was sie aufpäppeln wird, auf. Dazu am besten jeden Tag auch eigene Breie aus Möhren, Äpfeln und Kleie zubereiten. Außerdem sollte sie mal auf die Koppel kommen. " Er schrieb etwas auf einen Zettel und reichte ihn mir. Meine Mutter trat aus dem Schatten und bedankte sich genau wie ich und begleitete ihn bis zum Auto. Ich blieb bei der Stute. "Ich werde dir jetzt erstmal was zu futtern holen okay?" Ich ging zu Futterkiste und suchte nach dem Futter auf dem Zettel. Leider war es nicht da. Also entschied ich mich erstmal etwas Kraftfutter und füllte ein Heunetz auf. Vorsichtig ging ich in die Box und schüttete das Futter in die Raufe. Dann holte ich das Heunetz und tauschte es mit dem alten. Zu guterletzt füllte ich ihr noch einen Eimer Wasser. "Jetzt friss erstmal." Leise ging ich wieder raus. Langsam hob das Pony den Kopf und trottete zu Raufe. Dort aber begann sie sich rasend schnell über das Futter herzumachen. Auch aus dem Heunetz rupfte sie gierig Halme. Lächelnd füllte ich etwas nach. "Morgen miste ich aus. Wenn ich nur wüsste wie du heißt..." Da kam mir ein Gedanke: War das vielleicht das kleine Fohlen aus dem Tagebuch? Eins war klar. Um das herauszufinden musste ich es lesen.

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