Bis dahin hatte ich immerhin das Scheinwerferlicht gehabt. Nun hockte ich im Dunkeln da. Der dunkle Himmel spannte sich über meinen Kopf und schwarze Tannen ragten bedrohlich von der Seite auf die Straße. Wie Klauen griffen ihre langfingrigen Äste nach meinem Auto, als wollten sie mich in die Tiefen des Waldes ziehen. Nun zitterte ich doch. Na super, meine eigenen Gedanken machten mir Angst.
Der überstürzte Aufbruch hatte mich alles vergessen lassen. Taschenlampe, Decke, Ersatzreifen samt Schneeketten. Das alles lagerte gut verstaut in einem dunklen Kellerraum, den ich im Jahr vielleicht einmal betreten hatte und nie mehr betreten würde. Soll er seine Taschenlampen, Ersatzreifen und Schneeketten doch für sich behalten, dieser aufgeblasene, neunmalkluge ...
Wie auf Kommando begann mein Herz mit rasender Geschwindigkeit zu schlagen. Die Luft um mich herum wurde stetig kühler und an den Rändern der Fensterscheiben bildeten sich kleine Frostblumen. Als ich sie mit den Fingern berührte, zuckte ich vor der Kälte zurück. Prüfend hielt ich mein Smartphone in die Höhe, doch am Empfang hatte sich leider nichts geändert, so sehr ich mich auch streckte ... Halt, Stopp! Da war ein Balken! Und noch einer! Der Empfang schien hinten im Wagen tatsächlich besser zu sein als vorne.
Kurzerhand kletterte ich über die Mittelkonsole. Angestrengt atmend stützte ich mich mit der linken Hand auf dem Sitzpolster ab, während die andere Hand verzweifelt nach weiteren Balken suchte.
Mein Fuß blieb irgendwo am Sitz hängen und ich hockte in einer ziemlich unbequemen Position halb in der Luft, halb auf der durchgesessenen Rückbank. Mit einem Arm klammerte ich mich an die Kopfstütze, während ich eine Nachricht tippte.
Anna, ich brauche Hilfe. Sitze fest und komme nicht weiter. Kannst du jemanden vorbeischicken? Sende dir meinen Standort.
Meine Finger zitterten vor Anstrengung, nachdem ich die Nachricht endlich gesendet hatte, und eine feine Schweißschicht zeichnete sich auf meiner Stirn ab.
»Uff.«
Oh Gott, im nächsten Jahr werde ich wirklich wieder mit Sport anfangen, ich schwöre es. Wie unsportlich kann ein Mensch nur sein?
»Brauchen Sie vielleicht Hilfe?«

Das energische Klopfen dröhnte in meinem Kopf wie ein Presslufthammer auf Asphalt und vor Schreck ließ ich mein Handy fallen. Es landete im Fußraum vom Beifahrersitz. Zusätzlich stieß ich mir den Kopf an der Decke an.
»Autsch ... ja! Was?«
Eine verschwommene Silhouette formte sich vor dem beschlagenen Fenster. Kurz darauf fuhr ein Ärmel über die Scheibe. Das Licht einer Taschenlampe traf mich und ich blinzelte im grellen Schein unbeholfen. Erst nachdem sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, konnte ich den äußerst hübschen Kopf mit dunklen Locken und ebenso dunklen Augen ausmachen, der da durch das freigewischte Fenster schaute. Er runzelte die Stirn.
»Brauchen Sie Hilfe?«, fragte der Mann erneut. Ich konnte gar nicht schnell genug nicken. Erst jetzt bemerkte ich den Wagen, der mit Warnblinker hinter mir stand.
»Ja!«, rief ich durch die geschlossene Scheibe und immer noch in einer Haltung, über die sich mein Rücken in wenigen Stunden lauthals beschweren würde.
»Moment, ich klettere nur schnell nach vorne.«
Mit so viel Grazie wie möglich, rutschte ich wieder auf den Fahrersitz und stieß die Autotür auf. Eine eisige Kälte fuhr mir durch mein Haar und bis in die Knochen. Von den saunaähnlichen Temperaturen war nichts zurückgeblieben. Stattdessen bekam ich den Winter mit voller Macht zu spüren. Dicke Schneeflocken wirbelten umher.
»Sommerreifen, was? Kein Wunder, dass Sie stecken geblieben sind. Das hätte übel enden können.« Ich kam nicht umhin, den stichelnden Unterton zu registrieren.
»Kein Grund, mir einen Moralpredigt zu halten. Die Reifen sind weniger das Problem. Der Motor spinnt. Er ist einfach ausgegangen und jetzt bekomme ich ihn nicht mehr zum Starten.« Ich reagierte mit einer für mich ungewohnt bissigen Manier, was mich selbst ein wenig nervte. Was war denn los mit mir? Immerhin versuchte er mir gerade zu helfen.
Die hochgezogenen Brauen machten mich noch rasender. Um meine Finger vor der Kälte zu schützen, verschränkte ich die Arme und vergrub meine Hände unter den Achseln.
»Sie haben nicht zufällig ein Abschleppseil dabei, oder?«, versuchte ich es in einem versöhnlicherem Tonfall.

24 Lichter | 2023Onde histórias criam vida. Descubra agora