achtzehn

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Wir gehen zu Fuß zu Jonathan, er wohnt nicht besonders weit entfernt. Auf dem Weg gibt Theo mir noch ein paar Anweisungen. „Also, kein Alkohol, verstanden? Pass auf, was man dir in den Drink tut, am besten trinkst du nur das, was du dir selbst genommen hast, egal von wem. Und halt dich möglichst in der Nähe von meinen Freunden oder mir auf oder bei Leuten aus deiner Stufe, die du kennst."

Ich nicke. „Ja, mach dir mal nicht zu viele Sorgen."

„Um Viertel vor eins bringe ich dich nach Hause. Falls wir uns aus den Augen verlieren, achte zwischendurch mal auf dein Handy."

„Okay.", sage ich. „Entspann dich mal ein bisschen. Ich bin auch keine zehn mehr."

Theo lacht. „Ich weiß, aber ich kann mich trotzdem nicht entspannen."

Als wir bei Jonathan ankommen, schallt schon laute Musik aus dem Haus. Die Haustür steht offen und so können wir einfach hinein gehen. Drinnen ist alles voll mit Menschen. Die meisten kenne ich nicht oder nur flüchtig vom Sehen.

Wir bahnen uns einen Weg durch die Leute, bis wir in der Küche auf Jonathan, Leon und Josh treffen. Jonathan umarmt uns zur Begrüßung. „Gut siehst du aus, Malu! Schön, dass du da bist."

„Danke.", sage ich ehrlich.

„Hallo, freust du dich auch über mich?", fragt Theo empört. Den Rest des Gespräches verfolge ich nicht mehr wirklich. Joshs Blick ist auf mich gerichtet, wandert meinen Körper hinab und dann wieder zurück zu meinen Augen. Ein Schauer durchfährt mich.

Josh breitet seine Arme aus und umarmt mich zur Begrüßung ein bisschen länger, als es nötig wäre. Am liebsten würde ich irgendwohin mit ihm verschwinden und ich spüre, dass es ihm genauso geht. „Du siehst unglaublich schön aus.", flüstert Josh während der Umarmung in mein Ohr. Ich muss lächeln. Dann löse ich mich wieder von ihm, damit es nicht allzu auffällig ist. Theo scheint jedoch nichts mitbekommen zu haben.

„Malu!", höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir und ich fahre herum. Emma umarmt mich zur Begrüßung. Überrascht lächele ich.

„Hey!"

„Wie cool, dass du auch hier bist, damit hätte ich gar nicht gerechnet!", sagt Emma. „Ich wollte mir gerade was zu trinken holen, möchtest du auch was?"

„Gerne.", sage ich. Ich bediene mich an der Limo, während Emma sich irgendetwas zusammen mischt. „Komm, wir gehen tanzen!", sagt Emma dann und bevor ich protestieren kann, zieht sie mich hinter sich her auf die Tanzfläche. Ich werfe Theo noch einen Blick zu, er nickt lächelnd.

Emma und ich schließen uns der Gruppe von ihren Freundinnen an. Es macht Spaß mit ihnen zu tanzen. Sie scheinen alle schon ziemlich betrunken zu sein, während ich natürlich stocknüchtern bin – trotzdem habe ich meinen Spaß.

Eine Ewigkeit tanzen wir einfach nur, dann beschließe ich, dass es sinnvoll wäre, mal kurz nach meinem Bruder zu schauen und ihm ein Update zu geben, dass es mir gut geht. Ich habe keine Ahnung, wo er sich herumtreibt. Ich versuche es zuerst im Garten. Die frische Luft und eine Pause tun mir ohnehin gut.

Suchend blicke ich mich um. Um den Pool herum und auf der Terrasse sitzen Menschen, aber Theo scheint nicht dabei zu sein. Ich will gerade wieder reingehen und meine Suche im Haus fortsetzen, als ich unter dem Kirschbaum neben der Terrasse zwei Menschen sehe – Theo und Josh. Ich laufe von hinten auf sie zu.

„Jetzt mach doch nicht so ein riesiges Geheimnis daraus!", höre ich Theo sagen. „Wir haben uns immer von allen erzählt. So macht die Wette keinen Sinn, wenn du mir nicht sagen willst, wer deine Nummer 46 war."

Ich bleibe stehen und bewege mich nicht weiter. Sie haben mich nicht bemerkt. „Ist doch nicht wichtig, du kennst sie halt nicht!", sagt Josh.

„Zeig mir wenigstens ein Bild. Wie soll ich dir sonst glauben?"

Josh stöhnt genervt auf. „Ich habe kein Bild von ihr. Aber sie war echt gut."

„Ach ja? Also seht ihr euch wieder?", fragt Theo.

„Ich denke schon.", antwortet Josh. Das ist der Zeitpunkt, in dem ich mich räuspere, um auf mich aufmerksam zu machen. Die beiden fahren herum.

„Ist das dein Ernst?", bringe ich hervor. Meine Stimme zittert. Ich weiß nicht, ob ich wütend, enttäuscht oder verletzt sein soll – irgendwie bin ich alles gleichzeitig.

„Malu...", setzt Josh an. „Lass mich..."

„Nein." Ich schüttele den Kopf. „Ich lass dich gar nichts erklären. Die Nummer 46? Das bin ich also für dich?" In diesem Moment bin ich so wütend, dass mir Theos Anwesenheit egal ist. Das zwischen Josh und mir hat sich hiermit ohnehin erledigt. Soll Theo doch davon wissen.

"Das ist nicht wahr, oder?", fragt der jetzt kühl. Er wendet sich zu Josh. „Meine Schwester? Du hast meine Schwester gevögelt?"

„Theo, ich...", setzte Josh an. Im nächsten Moment landet Theos Faust ungebremst in Joshs Gesicht. Dieser stöhnt auf und geht in die Knie. Aus seiner Nase tropft Blut, doch in diesem Moment kann ich keinen Funken Mitleid für ihn aufbringen.

Theo wendet sich an mich. „Ich fass es nicht, ehrlich.", zischt er. „Mein ganzes Leben lang gebe ich mir Mühe, irgendwie auf dich aufzupassen. Und dann machst du sowas. Ich hätte gedacht, du weißt es besser."

„Ach ja?", rufe ich. „Du bist doch kein Stück besser als Josh. Wie ich gehört habe, bist du auch schon fast bei der Nummer 50 angelangt. Du nutzt Mädchen aus, um sie dann fallen zu lassen. Ihr mit eurer scheiß Wette!" Meine Stimme überschlägt sich fast. Ich würde gerne noch so viel mehr sagen, doch das würde es nicht besser machen. Stattdessen drehe ich mich um und laufe zurück ins Haus.

Ich schließe mich kurz im Bad ein und schaue mich im Spiegel an. In mir brodelt die Wut. Ich werde jetzt nicht heulen. Ich werde meine Krone richten und da rausgehen und Josh verdammt nochmal zeigen, was er verpasst. Ich kühle mein Gesicht kurz mit kaltem Wasser, dann verlasse ich das Bad.

Im Flur steht ein Typ, der offenbar ziemlich betrunken ist. Er zieht die Augenbrauen hoch, als er mich sieht. Dann hält er mir seinen Becher hin, in dem sich ein undefinierbares Getränk befindet. „Hier, Kleine. Trink das. Ich glaub, du kannst es besser gebrauchen als ich.", nuschelt er.

Scheiß drauf. Scheiß auf alle Regeln und auf diese doofe Krankheit.

Ich nehme den Becher wortlos an und nehme ein paar große Schlucke. Es schmeckt so ekelhaft, dass ich mein Gesicht verziehe. Aber solange es Wirkung zeigt, ist mir alles egal. Hauptsache, ich kann das alles kurz vergessen.

controlWhere stories live. Discover now