19.Kapitel

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Donnerstag, 15:04 Uhr

Eine ganze Stunde ist vergangen seit ich wieder Zuhause angekommen bin. Zehir hat mich abgelassen und ich bin, ohne ein Wort mit ihm zu sprechen, ausgestiegen. Kaum habe ich einen Schritt ins Emirhans Haus gemacht, bin ich auf eine besorgte Lale und Eda getreten. Sie haben mich wohl mehrfach versucht zu erreichen, aber da ich mein Handy nicht bei mir hatte, bin ich ja auch nicht ran gegangen. Er hatte mein Handy. Und er hat dann auch gesehen, dass sie versucht haben mich zu erreichen. Apropos mein Handy. Ich habe vergessen Yasin noch zu schreiben. Ich werde ihm die Nachricht, die Aslanoğlu geschrieben hat, erklären und ihm auch alles erzählen. Die ganze Entführung und sein provozierendes Verhalten. Ob er schon in Italien ist? Es ist nachmittags. -Er wollte vormittags los. Aber vielleicht hat er auf eine Antwort meinerseits gewartet? Am besten rufe ich ihn, nachdem ich aus der Dusche bin gleich an.

Das lauwarme Wasser prasselt auf meinen ganzen Körper und gibt mir das Gefühl der Erfrischung. Die Duschkabine ist so groß, dass ich mich im Schneidersitz auf den Boden gesetzt habe. Ich habe meine Kopfhaut und meine Haare gründlich, lange gewaschen und meinen Körper dreimal mit meinem Duschgel. Dreimal, das war wichtig. Seine Hände haben mich berührt ... Meine Duschroutine ist fertig, aber ich will noch nicht raus. Ich will noch nicht von Edas und Lales Fragen bombardiert werden. Eine kurze Pause in der Dusche. Ja, das ist alles. Danach Yasin anrufen, mit ihm reden, etwas essen und bisschen schlafen. Mehr will ich heute nicht. Ich streiche meine nassen Haare nach hinten und schließe die Augen. Und in der nächsten Sekunde taucht schon das dunkle Augenpaar vor mir auf. Sofort will ich die Augen aufmachen, um sie nicht mehr zu sehen, aber sie bleiben zu. Meine Augen bleiben zu und die dunklen Augen bleiben vor mir. Ich weiß nicht, warum ich es nicht tue. Das Bild von ihm taucht als Nächstes auf. Auf dem gleichen Stuhl sitzend. In der gleichen Position. Breitbeinig und seine Ellbogen auf seinen Oberschenkeln. Schwarze Kleidung. Wenn ich jetzt so zurückdenke ... Er hat seinen Bart wachsen lassen, seine Haare waren aber kürzer. Ich ... ich ... und es waren die gleichen ... die gleichen Muttermale ... an der gleichen Stelle. Atme zittrig aus, aber lasse die Augen weiterhin geschlossen.

,,Güzelim."

Mein Kopf dreht sich nach rechts, als plötzlich seine Stimme ertönt. Und danach nach links. Ich muss nicht die Augen öffnen, um sicherzugehen, dass er nicht da ist. Er ist nicht hier. Ich spüre es. Es klang aber so echt. So real, obwohl alles eine falsche Lüge war. Trenne meine nackten Beine voneinander und ziehe sie an meinem Oberkörper, wickele sie mit meinen Armen um. Mit dem Ablegen von meinem Kinn an meinem Knie kommt die Erinnerung von dieser Position hoch. Früher hätte ich das unter der Dusche öfters gemacht. Als ich klein war. Als ich die Ruhe, die ich gesucht habe, kurzzeitig unter der Dusche gefunden habe. Es war schön eine sehr kurze Zeit, die Augen zu schließen und unter den Wassertropfen sich zu verstecken. Würde ich diesen Zustand als sorgenlos bezeichnen, wäre es eine Lüge. Die Sorge, das ich zu viel warmes Wasser verbrauche und für meine Brüder nichts bleibt, wäre immer in meinem Hinterkopf geblieben. Dusche nicht so lange! Sonst haben wir wegen dir kein Wasser mehr! Absurd, dass es von dem Mann kommt, der keinen einzigen Cent nach Hause gebracht hat. Oder, Baba? Wer hat das Geld nach Hause gebracht? Wer hat die Schule abgebrochen, weil ein verfickter alkoholabhängiger Bastard seine Vaterrolle nicht übernommen hat? Ich. Ich war es. Efsane. -Die Tochter, die für dich nicht einmal existiert hat. Aber keine Sorge. Ich sehe dich auch nicht als Vater. Du hast als Vater in meinem Leben auch kein einziges Mal existiert. Wir kennen uns nicht.

Schlucke leise und öffne meine Augen langsam. Das Bild von ihm ist weg. Seine Stimme ist weg. Der Gedanke an Baba ist weg. Mit einem leeren Blick schaue ich auf den Boden. Ich sollte langsam aufstehen. Mir Schlaftabletten reindrücken und schlafen. Dann kann ich auch besser schlafen bestimmt. Ich weiß nicht, warum ich gerade so lustlos und erschöpft bin, aber ich will gerade nur Ruhe. Ruhe und Schlaf. Auch wenn es mir schwerfällt aufzustehen, tue ich es. Die nächsten Minuten ziehen an mich vorbei. Meine Pyjamas sind an, meine Haare noch nass. Mir fehlt die Kraft sie zu trocknen. Das Fenster in meinem Zimmer ist geschlossen, weshalb ich dorthin laufe. Es regnet. Wie schön. Ich will raus. Aber sogar dafür fehlt mir die Kraft, obwohl ich das gerne mache. Als ich das Fenster auf Kipp mache, klopft es an meiner Tür. ,,Kann ich rein?" höre ich Lales Stimme. Ich antworte ihr nicht, öffne aber die Tür für sie. Sie schaut mich immer noch besorgt an, aber zieht ihre Brauen zusammen, als sie meine nassen Haare sieht. ,,Willst du dir eigentlich eine Erkältung schnappen? Und das Fenster ist auch geöffnet. Sag mal!" Sie läuft an mir vorbei, schließt das Fenster und den Vorhang noch obendrauf. Ich wollte doch die Regengeräusche hören. Oh man. ,,Na komm. Ich trockne dir deine Haare." sagt sie und setzt sich, an ihrem Bauch haltend, auf mein Bett. Lale will mir die Haare trocknen? Sie? Schlucke unauffällig und schüttele meinen Kopf leicht. ,,Nicht nötig." murmele ich. Ich muss mir ein Glas Wasser holen, um die Tablette runterzuschlucken.

TURKISH REVENGEWhere stories live. Discover now