Chapter 1

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*Freya*

Gib niemals auf. Niemals. Das ist das einzigen, was ich weiß.

Ich renne so schnell ich kann und trotzdem kommt es immer näher. Ich kann nichts dagegen tun. Schweiß läuft mir den Rücken hinunter. Mein Lunge brennt.

Ich weiß nicht mal wer oder was hinter mir ist. Doch ich weiß, dass es gefährlich ist, dass es mich töten, mich zerreißen will. Ich stolpere. Renne weiter. Es kommt immer noch näher. Immer schneller. Und schneller. Zu schnell. Viel zu schnell und dann ist es plötzlich hinter mir.

Ich schreie.

„Freya!" Die Stimme meiner Schwester kommt mir unendlich weit weg vor. Doch sie ruf wieder meinen Namen. Ich sitze kerzengerade und schweißnass in meinem Bett. Ich keuche. Meine Lunge brennt, als sei ich eben nicht nur in einem Traum um mein Leben gerannt. Es war nur ein Traum. Nur ein Traum, sage ich mir immer wieder.

„Alles okay?", fragt meine kleine Schwester Nora. „Ja...ja, schon okay. Es war nur ein Traum", antworte ich.

„Bist du dir sicher? Du hast geschrien", erwidert sie. Ich nicke. Sie sitzt mir gegenüber auf ihrem Bett und sieht mich aus ihren warmen braunen Augen an. Dann steht sie auf und setzt sich neben mich auf mein Bett. Unser Zimmer ist klein, aber wenigstens haben wir eins und zwei Betten. Den meisten anderen aus unserer Stadt geht es schlechter. Manche schlafen nur auf dem Boden und manche haben nicht mal genug zu Essen.

Dafür sind unsere Eltern auch Tag und Nacht arbeiten. In staubigen, schmutzigen Fabriken wo sie Getreide weiter verarbeiten und Klamotten herstellen.

Es ist keine schöne Arbeit, dass weiß ich, da ich am Wochenende ebenfalls schon arbeiten gehe, damit wir überhaupt genug Geld hatten. Unter der Woche gehe ich gemeinsam mit meiner Schwester in die Schule und nachmittags helfen wir meiner Mutter in Haushalt und Garten. Dann machen wir Essen und warten bis mein Vater von der Arbeit nach Hause kommt, um gemeinsam zu Abend zu Essen. Danach geht meine Mutter wieder auf die Arbeit und mein Vater ruht sich kurz aus, bevor auch er wieder zur Arbeit geht.

Eigentlich arbeitet er den ganzen Tag und Nachts. Unsere Mutter nur Vormittags und Nachts. Schlaf bekommen die beiden nur vier Stunden oder so, aber das bekommen Nora und ich nie wirklich mit, weil wir immer schon schlafen. Und das alles nur, damit wir genug zu Essen, Klamotten und ein Dach über dem Kopf haben.

Und unsere Regierung, die Metha, sind wütend, weil wir Aufstände wegen unseren schlechten Lebensbedingungen machen. Am Wochenende erst hat unser Dorf zum ersten Mal die Arbeit liegen gelassen und gemeinsam sind wir auf die Straße gegangen, um gegen unsere schlechten Lebensbedingungen zu protestieren. Bisher hat es nichts gebracht. Aber wer weiß.

Ich sehe zu meiner Schwester, sie sieht zum Fenster heraus und wickelt sich eine ihrer karamellfarbenen Haarsträhnen um den Finger. Sie ist schon dreizehn und doch sehe ich in ihr immer noch das kleine Mädchen, das Angst vor der Dunkelheit hat. „Frey? Was ist das da?", fragt sie plötzlich und zeigt aus dem Fenster. Eigentlich heiße ich Freya, aber Nora nennt mich meistens Frey. Ich lehne mich zu ihr rüber. Oh nein, das sieht aus wie Rauch. „Ich glaube es brennt", sage ich erschrocken, „wir müssen raus und helfen."

Nora nickt und wir ziehen uns unsere Jacken und Schuhe an. Wir sind gerade im Flur, als unsere Mutter zur Haustür herein gestürmt kommt. Sie sieht entsetzt aus.

„Ihr müsst hier weg. Sofort. Lauf in den Wald oder so. Bloß weg", sagt sie leise aber unfassbar eindringlich. „Was? Wieso? Ist das Feuer so schlimm?", frage ich alarmiert. „Das ist nicht nur ein normales Feuer. Sie greifen an", antwortet meine Mutter. Sie ist leichenblass.

Sie greifen an, hallen die Worte in meinem Kopf wieder. „Was ist mit euch?", frage ich alarmiert.

„Macht euch um uns keine Sorgen. Wir kommen nach", sagt meine Mutter. „Nein!", ruft Nora und klammert sich an meine Mutter. „Wir kommen nach, versprochen", verspricht meine Mutter und löste sich von Nora. Sie hat Tränen in den Augen. Die eigene Mutter weinen zu sehen ist unerträglich.

„Ihr schafft das, ja. Passt auf euch auf", sagt sie und dreht sich schon wieder zum gehen um. Ich bin zu verzweifelt, um etwas zu antworten oder sie aufzuhalten. Ich klammere mich einfach an die Hand meiner Schwester. „Und gebt niemals auf", sagt meine Mutter und dreht sich nochmal zu uns um und gib uns einen Kuss auf die Stirn.

Dann ist sie weg.

Ich bin wie in Trance. Das kann nicht sein. Das hier kann einfach nicht war sein.

„Mum!", schreit Nora. Sie reißt sich von mir los und rennt unserer Mutter hinterher. Ich komme wieder zu mir und renne Nora hinterher. „Nora, wir müssen hier weg", sage ich als ich sie einhole. „Du willst sie also zurücklassen?", schreit sie. Sie weint. „Nein, nein natürlich nicht", erwidere ich, „aber Nora, wir können nichts machen und Mum wollte, dass wir weg gehen. Wir können ihnen nicht helfen."

Wenn wir weiter meiner Mutter hinterher laufen, würden wir sterben, dass war klar. Die Lage ist aussichtslos. Entweder würden ich und meine Schwester fliehen und unsere Eltern im Stich lassen oder wir würden versuchen ihnen zu helfen und ebenfalls sterben, dass sie überleben war unmöglich.

Natürlich will ich meine Eltern nicht im Stich lassen, aber ich kann auch nicht zulassen, dass meine Schwester auch noch stirbt. Also packe ich sie am Arm und ziehe sie in Richtung Wald. Weg vom Angriff. Weg von der Gefahr. Weg von unseren Eltern.

Hope dies lastWhere stories live. Discover now