Seine hübschen Augen senken sich mit verschleierter Belustigung auf das Brot. "Ich tue es unter einer Bedingung." Oh nein, er schiebt mir seine Tasse zu! "Das ist Körperverletzung!", empöre ich mich. Das kann er doch nicht von mir erwarten! "Ich biete Ihnen etwas Schönes an und im Gegenzug kriege ich etwas Dunkles und Bitteres?" "Ich biete Ihnen etwas an, was ich mag und Sie bieten mir etwas an, was Sie mögen." So habe ich es noch nie gesehen. Miran schiebt seine Tasse ein weiteres Stück zu mir. "Ich teile meinen Kaffee sonst mit niemandem." Er verführt mich wirklich dazu, Kaffee zu trinken! Und er schafft es auch, weil ich den Titel tragen möchte, die Einzige zu sein, mit der er seinen Kaffee teilt. Er ist gut, das muss ich ihm lassen. "Na gut", setze ich skeptisch an. Es ist zwar sehr unfair, dass ich im Gegenzug etwas Abscheuliches trinken muss, aber für den Titel tue ich eben alles. Aber ich bleibe zögerlich und beobachte ihn über die Tasse hinweg, bis er den ersten Bissen tätigt. Erst dann quäle ich mich durch die bittere Brühe. Es schmeckt nicht. Es schmeckt nach nichts und dann nach einer Qual. Mein linkes Augenlid zuckt schon. "Gott", ächze ich. "Muss ich alles trinken?", frage ich angestrengt. Seine Lippen zucken belustigt über meinen desolaten Zustand. Ich hätte nicht gedacht, dass er ein Sadist ist. Unglaublich.

"Noch einen Schluck und ich bin zufrieden." Also gut. Ich reiße mich ein letztes Mal für heute zusammen, kneife leidend meine Augen zu und nehme noch einen Schluck. Er ist genauso widerlich und genauso menschenrechtsverletzend wie der erste Schluck. "Genug! Ich habe den Titel jetzt und Sie essen das ganze Brot." Die Plörre kann er allein austrinken. Ich exe meinen Tee, in der Hoffnung, den bitteren Geschmack aus meinem Mund zu spülen. "Welchen Titel, Shirin?" "Den Titel, die Einzige zu sein, mit der Sie Ihren widerlichen Kaffee teilen." "Sie haben es deshalb getan? Ich fühle mich geschmeichelt." "Und ich mich ausgenutzt, weil Sie im Gegensatz zu mir etwas Wohltuendes zu sich nehmen müssen." Das werde ich ihm nie verzeihen, auch wenn sein sanftes Lächeln sehr beeinflussend ist. Dafür ist der Rest des Frühstücks genießbar. "Was ist mit der Geschäftsreise? Wann kriege ich die Informationen zum Buchen?" "Darum kümmere ich mich persönlich." Wie? Ich lege meine Tasse verwirrt ab. "Wollen Sie mir sagen, ich kriege meine Aufgaben nicht hin?" "Nein. Kam es so rüber?" Warum will er sich selbst darum kümmern?

Ich kneife meine Augen feindlich zusammen. "Sie verheimlichen was." Seine Augenbraue hebt sich daraufhin. "Ich verheimliche etwas, weil ich mich um die Organisation für Flug und Unterkunft kümmern möchte?" "Absolut." "Was soll ich verheimlichen?" Das ist die Frage. Ich weiß es nicht. "Vielleicht wollen Sie den Flug woanders hin buchen." "Und was hätte ich davon?" Mich. Aber das kann ich nicht einfach so sagen. "Weiß ich nicht", erwidere ich stattdessen skeptisch. Miran antwortet auch nicht weiter, weshalb ich umso misstrauischer werde. Das ist ein wirklich toller Schafskäse, den er da parat hat. Es ist still zwischen uns, aber ich sehe immer wieder, wie er zu mir schaut. Auf meine Haare. Mich würde es sonst immer stören, nur leuchtet Neugierde in seinen Augen statt Verachtung. Wenn ich ehrlich bin, würde ich jetzt sogar meine Haare anfeuchten, damit er mehr von meinen Locken sieht, aber andererseits bin ich doch noch zu schüchtern. "Wir können heute nach weiteren Pflanzen schauen, um Ihre Terrasse zu beleben." "Meinen Sie nicht, dass Sie sich nach Ihrer Ohnmacht lieber schonen sollten?" Ich zucke verdutzt. Das ist nun zwanzig Minuten oder so her. Schnee von gestern. "Pflanzen zu kaufen, ist immer eine gute Gesundheitsmaßnahme." "Wir können sicherlich online schauen." Na gut, dann haben wir mehr Zweisamkeit.

Das Abräumen gelingt ohne einen Hals- oder Beinbruch. Jetzt sitzen wir gemeinsam auf dem Sofa und ich suche entsprechende Pflanzen für unser ... sein Zuhause. Ich räuspere mich. "Ich empfehle immer, die Gemüsereste zu verwenden. Die Enden von Lauchzwiebeln kann man super und vor allem schnell zu vollen Lauchzwiebeln wachsen lassen, wenn man sie in Wasser stellt. Ich habe es immer gern, sie einige Tage in Wasser stehenzulassen, um sie daraufhin in Erde zu geben. Das Gleiche gilt zum Beispiel auch für Brokkoli." "Tatsächlich?", erwidert er überrascht und ich nicke. "Jetzt im Frühjahr kann man auch mit dem Knoblauch anfangen. Pflanzen Sie eine Zehe ein und Sie erhalten am Ende eine Knolle", erzähle ich stolz und indirekt von meinem Erfolg letzten Sonntag. "Ich finde, eine große Pflanze hier im Wohnzimmer würde sich gut machen. Wie wäre es mit ..." Ich scrolle eifrig durch die Seiten und finde nach drei Seiten das perfekte Exemplar. "Die Strelitzie. Pflegeleicht und elegant und oh! Das Einblatt. Auch sehr elegant und auch für dunklere Ecken."

Ich zeige ihm die erste Pflanze ... aber ich hätte nicht gedacht, dass seine Hand meine umschließt, um die Bilder zu betrachten. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber seine Präsenz wirkt deutlich näher. Ich spüre sogar seinen Atem sanft meine Wange streifen. Sein Oberarm berührt meinen. Die Wärme seiner Hand überträgt sich auf mich. Das ist ... schön und intim und ... es macht mich verrückt, weil ich nicht weiß, wie ich mich benehmen soll. "Und die andere?" Gott, ich erschaudere durch sein Raunen. "Hier", murmele ich. Mein Daumen zittert beim Tippen auf das Einblatt. Seine Hand verlässt meine kein einziges Mal. Er zieht sie sogar näher zu sich und lehnt sich zurück, sodass ich gar nicht anders kann, als mitgezogen und teils gegen ihn gelehnt zu werden. Ist das noch diskret? "Haben Sie noch mehr Empfehlungen, Shirin?" Sein Atem prallt gegen meine erhitzte Wange. Ich weiß nicht ... ich bin überfordert. "Sie können versuchen ... also vielleicht eine Kentia-Palme oder ..." "Zeigen Sie sie mir, Shirin." Ich kann nicht mehr.

Die intensivste Pflanzenberatung findet sein Ende und damit auch mein Besuch. Ich weiß nicht, ob ich dankbar sein soll oder traurig. Während des gesamten Suchens hat seine Hand meine kaum verlassen. Ich konnte nach einer Zeit nicht mehr und musste mich an seine Schulter lehnen. Es war außergewöhnlich und dennoch wunderbar. Ich habe mich wohlgefühlt, so angespannt ich auch seinetwegen war. Es war pure Aufregung, ihm so nah zu sein. Ich habe kaum gesprochen und auch jetzt schaffe ich es nicht, eine Verabschiedung zu formulieren. Mein Hicksen unterbricht mich und füllt schon wieder die Lücke wie beim gesamten Online-Bummeln. "Danke für die Beratung, Shirin." "Gern. Danke für das Frühstück und die Pflege und Ihre Klamotten und den Job und ... so." Ich muss duschen. Ich schwitze. Miran lächelt schief und so gern ich ihn anschmachte, muss ich meinen Blick senken. Meine Nasenspitze juckt, aber ich würde mich nur weiter verraten, wenn ich sie kratze. "Ich begleite Sie noch zu ihrem Auto." Oh Gott, bitte lass mich den Weg dahin nicht ausrutschen.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit ihm auf einen Aufzug warte, aber das erste Mal, dass mein Herz derart rast. Ich sehe sogar, wie meine Strähnen sich deshalb bewegen. Er steht nah neben mich. Vielleicht eine Fingerkuppe breit. Ist das ein diskreter Abstand? Fühle nur ich mich so aufgedreht? Du meine Güte, ich erschrecke mich schon beim sanften, leisen Ping des Fahrstuhls. "Keine Sorge, der Fahrstuhl beißt nicht." "Ach so", murmele ich. Selbst meine Beine zittern! Ich kreische innerlich wie eine Wahnsinnige, als der Fahrstuhl abfährt. Keiner von uns spricht ein Wort. Man hört nur mein lautes Atmen durch meine Nase, mein Hicksen und vielleicht das Schreien in meinem Kopf. Ich muss etwas sagen, um die Spannung zu lösen, sonst platze ich! "Sind Sie dann am Montag ... auf der Arbeit?" Dein Ernst?! Ich sollte am besten den Notfallknopf drücken. "Ich hoffe doch, Shirin. Sie hingegen sollten erst zum Arzt, wenn Sie sich bis dahin noch schlecht fühlen." Am besten wäre es, wenn ich den Planeten für diese dumme Frage verlasse.

Immerhin sind wir jetzt unten, sodass ich weiteren potenziellen Blamagen aus dem Weg gehen kann. Ich schaue den ganzen Weg bis zur Tür auf den Boden und halte meine Hände ineinander verschränkt, um ja keine Tollpatschigkeit zu begehen, bis ich vor der Tür stehe. Ich möchte sie gerade öffnen, da kommt er mir zuvor und ach du meine Güte, seine Hand! Auf meinem Kreuz! Ich will nicht reagieren, aber mein heißer, roter Kopf ergreift Besitz von der Situation und dreht sich zu seiner großen Hand. Warum mache ich das?! Warum schaue ich ihn mit aufgerissenen Augen an? Ich verunsichere ihn damit ganz offensichtlich! "Ist das zu viel für Sie?" Ich ... nein. Ich will das, aber in meinen Gedanken war ich gefasster und heute ist er besonders kuschelbedürftig und ich kenne ihn nur diskret und das ist nicht diskret. Das ist überhaupt nicht diskret und seine Hand ist warm und ich spüre die Wärme seiner Hand durch meine Wirbelsäule sickern und Luft! Ich brauche Luft! Meine Hand ergreift zitternd seine, löst sie somit von meinem Kreuz, um sie zu schütteln. "War sehr nett mit Ihnen. Wir sehen uns!" Mein Blick gleitet von seinem verwirrten Gesicht zum Mitarbeiter von gestern, der nicht sonderlich besser aussieht. Ich bin erledigt. Ich muss wegrennen. Meine Reifen quietschen schon beim Anfahren. Ich schreie laut los. Das waren doch eindeutige Zeichen, oder? Wenn er in seinen eigenen vier Wänden so innig wird, wie wird es dann in einem anderen Land? Wie schafft er es trotz dessen, so gefasst zu wirken?

Ich verliere mich immer mehr in seinen blauen Augen wie in einem Meer voller unentdeckter Gefühle.

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Die Pinnwände für Shirin und Miran sind auch endlich öffentlich auf Pinterest (TheRealQuzelkurt).

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- Helo

Tollpatschige LiebeWhere stories live. Discover now