☆Oskar☆ ☆9☆

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Schon vor den ersten Sonnenstrahlen bin ich wach, ich brauche nicht so viel Schlaf wie Papa oder Steven.
Es ist still.
Möchte ins Badezimmer, zu den Fugen.
Traue mich aber nicht aus meinem Zimmer zu laufen, da Papa sonst wieder böse wird, so wie gestern.
Stehe auf, laufe ans Fenster.
Ein paar Autos fahren auf der Straße, an unserem Haus vorbei.
Silber, schwarz, blau.
Blau.
Moritz.
Ob er auch gerade Auto fährt oder noch schläft?

Laufe zurück zu meinem Bett, setze mich hin, weiß nicht was ich machen soll.
Entdecke auf dem Nachttisch einen Fruchtriegel.
Mango mit Apfel.
Steven.
Steven weiß was ich mag, bringt mir immer Essen, wenn Papa es mir verbietet.
Löse das Papier, verstecke es unter meiner Matratze, wie die anderen vielen Verpackungen.
Den Riegel esse ich so schnell ich kann, wer weiß wann Papa kommt.
Papa.
Ob er immer noch böse auf mich ist?
Warum lässt er mich nicht sein, wie ich bin?
So wie Moritz.
Moritz zwingt mich nicht zu reden, passt auf mich auf.

"OSKAR AUFSTEHEN!"
Zucke zusammen, da ich nicht damit gerechnet habe und nicht möchte, dass ich beim Essen erwischt werde.
Papa schreit vom Flur aus,
kommt nicht in mein Zimmer.
Stehe auf und will ins Badezimmer gehen, um mich für den Tag fertig zu machen.
Papa steht vor der Badtüre, versperrt mir den Weg und schubst mich in Richtung Küche.
"Du betrittst das Bad nicht mehr, so lange du nicht sprichst! Waschen kannst du dich in der Küche!"
Schaue ihn an, verstehe nicht warum er mich in die Küche schickt.

Papa wird ganz rot im Gesicht.
Bevor er wieder schreit, laufe ich in die Küche.
Ziehe einen Stuhl über den Boden, damit ich an das Spülbecken komme, da die Arbeitsplatte viel zu hoch und das Wasserbecken viel zu weit weg ist.
"Du verkratzt den ganzen Boden!"
Bleibe stehen, weiß nicht was ich tun soll.
Den Stuhl kann ich nicht tragen und ohne ihn kann ich mich nicht waschen.

"Wasch dich endlich. Wir müssen los!"
Schaue zwischen Waschbecken und Stuhl hin und her, bin unentschlossen.
Steven geht ins Bad, höre die Türe leise quietschen.
Papa hat immer noch rote und dicke Augen, so wie gestern.
Wie lange kann man weinen, bis der Vorrat an Tränen verbraucht ist?
Ziehe den Stuhl weiter.
Klettere hinauf.
In der Küche gibt es nur kaltes Wasser, der Boiler unter der Spüle ist kaputt, Papa lässt ihn nicht reparieren, da das zu teuer ist.
Mein Oberteil fällt auf den Boden.
Das Wasser fließt.
Kalt.
Bekomme eine Gänsehaut auf meinem vom Bett gewärmten Körper.
Schaue mich um, Papa ist weg.

Neben mir trifft meine Zahnbürste, Zahnpasta und ein Waschlappen auf der Arbeitsplatte ein.
Mein Bruder hilft mir, obwohl er nie mit mir redet oder spielt.
Ich weiß nicht, ob er nicht darf oder nicht will.
Trotzdem ist er mein Bruder.
Schaue ihn an, er mich.
Ausdruckslos wie ich und doch normal.
Steven ist normal.
Ich gestört.
Greife zu der Zahnbürste und putze meine Zähne, beeile mich.
Papa hasst es zu warten, besonders bei mir.

~○~○~○~

Wir halten auf einem großen Parkplatz vor dem Einkaufszentrum, in dem ich vor zwei Wochen von Mama neue Stifte bekommen habe.
"Du bleibst sitzen! Hast du verstanden? Komm, Steven!"
Papa steigt aus dem Auto aus, schließt ab und geht mit meinem Bruder weg.
Mich lässt er alleine.

Es ist heiß, die Sonne scheint jetzt schon sehr kräftig.
Schaue aus dem Fenster und beobachte die Menschen.
Sie lachen, sie reden, sie laufen schnell ihren Weges.
Mein Kiefer schmerzt, aber es ist okay.
Papa wollte mir bestimmt nicht weh tun, sondern mir nur behilflich sein, damit ich wieder rede.
Aber ich will nicht.
Schnalle mich ab und klettere auf den Fahrersitz, da ich von hier aus viel mehr sehen kann.
Schaue in den Rückspiegel und sehe die blauen Flecken unter meiner Backe.
Moritz hat blaue Augen, ich blaue Flecken.

Oskar; Only human - but a little bit differentWhere stories live. Discover now